Vernetzte Altglascontainer, digitale Verwaltung, intelligente Straßenlaternen

Frische Ideen für die Smart City

04.09.2019 von Melanie Engelen
Umfassende Smart-City-Konzepte versprechen, unseren städtischen Lebensraum effizienter, nachhaltiger und umweltschonender zu machen.

Ziel von Smart-City-Konzepten ist es, mit Hilfe von neuen Technologien eine ökologisch und ökonomisch nachhaltigere Stadtentwicklung zu realisieren. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Die Städte sollen sauberer, sicherer, komfortabler und energieeffizienter werden, um so die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern. Und die Herausforderung wächst, denn immer mehr Menschen zieht es in die Großstädte. Laut den World Urbanisation Prospects 2018 der UN lebt bereits mehr als die Hälfte der Menschen in großen Ballungszentren. Mit steigender Tendenz: Bis 2050 sollen es schon zwei Drittel sein.

"Damit die Smart City keine Zukunftsvision bleibt, müssen Städte und Kommunen jetzt umdenken und anfangen, die intelligente Technik in den Alltag zu integrieren. Sei es, um das Verkehrsaufkommen in den Innenstädten zu verringern, den Energieverbrauch zu senken oder einfach Zeit und Geld zu sparen", sagt Nikolaus Hagl, Leiter des Geschäftsbereich Public Services and Healthcare bei SAP.

Smart Waste Management in Heidelberg

Mit gutem Beispiel geht die Stadt Heidelberg voran. Sie hat eine Reihe von Herausforderungen priorisiert: Als Erstes hat sich die Stadt am Neckar ihren Entsorgungsprozess vorgenommen. Bisher planten die Entsorgungsbetriebe die Routen der Sammelfahrzeuge für Altglascontainer ausschließlich aufgrund von Erfahrungswerten. Der große Nachteil dabei: Die Wägen steuerten regelmäßig halbleere Container an, während sich andernorts die Flaschen bereits neben den Behältern sammelte. Auf diese Weise verbrauchten die Fahrzeuge unnötig Sprit und banden Personal. Zudem verstopften sie lärmend die Straßen, während die überfüllten Container das Stadtbild verschandelten und für Unmut unter den Anwohnern sorgten.

Altglas-Sammlung smart gemacht: Müllwägen holen die Container nur dann ab, wenn sie wirklich voll sind.
Foto: SAP

IoT und LoRaWAN verbinden

Dank der Vernetzung mit dem Internet der Dinge (Internet of Things/IoT) läuft die Entsorgung in Heidelberg jetzt bedarfsorientiert. Ein gutes Beispiel sind die Altglascontainer auf dem Kurpfalzhof im Stadtteil Kirchheim, der rund zehn Kilometer außerhalb der City liegt. Damit der Fahrer nicht die ganze Strecke fährt, um schließlich einen lediglich halbvollen Container zu leeren, hat die Stadt die Behälter mit kompakten, robusten Sensormodulen ausgestattet. Sie erfassen per Ultraschall den Füllstand, ermitteln die GPS-Koordinaten und messen die Innentemperatur des Behälters, um Brände möglichst früh zu entdecken.

Die Übertragung der IoT-Daten an ein Gateway erfolgt stündlich und läuft über LoRaWAN (Low Range Wide Area Network). LoRaWAN eignet sich besonders für kleine Datenmengen, die in größeren Zeitabständen gesendet werden. Außerdem ist der Energieverbrauch dieser LPWAN-Technologie sehr niedrig, sodass handelsübliche Batterien für eine jahrelange Stromversorgung genügen.

Die Sensordaten des Containers vom Kurpfalzhof schickt das Gateway via Mobilfunk in die Cloud. Per Software analysiert, stehen sie anschließend optisch aufbereitet im Backend der Lösung bereit. Das Heidelberger Entsorgungsunternehmen sieht auf einen Blick den Füllstand jedes vernetzten Behälters. Ist ein vordefinierter Schwellenwert erreicht, macht sich ein Fahrer der Müllabfuhr auf den Weg, die genaue Position des Behälters entnimmt er dabei den übermittelten GPS-Daten.

