3 Ebenen der Konsumerisierung

Gartner - BI vor radikalem Wandel

28.09.2012 von Werner Kurzlechner
BI scheitert weitgehend, weil die Tools den Anwendern zu kompliziert und langsam sind. Auch die Ergebnisse sind oft irrelevant. Konsumerisierung könnte das ändern. Best-of-Breed statt BI-Plattform könnte die Folge sein.

Nachholbedarf bei Business Intelligence (BI)? Aber sicher doch: Weniger als 30 Prozent der potenziellen Nutzer wenden BI-Tools tatsächlich an. Zumeist deshalb, weil die Tools aus Anwendersicht zu kompliziert sind, zu langsam arbeiten und irrelevante Inhalte liefern. Diese Diagnose ist quasi der Ausgangspunkt einer Studie von Gartner, in der die Analysten einen Ausweg erkennen: die Konsumerisierung der BI.

Es könnte der radikalste Wandel im BI-Umfeld seit Entstehen der gängigen unternehmensweiten Plattformen Ende der 1990er-Jahre bevorstehen, argwöhnt Gartner-Analyst James Richardson. Das würde dann daran liegen, dass die unter dem neuen Schlagwort der Konsumerisierung subsumierte Anwendung nicht spezifisch für Unternehmen entwickelter, sondern aus dem privaten Gebrauch stammender IT gerade im BI-Bereich den dringend benötigten frischen Wind heranblasen könnte.

„Die meisten Firmen wissen, dass sie ein Problem bei der BI-Adoption haben“, schreibt Richardson. Die Unternehmen investieren demnach immer mehr in BI-Lösungen, aber die Nutzung durch die Mitarbeiter hält damit nicht Schritt. Dabei könne sich jede Organisation verbessern, wenn der Zugang ideal integrierten Informationen erleichtert und diese Informationen tatsächlich vor Entscheidungen analysiert würden.

Die 3 Chancen durch Konsumerisierung

Foto: Gartner

Gartner beobachtet auf drei Ebenen Chancen durch Konsumerisierung – und hat am Ende auch noch drei Tipps für Anwender parat.

Die erste Ebene ist jene der Usability. Wenn BI schwer zu bedienen oder komplett statisch ist, lassen die Nutzer schnell die Finger davon. Dieses Kardinalproblem kann aus Gartner-Sicht durch verschiedene Entwicklungen aufgebrochen werden. Statt unübersichtlicher Reihen und Säulen von Zahlen kann eine bunte und interaktive Visualisierung die Arbeit mit der BI-Lösung angenehmer machen. Beispielsweise könne durch einen simplen Klick auf ein Icon die Filterung und Aufbereitung der Daten erfolgen. Laut Richardson sollte wie in einem Computerspiel ein anregendes „Fliegen“ durch die Datensätze möglich sein. Im Kern geht es in jedem Fall um Interaktion mit den Daten, die so simpel sein soll wie der Computer-Hausgebrauch.

