RFID

Funkchips warten auf Startfreigabe

07.05.2009 von Konrad Buck
Das Potenzial des berührungslosen Datenaustauschs ist noch längst nicht gehoben. Viele Einzellösungen etwa in der Logistik, im Handel und im Sport könnten für genügend Auftrieb sorgen. Hier finden Sie Beispiele.

Einen erneuten Impuls für den Markt Radio Frequency Identification (RFID) gab es Anfang April 2009. Damals kündigte die Audi AG eine Rahmenvereinbarung mit der I.D. Systems aus Hackensack im US-Bundesstaat New Jersey, Anbieter von funkbasierten Flottenmanagement-Systemen, an. Die Vereinbarung sieht die Installationen mehrerer PowerFleet-Systems zum Management von Gabelstaplerflotten in Audi-Werken vor. Die patentierte Technologie nutzt zur Kontrolle, Nachverfolgung, Beobachtung und Analyse von Unternehmensgütern. Herstellerangaben zufolge ist die Einführung des Systems in zwei Audi-Werken "in naher Zukunft" vorgesehen, unter anderem in der Ingolstädter Zentrale des Autobauers.

Mit dem neuen Flottenmanagement-System sollen wertvolle Kennzahlen hinsichtlich des Fahrzeugeinsatzes und der Auslastung gewonnen werden. Weiteres Ziel ist es, die Instandhaltungskosten zu senken. Hierfür erfasst das System automatisch Nutzungsdaten und Fahrzeugdefekte und leitet sie an die Zentrale weiter. So können Wartungsintervalle auf Basis der tatsächlichen Fahrzeugnutzung festgelegt werden und müssen nicht mehr aufgrund willkürlich gewählter Zeitabstände durchgeführt werden. Außerdem wird mit einem Staplermanagement-System die Sicherheit und der Werksschutz entscheidend verbessert, da gewährleistet ist, dass Fahrzeuge nur von autorisierten, entsprechend geschultem Personal bewegt wird und Prüfpflichten durchgesetzt werden können.

RFID-Tags formen das Internet der Dinge

Frithjof Walk, Vorstandsvorsitzender des AIM: Geschickt kombiniert, wird aus den verfügbaren Teilen ein großes Ganzes.
Foto: FEIG ELECTRONIC GmbH

"Geschickt kombiniert, wird aus den verfügbaren Teilen ein großes Ganzes", ist sich Frithjof Walk sicher. Walk ist Vorstandsvorsitzender des AIM (Verband für Automatische Identifikation, Datenerfassung und Mobile Datenkommunikation) und Geschäftsführer des Spezialisten für berührungslose Identifikation (RFID), Steuerungselektronik und Verkehrssensorik Feig Elektronik GmbH. Zielvorstellung des Transponder-Experten und vieler seiner Mitstreiter ist das so genannte "Internet der Dinge". Gemeint ist ein dem World Wide Web vergleichbares Gebilde vernetzter Produkte, Gegenstände und Komponenten.

Deren Herkunft, Aufenthalts- und Bestimmungsorte sind mittels RFID-Tags, dazugehörigen Leseeinheiten und nachgeschalteter Auswertungssoftware bekannt und lassen sich ebenso steuern wie verwalten. Allerdings fehlt den bisher erfolgten Installationen von RFID-Technik die nötige Klammer, um den nächsten Schritt in Richtung höherer Integration zu gehen. Bei der Positionsbestimmung von Baufahrzeugen, bei der Wareneingangs- und Warenausgangskontrolle in Großlagern oder beim Containermanagement auf Hafen-Umschlagplätzen haben RFID-Tags ihre Tauglichkeit längst bewiesen. Auch in der Patientenversorgung und im Lebensmittelsektor haben Transponderlösungen gezeigt, welche Möglichkeiten zur Prozessoptimierung in ihnen stecken.

