Renaissance spürbar

Führen mit Zielen - ein Klassiker ist wieder modern

24.02.2011 von Renate Oettinger
In Zeiten von Kosten- und Wettbewerbsdruck erfolgt oft die Rückbesinnung auf Altbewährtes, meint Hans-Jörg Schumacher.

Neben dem "Situativen Führen" zählt das "Führen mit Zielen" zu den Klassikern in der Führungslehre. Trotzdem erlebt es seit einiger Zeit eine Renaissance. Warum, erklärt der Managementberater Hans-Jörg Schumacher von der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal.

Das Thema ‘Führen mit Zielen’ ist ein Klassiker im Bereich Führung. Trotzdem erlebt es aktuell eine Renaissance. Warum?

Schumacher: Generell kann man bei den Unternehmen im Führungsbereich eine Rückbesinnung auf Altbewährtes konstatieren. Das ist in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten oft der Fall.

Dies genügt als Erklärung aber vermutlich nicht.

Schumacher: Richtig. Hinzu kommt: Als Peter Drucker 1954 das Konzept " Management by Objectives" vorstellte, ging er von folgenden Postulaten aus. Erstens: Das Handeln aller Bereiche und Mitarbeiter muss sich an Zielen des Gesamtunternehmens orientieren, und die mit ihnen vereinbarten Ziele müssen sich aus den Zielsetzungen des gesamten Unternehmens ableiten. Zweitens: Das MbO hat, weil die Mitarbeiter am Formulieren der Ziele beteiligt sind, auch eine Motivationsfunktion. Das zweite Postulat beachteten viele Führungskräfte nicht.

Inwiefern?

Foto: Fotolia, G. Sanders

Schumacher: Sie benutzen die Ziele oft primär als Macht- und Kontrollinstrument und verwalteten sie gleich Soll-Ist-Analysen. Dadurch verkam das Führen über Ziele zu einem reinen Formalismus, weil das partnerschaftlich-kooperative Element fehlte. Dieser Umgang mit dem Thema Zielvereinbarung ist falsch. Das haben viele Unternehmen erkannt.

Reicht das als Erklärung, warum man aktuell vielfach den Eindruck hat, die Unternehmen entdecken das Thema "Führen mit Zielen" neu?

Schumacher: Nein, eine weitere Ursache ist die aktuelle Neuorientierung und -positionierung vieler Unternehmen. Damit ist meist eine Neudefinition der Kernkompetenzen und -prozesse durch das Top-Management verbunden. Diese strategischen Entscheidungen müssen den Unternehmensbereichen und Mitarbeitern vermittelt werden. Hierfür sind Zielvereinbarungsgespräche ein geeignetes Instrument. Hinzu kommt: Wegen des mit der Umstrukturierung oft verbundenen Abbaus von Personal und Hierarchieebenen haben die verbliebenen Führungskräfte heute größere Aufgabenfelder. Also müssen sie ihre Energien und Ressourcen stärker bündeln. Auch hierfür ist das MbO ein geeignetes Instrument.

Zeitaufwand

Erfordert das Führen von Zielvereinbarungsgesprächen nicht selbst viel Zeit?

Schumacher: Selbstverständlich. Wenn die Mitarbeiter anschließend aber die vereinbarten Ziele mittragen und deren Erreichen weitgehend selbst kontrollieren, gewinnen die Führungskräfte dadurch wieder Freiräume und Zeit. Inwieweit dies geschieht, hängt weitgehend von den Inhalten der Gespräche ab.

Inwiefern?

Schumacher: Oft sprechen Führungskräfte in den sogenannten Zielvereinbarungsgesprächen mit ihren Mitarbeitern mehr über Aufgaben und Maßnahmen als über Ziele. Einigen fällt es schwer, zwischen Zielen, Maßnahmen und Aufgaben zu unterscheiden.

Warum?

Schumacher: Zum Teil bestehen hier Schulungsdefizite. Oft liegt die Ursache aber auch darin, dass die Entscheidungs- und Handlungsspielräume der Mitarbeiter in der Regel um so kleiner werden, je weiter man in der Unternehmenshierarchie nach unten kommt. Das erschwert das Vereinbaren qualifizierter Ziele.

