Effiziente Beschaffung

Fünf Tipps für den IT-optimierten Einkauf

13.10.2009 von Mate Balthazar und Michael Hanke
Im Einkauf schlummert viel Verbesserungspotenzial. IT-Lösungen helfen, Prozesse zu straffen und für Transparenz zu sorgen.

Nicht nur Fußballvereine können mit einer guten Einkaufspolitik die Siegchancen ihrer Mannschaft messbar steigern. Auch in Unternehmen lassen sich mit erfolgreich gestalteten Einkaufsprozessen nach Erfahrung von Experten erhebliche Verbesserungspotenziale heben. Voraussetzung ist eine angemessene Unterstützung durch Informations- und Kommunikationstechnik.

Wer kontinuierlich beste Einkaufskonditionen und hohe Lieferqualität erzielen will, benötigt dafür ein abteilungsübergreifendes und unternehmensweites Management entlang der Lieferkette. Nur so lassen sich typische Schwachstellen eliminieren, wie sie in Einkaufsprozessen immer wieder auftauchen. Dabei fehlt in Unternehmen häufig die Gesamtsicht aller beteiligten Systeme, und beschaffungsrelevante Daten sind oft unübersichtlich verteilt.

Von entscheidender Bedeutung für das Management der Lieferkette ist dabei eine IT-gestützte Ende-zu-Ende-Betrachtung aller einkaufsrelevanten Prozesse und Systeme. Dies setzt voraus, dass die eingesetzten aktuellen Informations- und Kommunikationstechnologien richtig aufeinander abgestimmt sind. Ihr Spektrum reicht von speziellen Online-Auktionstools bis zur IT-gestützten Lieferantenbewertung.

Wie die Praxis zeigt, lassen sich in den Kernprozessen die größten Verbesserungspotenziale heben, so etwa im Anfrage- und Vertrags-Management, in der operativen Einkaufsabwicklung sowie im integrierten Lieferanten-Management.

1. Bedarfe bündeln und vereinheitlichen

Schon im Anfrage-Management können Unternehmen viel sparen, wenn der Einkauf frühzeitig eingebunden wird. Auf diese Weise lassen sich einander ähnliche Bedarfe identifizieren und bündeln, Spezifikationen partnerschaftlich erarbeiten und gegebenenfalls schnell alternative und kostengünstigere Lieferanten finden. Firmen können beispielsweise die Zahl der im eigenen Unternehmen genutzten Desktop- sowie Laptop-Modelle erheblich reduzieren. In konkreten Projekten wird dabei nach einer Bestandsaufnahme mit allen Standorten und Geschäftseinheiten die tatsächlich benötigte Anzahl von Modellen und Konfigurationen ermittelt. Auf Basis einer herstellerneutralen Spezifikation schreibt das Unternehmen einen Rahmenvertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren aus, der im Resultat zu rund 30 Prozent geringeren Ausgaben für die betrachtete Warengruppe führt.

Unternehmensorganisation und Informationstechnik sind hierbei eng verknüpft. Firmen können ihre Einkäufer in die übergreifenden strategischen Planungssysteme integrieren, damit diese stets Einblick in die aktuellen Budgets und Forecasts nehmen können.

2. Tools für Ausschreibungen nutzen

Um die besten Lieferanten zu ermitteln, sollte das Management darüber hinaus konsequent seine Ausschreibungen an moderne IT-gestützte Verfahren anpassen und beispielsweise auf das Mittel der elektronischen Beschaffungsauktion (‚reverse auction’) setzen: Mit diesem erprobten Verfahren können beispielsweise Automobilhersteller ihren Gesamtbedarf an Reifen mithilfe eines speziell angepassten Online-Auktionstools optimieren.

Dieses IT-Werkzeug aggregiert auf Basis hinterlegter Rechenalgorithmen die von den Lieferanten angegebenen Kapazitäten, Angebotspreise und Logistikkosten. Es ermittelt anschließend automatisiert die Vergabequoten und verkürzt so den Beschaffungsprozess um die Hälfte der Zeit - bei deutlich geringerem Personalaufwand. Zudem lassen sich die Einstandspreise bei allen ausgewählten Lieferanten deutlich senken. Wie sich in konkreten Projekten gezeigt hat, können Unternehmen unter dem Strich mit einer solchen Ausschreibung durch die durchgängige IT-Unterstützung ihre Prozesskosten im Schnitt um bis zu 30 Prozent verringern.

3. Den Prozess von Bedarfserfassung bis zur Zahlung mit IT abbilden

Um den Einkauf weiter zu straffen, empfiehlt es sich, einen integrierten Procure-to-Pay-Prozess von der Bedarfserfassung bis zur Zahlung an den Lieferanten zu implementieren. Eine bruchlose IT-Unterstützung von "Procure" bis "Pay" erreichen Unternehmen mit Lösungen für das Supplier-Relationship-Management (SRM), die mit Materialwirtschaft und den Finance/Controlling-Modulen im Unternehmens-Backend integriert sind. Ein im System hinterlegter und flexibler Freigabe-Workflow rundet die vollelektronische Abwicklung der Bedarfserfassung ab. Zur weiteren Verbesserung der Servicequalität dient schließlich der Aufbau eines zentralen Eingangstores, beziehungsweise Portals. Dieses erlaubt unter anderem einen Zugriff auf das Katalogsystem, das Dienstleistungen und Waren in standardisierter Form beschreibt und "no-touch"-Vorgänge ermöglicht.