Jetzt sind Walk zufolge Unternehmen gefragt, die das Optimierungspotenzial als Chance entdecken, gestärkt aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise hervor zu gehen. Die größten Entwicklungsmöglichkeiten haben Firmen, die große Gütermengen bewegen. Das gilt etwa für die Branchen Logistik, Fertigung und Handel. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, so Stefan Heng, Senior Economist bei der Deutschen Bank Research in Frankfurt, müssen die Produzenten, Transportdienstleister und Händler in der weltweit aufgefächerten Wertschöpfungskette alle relevanten Informationen in engem Kontakt austauschen.

Aber auch im Detail stecken interessante Möglichkeiten, Prozesse durch den Einsatz von RFID-Tags zu verbessern. So lassen sich mit dem RFID-Tracker des Berliner Lokalisierungsspezialisten ENAiKOON Arbeitszeiten oder Tätigkeitsnachweise fälschungssicher und lückenlos erfassen und dokumentieren. Somit wird die Mitarbeiterdisposition effektiver und der Arbeitsprozess lässt sich in Echtzeit steuern.

RFID-Tags sind in Flüssigkeiten und auf Metall möglich

Foto: Ferroxtag

Nicht zuletzt werden die Chips immer robuster. Auch das Problem, die Transponder nicht auf Metallkörpern oder in Flüssigkeiten einsetzen zu können, wurde bereits von mehreren Anbietern gelöst. So bietet die Ferroxcube Deutschland GmbH passive HF-RFID-Transponder mit dem Namen FERROXTAG an, die ohne jegliche Absorptionseffekte direkt auf metallische Oberflächen oder innerhalb von Flüssigkeiten platziert werden können. Dabei wird die Lesezuverlässigkeit Herstellerangaben zufolge nicht reduziert. Die Transponder entsprechen den Standards ISO15693 und ISO18000-3 Air Interface Communication. Die Lesereichweite beträgt die bei 4-Watt-Lesegeräten üblichen rund 30 Zentimeter und die Arbeitsfrequenz liegt bei 13,56 MHz. Die Inlays sind beispielsweise in Schraubgehäusen mit den Abmessungen 25 x 12,5 x 5,5 mm vergossen (Silikon oder Epoxyd) lieferbar. Daher sind sie auch bei extremen Umgebungsbedingungen wie hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturen von minus 25 bis plus 100 Grad (für kurze Zeit bis 130 Grad ) einsetzbar. Eine ATEX-Zertifizierung ist ebenfalls vorhanden.

Auch die Dynamic Systems GmbH aus Wessling bei München ist mit robusten Transpondern unterwegs. Aufgrund einer speziellen Abschirmfolie sind die "HF-On-Metal"-Tags im 13,56 MHz-Bereich auch als Etiketten von 0,5 bis 1,1 mm Dicke erhältlich. Die Labels können direkt auf metallischen Oberflächen appliziert und dabei zuverlässig ausgelesen oder beschrieben werden. Das "UHF Hard tag on metal", ein robuster Industrietransponder nach ISO 18000-6, funktioniert zuverlässig im UHF-Frequenzbereich bei 868 Mhz. Durch eine intelligente Materialkombination und die Herstellung im Spritzgussverfahren konnte Dynamic Systems damit einen sehr kostengünstigen Industrie-Transponder auf den Markt bringen.

Tags kontrollieren Ski-Führung von Leistungsportlern

Im Sport finden Funkchips ebenfalls neue Einsatzgebiete. So geben kleine Funksender auf Skiern Aufschluss darüber, ob die Bretter bei der Fahrt parallel waren. Im Skirennlauf, wo über Platz oder Sieg mittlerweile im tausendstel Sekunden-Bereich entschieden wird, müssen Leistungssportler ihren Fahrstil ständig verfeinern. Mit RFID-Transpondern auf den Skiern können Profis ihre Fahrgewohnheiten künftig genauer unter die Lupe nehmen. Um die Schwächen im Fahrstil eines Slalomläufers ausfindig zu machen, analysieren Trainer und Sportler bisher nur per Videoaufnahme. "Die Auswertung erfolgt dabei eher aus dem Gefühl heraus, nicht über konkrete Messwerte", erläutert Klaus Richter, Kompetenzfeldleiter am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg. Mit der sportiven RFID-Lösung errechnet ein Computer die Lage der Skier während jeder Millisekunde und zeigt auf dem Bildschirm ihre genauen Wege. "Damit kann der Trainer genau sehen, ob beide Skier parallel waren", erklärt Richter und fährt fort: "Gleichzeitig ist ablesbar, ob der Skiläufer in einer Kurve von seiner Bahn abdriftet und ob er das Carving perfekt beherrscht."