Zehn IT-Bereiche mit Handlungsbedarf
Zehn IT-Bereiche mit Handlungsbedarf
Client-Strategie, Virtualisierung, Cloud oder Business Intelligence - viele IT-Leiter sind in diesen Bereichen nicht auf der Höhe der Zeit. Experton-Analyst Luis Praxmarer hat 10 Technologiebereiche identifiziert, für die im Jahr 2012 unbedingt Handlungsbedarf besteht.
1. Traditionelle Clients
Für WINTEL Client-Installationen steht im Jahr 2012 eigentlich die Migration nach Windows 7 an. Für ein Hinausschieben und Verzögern dieser Migration spricht nicht viel. Die Auswahl der richtigen Lizenzierungs- und Wartungsstrategie ist sehr wichtig. Dieser Bereich ist zwar nicht von strategischer Bedeutung, hat aber starke Auswirkungen auf die Client- und Supportkosten. Windows 8 kommt in Einzelfällen bereits zum Einsatz; eine Bereinigung der Betriebssystemlandschaft ist sehr zu empfehlen.
2. Neue Client-Strategie
Parallel zur Migration und Bereinigung der Windows-Umgebung verzeichnen Smartphones und Tablets einen stark steigenden Nutzungsgrad. Deshalb stehen eine Evaluierung einer BYOD- (Bring Your Own Device) Strategie und Tests für eine ausgewählte Gruppe an. Wegen der schnellen Veränderungen im Markt, der vielen Betriebssysteme und der hohen Komplexität sollten nicht gar zu viele gerätespezifische Apps entwickelt werden.
3. Virtualisierung
Nachdem die meisten Unternehmen die Servervirtualisierung in Angriff genommen haben - auch wenn die Durchdringungsrate in vielen Fällen bei nicht einmal 30 Prozent liegt - stehen nun Client- und Storage-Virtualisierung an. Die Client-Virtualisierung soll die Kontrolle über und das Management von BYOD-Umgebungen ermöglichen und gleichzeitig auch in Zukunft die Sicherheit der Unternehmens-Apps gewährleisten. Mit der Applikationsvirtualisierung wurde bislang nur in wenigen Unternehmen begonnen.
4. Cloud Computing
Cloud Computing wird in allen IT-Bereichen vorangetrieben, von IaaS oder Storage as a Service im Unternehmensumfeld bis hin zu eher privaten Nutzungsszenarien und SaaS-Applikationen. Die IT-Abteilung muss Technologien für den gesamten Stack einer Untersuchung unterziehen, die bestehende Architektur sowie die Unternehmensanforderungen auf den Prüfstand stellen und eine entsprechend angepasste Strategie entwickeln. Anhand von Pilotprojekten können erste Erfahrungen gewonnen werden.
5. Enterprise 2.0
Web 2.0 hält in den Unternehmen Einzug und wird bereits von einigen genutzt; viele sind damit aber eher überfordert. Anstatt auf statischen Webseiten eine Fülle an Informationen anzubieten, hat sich das Spiel jetzt drastisch verändert. Die meisten Unternehmen haben Schwierigkeiten damit, die damit verbundenen Möglichkeiten zu verstehen und sie in ihre IT-Systeme mit einzubeziehen oder gar eine Integration ins Auge zu fassen.
6. BI/EPM/BPM, Big Data
Dieses Thema spielt aus einer anderen Perspektive auch bei den CIO-Prioritäten eine Rolle, muss aber auch aus technologischer Sicht analysiert werden. In den meisten Unternehmen finden sich isolierte BI-Lösungen, hinter denen keine klare Stammdatendefinition steht; damit ist es schwierig, den nächsten Schritt zu tun und diese Insellösungen in eine unternehmensweite Enterprise Performance Lösung zu integrieren. Im Bereich Big Data bzw. große Datenvolumen müssen eine ganze Reihe von technologischen Herausforderungen untersucht werden.
7. Identitätsmanagement
Das Thema Identitätsmanagement steht schon seit einer ganzen Weile auf den Prioritätenlisten ganz weit oben; jetzt gewinnt es auch im Zuge der Cloud-Implementierung eine fundamentale Bedeutung. Hier muss ein Framework entwickelt werden, um unter anderem Themen wie Single Sign-On, Provisioning, Rückverrechnung und Sicherheit zu adressieren. Identitätsmanagement ist ein Schwerpunktthema für das Computing der Zukunft, denn der Zugriff erfolgt von überall aus und über alle Arten von Endgeräten.
8. ERP, CRM, SCM Future
In den meisten IT-Organisationen existiert mittlerweile eine solide und stabile ERP-Umgebung. Sie funktioniert, aber agil ist sie nicht, und was noch schlimmer ist, sie kostet ein Vermögen. In manchen Unternehmen wird bis zu ein Prozent des Gesamtumsatzes in den ERP-Betrieb gesteckt. Das ist in Zukunft nicht mehr akzeptabel und muss im Laufe der nächsten Jahre signifikant verbessert werden. Die vorhandenen ERP-Lösungen sind zudem veraltet und müssen nach und nach modernisiert werden.
9. Software as a Service
Software as a Service ist Bestandteil des Cloud Computings, muss aber auch aus einer anderen Perspektive angegangen werden. Viele IT-Organisationen haben mit IaaS (Infrastructure as a Service) so ihr Probleme, doch die Nutzer profitieren von SaaS. Viele Lösungen, die oft nur für eine kleine Gruppe von Anwendern benötigt werden, können jetzt sehr schnell und kostengünstig genutzt werden und sorgen so für einen unmittelbaren Mehrwert und Nutzeneffekt. Hinzu kommt, dass die Generation der "Digital Natives" mit dieser Art des Computings voll und ganz vertraut ist.
10. Konsumerisierung
Mit der Einführung des iPods hat Apple das traditionelle Computer-Geschäft verlassen. Durch den Fokus auf die Verbraucher wurde Apple zur Computerfirma mit dem höchsten Unternehmenswert und hat mit dem iPhone und dem iPad den Weg zurück ins Unternehmen geschafft. ARM Chips, wie sie in Smartphones zum Einsatz kommen, verfügen über ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis im Serverumfeld und bieten Intel als Konkurrenz die Stirn. Google und Amazon sind weitere Beispiele für den zunehmenden Konsumerisierungstrend, der von der IT berücksichtigt werden muss.

