Warum ist in der IT immer alles so kompliziert? Das fragen sich nicht nur unsere Kunden, sondern inzwischen auch unsere eigenen Mitarbeiter. Je mehr wir über eine industrialisierte IT diskutieren, desto lauter wird die Diskussion um agile Projektansätze. Warum erregen die zumeist kleinen, erfolgreichen Projekte so viel Aufmerksamkeit bei uns? Manch einer sieht darin schon die "Revolution aus der Delivery-Ebene". Fünf Punkte sprechen für den agilen Ansatz.:
Weniger Prozess - dafür mehr Mensch
Offenbar haben wir gelegentlich das Prozessrad zu weit gedreht. Mit Know-how in den Prozessen wollten wir gute Software wie am Fließband im "billigen Ausland" herstellen lassen. Probleme lassen sich mit noch ausgefeilteren Prozessen und Rollen beseitigen, so dachten wir.
Aber inzwischen wissen wir, dass wir am so genannten Fließband meist individuell arbeiten. Noch kleinere Arbeitsschritte erfordern (anteilig) noch mehr Zeit, um die Ergebnisse des Vorgängers zu verstehen. Der "Stille-Post-Effekt" tut ein übriges: Statt besserer Ergebnisse erzeugen wir mehr Fehler. Trotz sinkender Kosten ist das Preis-Leistungsverhältnis schlechter als je zuvor. Und talentierte Mitarbeiter haben auch im Ausland inzwischen ihren Preis.
Persönliche Motivation statt Existenzangst
In der agilen Welt zählt der Mensch wieder etwas. Statt verteilt zu sitzen, schauen sich agile Teams wieder in die Augen. Effektive, direkte Kommunikation ersetzt endlose, anonyme Telefonkonferenzen und überlaufende E-Mail-Postkörbe. Größerer Gestaltungsspielraum und überschaubare Rollen geben Mitarbeitern das Gefühl, endlich wieder etwas bewegen zu können. Das setzt Kräfte frei. Und motiviert, anstatt zu frustrieren.
Entfaltete Stärken statt Fesseln
In einem solchen Umfeld können die Mitarbeiter auch einfacher ihre eigenen Stärken entfalten. Endlich wieder kreativ sein und nicht starre Prozesse befolgen müssen! Kein Wunder also, dass gerade Entwickler und Analysten diesen Ansatz lieben. Im agilen Umfeld sind sich alle bewusst, wie wichtig ein gut zusammengestelltes Team ist. Das übersehen wir in der "alten IT-Welt" häufig - zwischen den vielen Prozessdetails und virtuellen Teams. Unsere Kunden freuen sich auch, denn schließlich steht wieder die Lösung ihrer Probleme im Vordergrund.
Gemeinsam entwickelte Arbeitsweise
Neue Prozesse bedeuten in unserem herkömmlichen Alltag häufig neue Rollen. So entstehen Teamveränderungen und Umstrukturierungen. Die vorgegebene Arbeitsweise passt aber vielfach nicht zum Team. Für eine gute Einführung der neuen Abläufe fehlt häufig ausreichend Geld und Zeit. Und bevor das Feedback aus den Niederungen des Unternehmens an den richtigen Stellen ankommen, gibt es schon wieder neue Prozesse, und das Spiel beginnt von vorn. Irgendwann fügen sich die Mitarbeiter in ihr Schicksal. So entstehen Frust und Dienst nach Vorschrift.
Agile Methoden wie Scrum zeigen, dass es auch anders geht. Den "Toyota-Weg" als Vorbild, organisieren sich schlanke Teams innerhalb eines groben Rahmens am besten selbst.Es lohnt es sich, ein funktionierendes Team - wie im Fußball - nicht zu stark zu verändern. Gemeinsam entwickelt, richtet sich die Arbeitsweise nach den Möglichkeiten der Mitarbeiter.
Ein Coach hilft dem Team, sich schnell zu organisieren. Statt in der Raucherecke zu schimpfen, beleben die Mitarbeiter wieder die Besprechungsräume. Nach kurzer Zeit steht dann nicht mehr die Arbeitsweise, sondern die Arbeit im Mittelpunkt. Und das beeindruckt schließlich auch die Management-Etagen.
Eine nachvollziehbare Teamleistung
Die beinahe legendär gewordenen "Backlogs" machen die Arbeit des Teams transparent. Kennzahlen, gemeinsam festgelegte Prioritäten und Umfänge beeinflussen die Planung. Jedes Teammitglied kann das nachvollziehen. Daraus ergeben sich machbare Aufgaben. Statt Konflikte zu erzeugen und schlechte Zahlen vorlegen zu müssen, überlegt das Team gemeinsam, wie es mehr schaffen kann.
Und was können wir daraus lernen?
Schreit unser Umfeld nach Agilität, so sollten wir nicht dagegen reden, sondern genau hinschauen. Agilität und gute Prozesse wollen das Gleiche.
Müssen wir dennoch verteilt arbeiten, so sollten wir unbedingt auf die menschliche Komponente achten. Frei nach Felix Magath bei der Vorstellung des Spielers Raul sollte es "unsere Verpflichtung sein", die Mitarbeiter "so in Szene zu setzen", dass Sie "ihre Fähigkeiten voll ausspielen können". Andernfalls schließt auch Raul keine Tore, sondern wird zu einem mittelmäßigen und schließlich frustrierten Mitspieler. (qua)