Gartner-CEO-Umfrage

Für CEOs hat Innovation wenig mit IT zu tun

19.04.2012 von Karin Quack
2012 sei das "Jahr des Zögerns", so das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner in seiner jüngsten CEO-Umfrage. Demnach haben die Unternehmensführer durchaus ein Gespür für neue Informationstechnik, aber es fehlt ihnen an Einsicht in den Business-Nutzen. Demzufolge haben sie vielfach ein antiquiertes Verständnis von der Rolle des CIO.
Die IT kann der Schlüssel zur Innovation sein; aber oft bleibt sie im Dunkeln.
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Durchschnittlich 85 Prozent der Chief Executive Officers in Europa, Nordamerika und Asia-Pacific rechnen für dieses Jahr mit einer erneuten Wirtschaftsflaute. Die Europäer sind - wohl aufgrund der Euro-Währungskrise - besonders pessimistisch. Demzufolge rückt das Thema Kostensenkung, das in den beiden vergangenen Jahren zurückgedrängt worden war, wieder in den Vordergrund. "Kostenerwägungen haben in diesem Jahr die zweitgrößte Priorität. Dies ist der höchste Wert in unseren Umfragen seit 2009", bestätigt Mark Raskino, Vice President, Gartner Fellow und Autor der Studie "CEO Survey 2012: The Year of Living Hesitantly".

Von November bis Dezember 2011 befragte Gartner rund 380 Führungskräfte in Großunternehmen aus 25 Ländern. Eintrittskarte in die Studie war ein Jahresumsatz von mindestens einer halben Milliarde Dollar; Ausnahmen bildeten Australien und Südafrika, wo das das Limit bei einer Viertelmilliarde lag. Rund 220 der Befragten waren Unternehmenslenker, also CEOs oder Gleichrangige. Die Finanzdiestleister waren mit einem Drittel der Befragen überrepräsentiert.

Der wiedererwachte Wunsch nach Kostensenkungen konnte zumindest im laufenden Jahr das Streben nach Wachstum noch nicht von der Spitze der Top-Prioritäten verdrängen: "CEOs scheinen am Wachstum als oberste Priorität weiterhin festzuhalten und verfolgen hierbei geographisches Wachstum als vorrangiges Ziel", führt Raskino aus.

Der wichtigste Investment-Sektor ist für die CEOs nach wie vor der Vertrieb, gefolgt vom Marketing, so die Studie. Was die Technik angehe, so sei die Bereitschaft, Geld dafür auszugeben, relativ "gesund". Das gilt offenbar auch für die IT: Zwei von drei CEOs sagten aus, sie würden ihre IT-Investitionen in diesem Jahr eher steigern als senken.