Zwölf Tipps zur Mitarbeiterführung
So klappt die Zusammenarbeit in der Firma
Damit es im Unternehmen "funktioniert", sollten Führungskräfte einige Regeln befolgen. Stefan Bald stellt sie vor.
Tipp 1
Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Mitarbeitergespräche und bereiten Sie sich gut darauf vor.
Tipp 2
Hören Sie Ihren Mitarbeitern zu; achten Sie auch auf leise Zwischentöne.
Tipp 3
Vereinbaren Sie mit Ihren Mitarbeitern realistische Ziele.
Tipp 4
Erläutern Sie Ihren Mitarbeitern auch, warum das Erreichen der Ziele für das Unternehmen/Ihren Bereich wichtig ist.
Tipp 5
Sprechen Sie mit ihnen auch darüber, wie sie diese erreichen können und welche Schritte hierfür nötig sind.
Tipp 6
Klären Sie mit Ihren Mitarbeitern auch, was sie brauchen, damit sie die vereinbarten Ziele erreichen und die übertragenen Aufgaben erfüllen können.
Tipp 7
Denken Sie stets daran, dass Sie als Führungskraft für die Leistung Ihrer Mitarbeiter verantwortlich sind. Ihre Leistung wird an der Leistung Ihrer Mitarbeiter gemessen. Setzen Sie diese deshalb so ein, dass sie ihr Potenzial entfalten können.
Tipp 8
Kontrollieren Sie regelmäßig, ob Ihr Mitarbeiter sich noch auf dem richtigen Weg zum Erreichen der (Zwischen-)Ziele befinden.
Tipp 9
Würdigen Sie die Leistung Ihrer Mitarbeiter angemessen.
Tipp 10
Kritisieren Sie ein registriertes Fehlverhalten zeitnah, damit sich dieses nicht zu einem Verhaltensmuster verfestigt.
Tipp 11
Äußern Sie Kritik jedoch stets unter vier Augen - speziell wenn sie auch persönliche Verhaltensmuster des Mitarbeiters betrifft.
Tipp 12
Machen Sie Ihren Mitarbeitern nie (finanzielle) Zusagen, von denen Sie nicht sicher wissen, dass Sie diese auch hundertprozentig einhalten können.

Sodass die Zielvereinbarungen letztlich nur Aufgaben auflisten?

Schumacher: Ja. Darum werden in vielen Unternehmen zwar mit allen Mitarbeitern Mitarbeitergespräche geführt, Zielvereinbarungsgespräche aber nur mit den mittleren und oberen Führungskräften.

Welche Rolle spielt das Top-Management beim Einführen und Am-Leben-Erhalten des MbO?

Schumacher: Wenn die oberen Führungskräfte nicht dahinter stehen, gelingt die Einführung nicht. Und danach erstarrt es, ohne ein Vorleben von oben, schnell in einem reinen Formalismus. Oft stellt man selbst in Unternehmen, in denen die oberen Führungskräfte seit Jahren für das MbO werben, fest: Ein Großteil der Führungskräfte steht nicht voll hinter diesem Managementsystem, weil er ein anderes Führungsverständnis hat.

Maßnahmen

Wie kann man dem begegnen?

Schumacher: Zum einen, indem das Top-Management weiterhin hierfür wirbt, zum anderen, indem das Unternehmen die Führungskräfte entsprechend fördert. Das Top-Management muss aber auch den nötigen Veränderungsdruck erzeugen und den Führungskräften signalisiert: "Wir müssen unser Führungsverständnis und -verhalten verändern, sonst ...".

Sollten die Zielvereinbarungen mit der Vergütung gekoppelt sein?

Schumacher: Ja. Das erhöht die Verbindlichkeit. Außerdem ist das Vergütungssystem für die Mitarbeiter ein wichtiger Indikator, was dem Unternehmen wirklich wichtig ist.

Wie hoch sollten die Ziele sein?

Schumacher: Das hängt von der Unternehmenskultur ab. Die Ziele sind aber gewiss nicht ehrgeizig genug, wenn sie stets zu 150 Prozent erfüllt werden. Ähnlich ist es, wenn die Mitarbeiter die Ziele stets nur zu 70 oder 50 Prozent erfüllen. Dann sind entweder die Ziele unrealistisch oder die Mitarbeiter schlecht.

Herr Schumacher, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Bernhard Kuntz vom Büro für Bildung und Kommunikation.

Kontakt:

Hans-Jörg Schumacher arbeitet als Managementberater und -trainer für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist auf die Themenfelder Führung und Vertrieb, Change- und Wertemanagement spezialisiert. Tel.: 07251/989034, E-Mail: hansjoerg.schumacher@kraus-und-partner.de