Der Verlust von 1990 darf sich nicht wiederholen

Für die angeschlagene Unisys ist es bereits fünf vor zwölf

22.02.1991

Der Verlust von 436,7 Millionen Dollar im Geschäftsjahr 1990 darf sich 1991 nicht wiederholen. Unisys nähert sich beständig der bedrohlichen Schwelle zur Unterdeckung. Der Buchwert des Unternehmens droht wegen Auszehrung durch Verluste unter die Summe der Verbindlichkeiten zu fallen. Stille Reserven wurden in dieser anhaltend kritischen Situation schon mobilisiert - so jedenfalls sehen es Analysten von Value Line. Der Spielraum wird immer enger.

An dieser Stelle wurde mehrfach von einem Engagement in Unisys abgeraten. Seit der letzten Warnung haben die Aktionäre einen nochmaligen Kursrückgang von zirka 40 Prozent hinnehmen müssen. In der Spitze hat sich der Kurs der Unisys-Aktien seit Mitte 1987 fast gezwanzigstelt. Rechnet man die Kursentwicklung des US-Dollars hinzu, zerschmolzen im August 1987 investierte 100 000 Mark zu heute weniger als 10 000 Mark.

Die soeben veröffentlichten Zahlen für das Geschäftsjahr 1990 zeigen, daß die ehrgeizigen Ziele verfehlt wurden. Das Management war angetreten, die langfristigen Verbindlichkeiten auf zwei Milliarden US Dollar zu drücken. I)Die Erhöhung des Aufwands für Zinszahlungen auf 446,7 Millionen Dollar (nach 425,7 Millionen im Jahr 1989) läßt darauf schließen, daß die Verbindlichkeiten insgesamt noch zwischen 3,5 und vier Milliarden Dollar liegen. Die Summe der langfristigen Verbindlichkeiten wird eher bei 2,5 als bei zwei Milliarden Dollar zu suchen sein.

Da die Zahlen zur Bilanzstruktur per 31. Dezember 1990 noch nicht vorliegen, kann man über den Status quo und die zu erwartenden Maßnahmen nur spekulieren. Das operative Geschäft wird schwierig bleiben. Eine substantielle Verbesserung der Ertragssituation, die es möglich machen würde, die Verschuldung zurückzuführen, scheint 1991 beinahe ausgeschlossen.

Betrachtet man die vorhandenen Vermögenswerte und die eingegangenen Verbindlichkeiten zum 30. September 1990 nach dem Value -Line -Schema, so übersteigt die Substanz die Verbindlichkeiten um 740 Millionen Dollar. Die in Value Line beschriebene Substanz besteht jedoch zu 80 Prozent aus Forderungen und Vorräten. Je kritischer die Situation des Unternehmens wird, um so defensiver werden die Banken zumindest bei der Bewertung der 1,743 Milliarden Dollar Vorräte vorgehen. Wie gesagt: Dies kann nur Spekulation sein. Es fällt jedoch schwer, sich ein Szenario vorzustellen, in welchem Unisys 1991/92 übersteht, ohne entweder den Verkauf weiterer wichtiger Unternehmensbereiche vorzunehmen oder sich mit einem finanzkräftigen Partner zusammenzutun.

Der optisch niedrige Unisys -Aktienkurs reizt zum Einsteigen. Kommt es beispielsweise zum Verkauf des Bereichs Verteilungstechnik (schätzungsweise zwei Milliarden Dollar Umsatz) zu einem Preis, der zu einer nachhaltigen Entschuldung beiträgt, und greift parallel das operative Konzept , wird Unisys einer DV-Aktien mit dem größten Kurspotential werden.

Die derzeitige Börsenbewertung von Unisys liegt realistisch betrachtet bei zirka einer Milliarde Dollar. Dabei werden Rechte aus Wandelanleihen, deren Wandlungspreis über 20 Dollar liegt, außer acht gelassen. Dafür partizipieren die Aktionäre an zehn Milliarden Dollar Umsatz, 450 Millionen Dollar Verlust, knapp vier Milliarden Dollar Verbindlichkeiten und einem Netto-Unternehmenswert von, optimistisch betrachtet, derzeit 700 Millionen Dollar.

Die Unisys-Aktie wird aller Voraussicht nach noch "billiger" geben. Dennoch: Wer glaubt, abschätzen zu können, daß Unternehmen ohne Inanspruchnahme des Insolvenzrechts überlebensfähig sein wird, kann durch den Einsatz hochspekulativen Kapitals spannende Gewinnchancen einkaufen. Die Kurserholung um über 30 Prozent in den vergangenen zwei Wochen zeit dies. Das Risiko für den Aktionär in dieser Konstellation heißt aber: Totalverlust.

Informationen:Arnd Wolpers ist Geschäftsführer der Vermögensgesellschaft GmbH in München