Die Gartner-Empfehlungen im Überblick
Die Gartner-Empfehlungen im Überblick
2012 sei das "Jahr des Zögern", so das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner in seiner jüngsten CEO-Umfrage. Folgende Empfehlungen geben die Analysten.
Drohende Wirtschaftsflaute
Es wird in der IT wieder mehr Kostenkontrolle geben, allerdings nicht in dem Maße wie 2009. CIOs sollten solche Projekte im Portfolio haben, die sichtbar und messbar zur Wachstumsstrategie des CEOs beitragen - also vor allem Maßnahmen auf dem Gebiet des internationalen Marktwachstums und des Talent-Managements. Außerdem sollten die IT-Chefs einige leicht umsetzbare, Einnahmen- oder Profit-steigernde Ideen parat haben für den Fall, dass das Investitionsklima wieder günstiger wird.
Einschätzung von IT-Trends
Zwei von drei CEOs wollen die IT-Ausgaben eher steigern als senken. Das klingt erst einmal gut. Aber sie müssen dabei aufpassen, dass sie nicht vom Hype fortgetragen werden. Gemeinsam mit dem CIO sollten sie diskutieren, wo welche Trends in ihrer Entwicklung stehen und wann sie sich mit einem günstigen Risiko-Nutzen-Profil einführen lassen.
Innovations-Management
Der beste Ratgeber in Sachen Strategieveränderung ist für viele CEOs der Finanzchef. Aber Know-how in Sachen Innovation traut ihm niemand zu. Es gibt also also einen "blinden Fleck", in den das digitale Business zu fallen droht. CIOs, denen die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens am Herzen liegt, sollten aus der Deckung kommen und ihr Wissen auf diesem Gebiet nutzen. Dazu empfiehlt sich eine enge und erfolgsorientierte Zusammenarbeit mit der Person, die für das Innovations-Management ausersehen ist.
Informations-Management
CEOs und CIOs müssen gemeinsam besprechen, welche neuen Informationen dem Business helfen, durch die nächste Wirtschaftsflaute zu kommen. Hierbei kann sich der CIO als Speerspitze einer unternehmensweiten Informationsstrategie auszeichnen, indem er sich auf solche Informationen konzentriert, die innerhalb der jeweiligen Industrie disruptiv und verändernd wirken.
Rolle des CIO
Die CEOs müssen darüber nachdenken, inwieweit sie den CIO heute die richtige Rolle für Strategie und Innovation im Business spielen lassen. Ohne die Unterstützung durch den IT-Verantwortlichen droht die Innovationsstrategie des Unternehmens ins Leere zu laufen. Deshalb sollte das Profil des CIO in Richtung Business-Verantwortung verändert werden - sei es durch Verpflichtungen von außen, sei es durch interne Personalentwicklung.

CEOs sehen vor allem Hype-Themen

Die CEOs wissen meist ziemlich genau, welche Informationen sie benötigen. Gartner fragte ganz konkret: "Welches zusätzliche Stück Information würde Sie in Ihrem Geschäft jetzt und hier weiterbringen?" Fast alle Geschäftsführer oder Vorstände wussten darauf spontan eine Antwort; meist handelte es sich um Informationen über Kunden oder Mitbewerber.

Auf die Frage, welche Informationen die jeweilige Brache innerhalb der nächsten fünf Jahre völlig umkrempeln könnte, hatte aber nur jeder zweite konkrete Ideen. "CIOs und CEOS sollte gemeinsam diskutieren, welche neuen Informationen helfen würden, das Business besser durch unsichere wirtschaftliche Zeiten zu bringen", schlägt Raskino vor.

Trends wie Mobile, Social und Cloud dringen allmählich in das Bewusstsein der Topmanager ein. Wie Raskino anmerkt, liegt das nicht zuletzt daran, dass sich die IT-Branche als der Marketing-stärkste Industriezweig weltweit herauskristallisiert habe. Kein CEO komme an den IT-Schlagwörtern vorbei: Sobald er einen Flughafen betrete, seien sie allgegenwärtig.

Nun ist nicht alles, was die IT-Branche bewirbt, auch das Beste für das Unternehmen. Zudem liegt das Kreuz mit den Investititonen in neue Technolgie darin, dass sich strategiewirksame Ergebnisse nur mit der richtigen Führung (Leadership) und einem passenden Change-Mangement erzielen lassen. Viele Business-Manager hätten diese bittere Erfahrung in den 1990er und 2000er Jahren gemacht, erinnert Gartner. Einfach Technik einkaufen und installieren, habe keine zufrieden stellenden Resultate geliefert. Denn technische Investitionen müssen sorgfältig auf das Business ausgerichtet und mit Verstand ausgerollt werden - im Einklang mit den entsprechenden Veränderungen der Policies, Prozesse, Organisation, Rollen und Kultur. Das dürfte sich einmal mehr an den genannten Trendthemen erweisen.