Ganz ähnlich sollte eine integrierte Suche möglich sein – ganz einfach über eine Keyword-Suche, in etwa wie beim Googlen. Die Konsumerisierung an dieser Stelle laut Gartner: Das gewohnte Such-Interaktions-Modell ganz einfach in der BI anwenden. „Es werden keine Schulungen benötigt“, so Richardson. „Einfach tippen und los.“

Zukunftsfeld Mobile BI

Ebenfalls im Usability-Bereich verortet Gartner Mobile BI. Laut Prognose der Analysten wird bereits 2013 ein Drittel der via BI bezogenen Informationen auf Smartphone oder Tablet geholt. „Komplikationslose Bedienbarkeit und kein Bedarf an einer Gebrauchsanweisung“, lautet nach Ansicht Gartners das Consumerization-Rezept in diesem Bereich.

Die Anwender suchen die benötigten BI-Tools selbst aus, beispielsweise im App-Store von Apple. Man dürfe sogar annehmen, dass der Anbieter des besten mobilen „BI-Erlebnisses“ fürs Mobiltelefone gute Chance für eine führende Position im BI-Standard-Markt erhalte, so Richardson.

Als zweite Ebene betrachtet Gartner den Speed. Die Verwendung von schnellen In-RAM-Prozessoren kann demnach für ein beschleunigte Analyse und Interaktion mit BI-Daten sorgen. „Schneller ist besser, weil dann mehr Fragen gestellt, mehr Szenarien durchgespielt und mehr Report erstellt werden können, bevor eine Entscheidung getroffen wird“, heißt es in der Studie.

Die dritte Dimension ist jene der Relevanz. Hier hat Gartner Data Mashups im Sinn: Die User bringen ohne formale Integration eigene Daten ins System ein, um entdeckte Lücken in der Datensammlung zu schließen. Diese von den Endanwendern stammenden Daten müssten dann durch die BI-Infrastruktur verwaltet werden. Das klinge zugegeben etwas problematischer als die anderen genannten Punkte, so Richardson. „Aber wenn es sich um einen kompetenten Spreadsheet-User handelt, würde diese Funktionalität die Relevanz der ermöglichten Analysten deutlich steigern.“ Mehr Kontext und Vielfalt also für die Datensätze, lautet die Idee.

Als Konsequenz dieser absehbaren Entwicklungen gerät nach Einschätzung Gartners das Konzept der einen unternehmensweiten BI-Plattform ins Wanken. Firmen kommen demnach über kurz oder lang nicht mehr umhin, eine Vielzahl an BI-Komponenten zu überblicken. „Unvermeidlicherweise wird die Steuerung eines Portfolios an BI-Anwendungen mehr Anstrengungen erfordern, als das im Falle einer einzigen Plattform nötig ist“, so Richardson. Aber die Balance der zusätzlichen Funktionalitäten und die größere Relevanz für Business-Entscheidungen rechtfertigten den Aufwand.

3 Tipps für Anwender

Anwendern rät Gartner erstens zu einer genauen Überprüfung des vorhandenen BI-Portfolios. Es gelte Spielräume für Usability, Relevanz und Performance auszuloten. Zweitens sei ein Regelwerk abzustecken, das die Haltung zu durch Endanwender eingebrachten BI-Tools definiert. Drittens seien die derzeitigen Standards des BI-Anbieters im Lichte der Konsumerisierung zu beleuchten und gegebenenfalls neu zu bewerten. Gartner empfiehlt, dabei durchaus die Funktionalitäten höher zu gewichten als die Einheitlichkeit auf der Anbieterseite und eine Best-of-Breed-Lösungen zu erwägen – beispielsweise eine Mischung aus Daten-Visualisierung von einem Anbieter und Online-Analyse von einem anderen.

Die StudieThe Consumerization of BI Drives Greater Adoption” ist bei Gartner erhältlich.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO. (ph)