Ganswindt-Portrait: Ex-Kronprinz hinter Gittern

14.12.2006
Diplomatisches Geschick war keine Stärke von Thomas Ganswindt, er war der Siemens-Mann fürs Grobe. Den Kampf um den CEO-Posten verlor er gegen Klaus Kleinfeld, und er konnte nicht verhindern, dass letztlich auch seine Stelle eingespart wurde.

Thomas Ganswindt war einst einer der großen Hoffnungsträger im Siemens-Konzern. Mit seinem Ruf als harter Sanierer galt der 46-Jährige als einer der heißen Kandidaten für die Nachfolge des langjährigen Vorstandschefs Heinrich von Pierer. "Alles, was ich tue, gehört zum Aufräumprozess", sagte Ganswindt einmal über seine Arbeit bei der krisengeschüttelten Siemens-Festnetzsparte ICN. Doch nun hat der schmutzige Schmiergeldskandal auch den früheren Vorzeigemanager erwischt. Ganswindt sitzt seit Dienstag als bisher hochrangigster Ex-Siemens-Manager in Untersuchungshaft.

Ganswindt war 17 Jahre bei Siemens, ehe er im Herbst den Konzern verließ. Mit der bevorstehenden Auflösung der Com-Sparte habe sich seine Aufgabe bei Siemens erledigt, hieß es damals zur Begründung. Über seinen Abschied war zuvor monatelang spekuliert worden. Erste Ermittlungen im Bereich Com waren damals intern schon bekannt. Offiziell hieß es aber, Ganswindt gehe auf eigenen Wunsch. Der gebürtige Oberhausener wechselte als Vorstandsvorsitzender zur Elster Group (früher Ruhrgas Industrie) in Luxemburg. Seinen Wohnsitz behielt er vorerst in München.

Als Ganswindt 2001 zur kriselnden Netzwerksparte ICN kam, eilte ihm der Ruf eines strikten Sanierer voraus. Er hatte zuvor die Siemens-Verkehrstechnik als Bereichsvorstand auf Kurs gebracht. Wenn der Manager die hoch defizitäre Sparte ICN ebenfalls in den Griff bekomme, sei er automatisch einer der ersten Kandidaten für den Siemens-Chefposten, wurde damals im Konzern gemunkelt. Ende 2002 zog Ganswindt in den Vorstand der Siemens AG ein, der unter dem Zentralvorstand angesiedelt ist. Zeitgleich mit Ganswindt wurde der damalige US-Chef Klaus Kleinfeld in das Führungsgremium befördert. Spätestens mit der Beförderung der beiden Manager galt das Rennen um die Nachfolge Pierers als eröffnet, das Kleinfeld schließlich gewann.

Heute ist Kleinfeld um Aufklärung des Schmiergeld-Skandals bemüht. "Es geht um den Ruf des Hauses. Wir werden keine Kompromisse machen", betonte der Manager am Dienstag. Da wusste er wohl noch nicht, dass noch am selben Abend die Verhaftung seines Weggefährten Ganswindt verkündet werden würde. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Ganswindt, das Schmiergeldsystem in der Kommunikationssparte zumindest toleriert zu haben. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" wurde er schon frühzeitig von einem Manager über die Zahlungen informiert. Bei diesem Gespräch habe Ganswindt eine in seinem Büro installierte Rauschanlage eingerichtet, um ein Abhören zu verhindern, sagte der Beschuldigte laut SZ aus.

Ganswindt stand bei Siemens gehörig unter Erfolgsdruck. Die Telekommunikationsmärkte waren weltweit in der Krise, die Siemens-Sparte hatte viel zu viel Personal an Bord. So war es denn auch eine der ersten Amtshandlungen Ganswindts im Herbst 2001, den Abbau von nochmals 7.000 Stellen zu verkünden. Weitere Stellenstreichungen sollten folgen. Ein halbes Jahr später setzte er den Verkauf der Router-Tochter Unisphere an Juniper durch. Trotz seiner nicht gerade leutseligen Art war der disziplinierte Manager durchaus angesehen. Im vergangenen Jahr erhielt er die Ehrendoktorwürde der renommierten TU München, auch wegen herausragender fachlicher Leistungen.

Arbeitnehmervertreter bei ICN hatten anfangs einen gemischten Eindruck von dem Manager. "Er ist nicht dadurch aufgefallen, dass er ein Händchen für den Umgang mit Beschäftigten hätte", meint einer, der mit ihm zu tun hatte. In den Verhandlungen um einen Lohnverzicht der ICN-Beschäftigten wurde Ganswindt von der Arbeitnehmerseite einmal gefragt, ob er nicht auch auf einen Teil seines Einkommens verzichten wolle. Ganswindt habe geantwortet, da die Verkehrstechnik erfolgreicher gewesen sei, habe er bei seinem Wechsel zu ICN ja ohnehin schon Verzicht geübt, das müsse reichen.

Auch solche Äußerungen machten Ganswindt nicht unbedingt beliebter. Allerdings wurde dem Manager zu Gute gehalten, dass er gelernter Maschinenbauer war. "Die haben gesagt: Das ist kein schlechter, weil er ein Techniker ist und kein reiner Kaufmann", hieß es. Zudem habe Ganswindt später versucht, mehr zuzuhören und die Mitarbeiter mitzunehmen. Doch weder der Stellenabbau noch die Zusammenlegung von ICN mit der Mobilfunksparte ICM - zuerst unter Lothar Pauly und seit September 2005 unter Ganswindts Führung - oder der Verkauf der Handys an BenQ brachten den ganz großen Durchbruch. Als Folge löst Siemens seine Kommunikationssparte nun komplett auf und kappt damit seine Wurzeln. (dpa/ajf)