Zwei Fünftel der CEOs haben iPads

Auch für sich selbst haben die CEOs die Segnungen der IT entdeckt: 40 Prozent nutzen für ihre Arbeit ein iPad. Das eröffnet ihnen den Zugang zu einigen coolen Apps, aber es bedeutet noch lange nicht, dass sie das Thema Mobile auch in ihre Unternehmensstrategie aufgenommen haben, kommentiert Gartner nicht ohne einen geissen Spott: "Es ist einfach, den Trends hinterherzurennen, über die jedes Business-Magazin und Börsenblatt schreibt", wissen die Gartner-Analysten, "aber jedes Unternehmen muss seinen eigenen (Technologie-)Mix und die richtige Zeit für Einführung wählen."

Wie Gartner festgestellt hat, suchen die CEOs durchaus nach Wettbewerbsvorteilen aus Mobile, Social und Cloud. Allerdings hätten sie noch nicht genau im Visier, wo und wie sie fündig werden können. Den Analysten zufolge täte es den Vertretern des Topmanagements gut, wenn sie im Geiste an jedes dieser Schlagworte ein "Business" anhängen würden, also wenn sie beispielsweise "Mobile Business" oder "Social Business" sagten.

Innovation und Strategie müssen in dieselbe Richtung zeigen.
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Ein Weg, um dafür zu sorgen, dass sich Investitionen in Technik am Ende auszahlen, ist ein strukturiertes Innovations-Management. Und das sollte sich im Einklang mit der jeweiligen Business-Strategie befinden. Doch hier liegt es in vielen Unternehmen noch im Argen: Obwohl die Strategie und Innovationsfähigkeit der meisten Unternehmen stark von der Informationstechnik abhängen, wird die Person, die davon am meisten versteht, der CIO, nicht gehört. Er wird immer noch häufig in die Technikecke verbannt - vor allem von Seiten der Unternehmensführung.

Geht es beispielsweise darum, wer sich im Unternehmen am besten mit strategischen Veränderungen auskennt, so nennt etwa ein Drittel der befragten CEOs den Chief Financial Officer (CFO). Für das Thema Innovation hingegen fühlt sich jeder dritte CEO selbst zuständig. Dazu Jorge Lopez, Vice-President und Distinguished Analyst bei Gartner: "Jeder CEO, der für sich reklamiert, Innovationsführer seines Unternehmens zu sein, muss eine enge und direkte Arbeitsbeziehung zum CIO unterhalten; in dieser Zeit der raschen Digitalisierung aller Geschäfte riskiert er sonst, sein blaues Wunder zu erleben." Da ist es umso erstaunlicher, dass die wenigsten CEOs den IT-Chef ins Vertrauen ziehen, wenn sie über Strategie oder Innovationen nachdenken.

CIOs sollten die Initiative ergreifen

Gartner-Analyst Mark Raskino: "CIOs können auch die Gesetzgebung beeinflussen."
Foto: Gartner

Dieses Ergebnis mag zum Teil an der Gartner-Stichprobe liegen. In der Finanzindustrie konzentriert sich die Strategie ja häufig auf das Umsetzen von Regularien, auf die die IT nach landläufiger Ansicht nur reagieren kann. Wie Raskino ausführt, vermag der CIO aber auch in dieser Beziehung die Initiative zu ergreifen. Er verfügt ja häufig über Daten, die den Gesetzgeber durchaus in die eine oder andere Richtung beeinflussen könnten. Der Gartner-Analyst verweist hier beispielsweise auf die Diskussionen um das Nachtflugverbot. Angaben über die tatsächliche Lärmbelästigung der Anwohner seien hilfreich, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Wenn der CIO solche Möglichkeiten nicht wahrnimmt, behindert er nicht nur seine eigene Karriere, sondern schadet letztlich sogar seinem Arbeitgeber. Viele Unternehmen stünden vor einem "Digital Business Strategy Gap", so Gartner: Sie seien nicht in der Lage, ein Gleichgewicht aus Strategie, Innovation und Technik herzustellen. Das gehe solange gut, bis die jeweilige Industrie von einer "disruptiven" Entwicklung heimgesucht werde. Beispiele dafür seien in den vergangenen Jahren mehr als genug zu beobachten gewesen - angefangen von der Musikindustrie über den Buchhandel bis zur Tabakindustrie, die auf die "elektronische Zigarette" reagieren müsse.