Die dritte RFID-Generation ist im Anmarsch

Neuen Gesprächsstoff im Auto ID-Sektor liefern jüngste Entwicklungen in den RFID-Erweiterungsbereichen Real Time Locating Systems (RTLS) und Wireless Sensor Networks, auch bekannt als Third Generation active RFID. Solche drahtlos vermaschten Netze ahmen das Internet nach, indem sie damit starten, RFID-Tags als sich selbst organisierende und selbstheilende Konglomerate aufzusetzen.

Im Bereich RTLS führt die PSI Transcom GmbH seit März diesen Jahres gemeinsam mit dem Luxemburger Unternehmen RMS bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) ein funkbasiertes RFID-Echtzeit-Ortungssystem ein. Mit diesem System lassen sich Busse und Straßenbahnen auf dem Betriebshof stellplatzgenau orten. Die bereits im Automobil-, Produktions- und Logistikbereich bewährte Lösung ist Unternehmensangaben zufolge - aufbauend auf der bestehenden WLAN-Technik - einfach implementierbar und sei deshalb für Verkehrsunternehmen besonders effektiv.

Mit Hilfe von Wireless Sensor Networks (WSN) können Umgebungssituationen erfasst und teilweise schon innerhalb des Netzes ausgewertet werden. Herausforderungen liegen allerdings noch in der effizienten Nutzung des unzuverlässigen Funkmediums, der Selbstorganisation der Knoten, der Ressourcenbeschränkung, der die Sensorknoten unterliegen, oder der Programmierbarkeit solcher Systeme. Einer der Anbieter solcher Systeme ist Arch Rock, hierzulande vertreten durch die TITAN Commerce Continental Services GmbH aus Gießen. Weil die Lösung IP-basiert arbeitet, sind Anwender in der Lage, End-to-End Lösungen schnell und effizient aufzubauen, einfach zu betreiben und zentral zu managen. Das eröffnet neue Nutzungsmöglichkeiten beispielsweise in der Gebäudetechnik, wo anstelle von einmaligem Ablesen von Sensoren jetzt ein kontinuierliches Monitoring in Echtzeit von einer zentralen Verwaltung aus möglich ist. Weitere Beispiele sind die Messung und Kontrolle von Veränderungen in biologischen oder technischen Systemen.

All diese RFID-Inseln warten jetzt auf Integration. Marc Onnen, Kenner der RFID-Szene und bei dem Oberurseler Systemintegrator Dimension Data für Auto ID-Systeme verantwortlich, konstatiert: "Der meiste Integrationsbedarf besteht heute im Bereich der Zusammenarbeit aller im Prozess beteiligten Systeme. Nur so lässt sich der Nutzen von RFID voll ausspielen." Zwar gebe es in der Automobilindustrie integrierte Lösungen, diese funktionierten aber immer nur werksintern, selten seien mehrere oder alle Lokationen konzernweit verbunden. Bei den Zulieferern sehe die Situation kaum anders aus: "Diese haben meist schon ein System für die eigenen Belange, können oder wollen diese aber nicht mit den Automobilherstellern vernetzen, um dem Kunden keinen Einblick in die eigenen Prozesse zu geben."

Als Informations- und Integrationsplattform für die Auto ID-Szene versteht sich die Veranstaltung EURO ID, die vom 5. bis 7. Mai 2009 in Köln stattfindet. Schwerpunkte der Fachmesse sind vernetzte Lösungen und durchgängige Datenkommunikation, Komponenten für das "Internet der Zukunft" und das "Internet der Dinge”, Near Field Communication (NFC)-Lösungen und nicht zuletzt Systeme für die Rückverfolgbarkeit von Produkten, Verpackungen und Ladeeinheiten (Tracking & Tracing). Ausführliche Informationen rund um die Messe finden Interessenten unter: www.euro-id-messe.de.