Ansätze für die Verbesserung des Einkaufs in Unternehmen. Quelle: Detecon

Auch die Bedarfserfassung lässt sich mit IT-Unterstützung verbessern. Unternehmen gelingt es auf diese Weise, den Freitextanteil von Bedarfsanforderungen für Dienstleistungen deutlich zu senken und damit den Procure-to-Pay-Prozess weiter zu automatisieren. Dazu können beispielsweise die Prozessketten für die beiden hochvolumigen, jedoch sehr speziellen Warengruppen "Bauleistungen" und "Externe Mitarbeiter" angepasst werden: Für die Beschaffung von Bauleistungen führen Unternehmen eine eng mit dem ERP-System integrierte Lösung ein, die Bauleistungskataloge unterstützt und die gesamte Prozesskette von der Vergabe über die Leistungserfassung bis hin zur Rechnungserstellung abbildet. Die Datenerfassung erfolgt Web-basierend durch die Bauunternehmer. Für die Beschaffung externer Mitarbeiter wird ebenfalls das System eingeführt, das die Skill-Profil-Spezifikation unterstützt und an externe Agenturen angeschlossen ist.

4. Automatisierung am Wareneingang und bei Bestellungen

Auch bei der Bestellung und am Wareneingang können Firmen Abläufe standardisieren und automatisieren. Beispielsweise können Unternehmen Bestellungen über die Grenzen von einzelnen Geschäftseinheiten hinweg zusammenzufassen. Warengruppen und Dienstleistungen können mittlerweile durch IT-Tools so standardisiert und abgebildet werden, dass in der operativen Bestellabwicklung Einkäufer lediglich in Ausnahmefällen manuell eingreifen müssen. Konzerne rekrutieren inzwischen mithilfe von entsprechenden IT-Lösungen auch bestimmte Unterstützungsleistungen wie etwa externe IT-Dienstleister weitgehend automatisiert. Hohe Abrufquoten von elektronischen Katalogen und Rahmenverträgen reduzieren den Arbeitsaufwand.

In komplexen Einkaufsorganisationen sollte zudem darauf geachtet werden, dass deren Mitarbeiter der Zugang zu allen relevanten Applikationen über die Portallösung per Single-Sign-on möglich ist. So entfallen unnötige Mehrfachanmeldungen, während gleichzeitig die Bearbeitung beschleunigt und Nutzerakzeptanz sichergestellt wird. Die Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass in den Portalen wirklich alle relevanten Bestellinformationen aus den verschiedenen Systemen komprimiert vorliegen.

Weiter sorgt eine elektronische Belegübermittlung dafür, manuellen Erfassungsaufwand im eigenen Haus wie beim Lieferanten zu vermeiden und Durchlaufzeiten zu verkürzen. Hierfür sind in der Regel rechtsverbindliche elektronische Signaturen erforderlich. Lieferanten, die nicht über die erforderliche IT-Infrastruktur verfügen oder mit denen keine elektronischen Austauschformate vereinbart worden sind, können Belege direkt in einem speziellen Bereich der eProcurement-Anwendung erfassen (Supplier Self Service).

5. Die richtigen Lieferanten finden und strategische Lieferantenbeziehungen entwickeln

Schließlich und endlich gilt es, IT-gestützt mit einigen ausgewählten, gründlich geprüften Lieferanten strategische Langzeitbeziehungen zu gestalten, und mit anderen lediglich "opportunistische" Engagements einzugehen (`Lift the best and leave the rest!´). Nach diesem bewährten Grundsatz verfahren international aufgestellte Konzerne, die jederzeit auf Knopfdruck elektronische Listen aller Zulieferer erstellen, welche eine angefragte Materialgruppe liefern können oder bereits geliefert haben. Bei letzteren fließen zusätzlich die Bewertungen ihrer bisherigen Lieferperformance ein. So treffen die Einkäufer auf einer soliden Datenbasis ihre Auswahl und optimieren ihr Lieferantenportfolio.

Ihre Lieferantenbeziehungen sollten die Firmen kontinuierlich überwachen und bewerten. Es ist ratsam, die wichtigsten Supplier (A-Lieferanten), die für rund 80 Prozent des Einkaufsvolumens stehen, bis zu viermal jährlich bereichs-, standort- und produktübergreifend nach standardisierten Verfahren zu benoten. Dabei lassen sich die strategisch wichtigsten Zulieferer anhand von Kriterien wie "Existenz des Lieferanten", "Künftiges Engagement auf dem Geschäftsfeld" oder "Qualität der Geschäftsbeziehung" evaluieren. Die Messung und Auswertung kann durch cross-funktionale Gruppen IT-gestützt mithilfe standardisierter Fragebögen erfolgen. Dabei ist aber wichtig, dass Unternehmen die Prozesse und Kriterien ihrer Lieferantenbewertung unternehmensweit vereinheitlichen, um eine übergreifende Vergleichbarkeit sicherzustellen.

Zu guter Letzt ist es immer eine Überlegung wert, mit bewährten Lieferanten Potenziale für gemeinsame Entwicklungs- und Innovationsprojekte auszuloten - zur beiderseitigen Stärkung der jeweiligen Marktposition. Voraussetzung ist, dass die Partner vertrauensvoll zusammenarbeiten und sich gegenseitig den Zugriff auf die Entwicklungsplattformen und alle relevanten IT-Systeme gewähren.