Ein CIO, der seine Rolle Business-nah interpretiert, wird solche Entwicklungen rechtzeitig erkennen und - gemeinsam mit der Unternehmensführung - eine Strategie entwickeln, wie damit umzugehen sei. "CIOs müssen ihr IT-bezogenes Wissen in Bezug auf den Wettbewerb verbessern", rät Lopez, "und sie müssen diese Informationen nutzen, um eine produktive Beziehung zu der Person aufzubauen, die der CEO als Innovationsführer auserkoren hat". Egal, ob es sich nun um den Geschäftsführer/Vorstand selbst, einen anderen Fachbereichs-Manger, beispielsweise den Marketing-Chef, oder einen dedizierten Chief Innovation Officer handelt.

Solche CIOs sind aber immer noch selten. Und laut Gartner wissen die Unternehmen häufig gar nicht, welche Art von CIO sie eigentlich suchen sollten. Diese Entscheidung den Headhuntern und Recruiting-Agenturen zu überlassen sie kontraproduktiv, denn diese tendierten heute meist dazu, einen Berater auf die CIO-Position zu hieven. Das liege unter anderem daran, dass die Unternehmen es versäumten, die richtigen Profile aus ihrer eigenen Mitte heraus zu entwickeln. Nach Karrierepfaden für CIOs gefragt, äußerten die meisten CEOs die Ansicht, der nächste Schritt sei eine andere CIO-Position. Kaum einer sieht den IT-Verantwortlichen auf dem Weg zu einer Führungsrolle im Business.

CW-Kommentar: Technikverliebte IT-Ignoranten

Karin Quack, CW-Redakteurin
Foto: Karin Quack

Hoppla, solche Überschriften sind Sie von Ihrer computerwoche eigentlich nicht gewohnt. Aber der Kolumnistin ist mal kurz die sprichwörtliche Hutschnur gerissen. Und der Grund sind die Ergebnisse der jüngsten Studie von Gartner. Wie das Analystenhaus ermittelte, haben die CEOs in Europa, Nordamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum die aktuellen Trends in der Informationstechnik erkannt und erhoffen sich Wettbewerbsvorteile davon. Konkret genannt wurden Cloud, Social und Mobile. A propos mobil: Zwei von fünf der Unternehmenslenker nennen ein iPad ihr eigenen und nutzen ihn auch mit Begeisterung.

Da möchte man doch annehmen, dass die Bedeutung der IT im Allgemeinen und des CIO im Besonderen auf der obersten Führungsebene angekommen sei. Dass der IT-Verantwortliche als Berater in Sachen Strategie und Innovation akzeptiert werde. Dass man gemeinsam nach Möglichkeiten suche, wie sich die Trends in der Informationstechnik zum Wohl des Unternehmens nutzen lassen. – Aber nichts Dergleichen: Zu ihrem strategischen Berater haben die meisten CEOs den Finanzchef ausgerufen. Und für Innovationen sehen viele sich selbst zuständig: „L‘innovation c‘est moi." Der CIO spielt angeblich weder hier noch dort eine Rolle. Er wird „von oben" immer noch als derjenige betrachtet, der für die technische Umsetzung verantwortlich ist.

In diesem Licht betrachtet, ist es mit den IT-Kenntnissen vieler CEOs vermutlich auch nicht weit her: Die Buzzwords der IT-Branche kennen sie wohl hauptsächlich von Werbeplakaten. Wie diese IT-Trends ihr Geschäft beeinflussen werden, konnte längst nicht jeder sagen. Und IT-Entwicklungen im Vor-Hype-Stadium kennen nur die wenigsten. Da liegt der Verdacht nahe, dass auch das iPad für die meisten CEOs zuerst mal ein chickes Gadget zum persönlichen Gebrauch ist. Was man im Unternehmen damit tun könnte, weiß hingegen der CIO. (mhr)