Eine SAP-Software bereitet die Sensordaten optisch für die Entsorgungsunternehmen auf.
Foto: SAP

Langfristig ermöglicht die SAP-Lösung auch detaillierte Prognosen. Wenn in der Stadt ein Konzert stattfindet oder bei Sonnenschein die Neckarwiese zum begehrten Picknickziel wird, kann das Entsorgungsunternehmen rechtzeitig umdisponieren. Insgesamt verringert sich so die Anzahl der Leerfahrten und damit sinken Spritkosten und CO22-Ausstoß.

Heidelberg liegt mit seinem IoT-Projekt im Trend: Research And Markets schätzt den Markt für Smart Waste Management auf mehr als drei Milliarden Dollar bis 2024. Und laut Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung ist das Geschäft bereits stark von der Digitalisierung beeinflusst: Etwa 55 Prozent der Entsorgungsunternehmen geben in einer Umfrage an, dass aus ihrer Sicht Füllstandsmeldungen immer wichtiger werden.

Verwaltung 2.0 spart Nerven, Zeit und Geld

Um die Entwicklung zur Smart City voranzutreiben, hat die Stadt Heidelberg ferner eine Digital-Agentur ins Leben gerufen. Mittels Digitalisierung Zeit und Kosten zu sparen, sind dabei konkrete Ziele, die auch bei den Verwaltungsvorgängen ins Spiel kommen. Denn egal, ob die Bürger ein Au-Pair-Mädchen anmelden, einen neuen Führerschein oder BAföG beantragen möchten: Ein Termin beim Amt kostet häufig viel Zeit, und gibt es die Möglichkeit, online einen Termin zu vereinbaren, sind diese meist wochenlang im Voraus ausgebucht. So heißt es wie schon seit Jahrzehnten: innerhalb der Öffnungszeiten auf gut Glück und mit viel Zeitpuffer vorbeikommen, eine Wartemarke ziehen und geduldig Platz nehmen, bis die Nummer aufgerufen wird.

Im europäischen Vergleich steht Deutschland nicht gut da, was die digitale Kommunikation mit den Behörden betrifft: Laut Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2019 der Europäischen Kommission erreicht die Bundesrepublik nur Platz 26 von 28. Die Bürger hingegen sehnen sich die Online-Verwaltungsangebote herbei, so eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Zwei Drittel der rund 1000 Befragten würden gerne viele Behördengänge online erledigen, etwa Elterngeld beantragen, auf defekte Straßenlaternen aufmerksam machen oder den Wohnsitz ummelden.

Behördengänge mit PC oder Smartphone erledigen

In der digitalen Verwaltung ließe sich dies ganz einfach am heimischen PC oder sogar unterwegs per Smartphone erledigen. Die Verwaltungsangestellten hätten wichtige Informationen schneller zur Hand und könnten so zügiger Anträge bearbeiten und Anfragen beantworten. Weiteres Plus wäre für knapp 80 Prozent der von Bitkom Befragten die Transparenz des E-Governments. Sie sähen gerne stets den aktuellen Stand ihrer Anfrage ein.

Vereinzelt finden sich entsprechende Angebote deutscher Behörden bereits. Allerdings sind sie für die Bürger oft noch intransparent und zu kompliziert. Hinzu kommen Bedenken in puncto Datenschutz. Folglich sind die Deutschen - trotz ihres Wunsches nach Digitalisierung - zurückhaltend und verharren lieber in der vertrauten analogen Welt mit persönlichem Besuch beim Amt und Signatur eines Papierformulars mit Kugelschreiber.

Neben Heidelberg ermöglichen viele weitere deutsche Städte wie Fulda oder Ratingen ihren Bürgern, Verwaltungsdienste online zu erledigen. Und die Bundesregierung plant mit dem 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetz, dass bis 2022 alle Verwaltungsleistungen von Städten und Ländern auch online angeboten werden. Für sich selbst steckt sie die Ziele noch höher: Bis 2020 soll die Verwaltung der Regierung komplett digitalisiert sein.

Die Digital-Agentur Heidelberg plant bereits die nächsten Schritte, um die Verwaltung smarter zu machen. So will die Stadt noch in diesem Jahr den Winterdienst digitalisieren. Dazu wurden erste Silos für Streugut mit Sensoren bestückt, die den Füllstand messen. Für die Zukunft ließe sich das Projekt noch weiter denken: Wenn Sensoren erfassen, ob eine Straße im Stadtgebiet glatt ist, müsste der Winterdienst nur noch dort fahren und streuen, wo es auch wirklich angezeigt ist.

In Karlsruhe spenden die Straßenlaternen nicht nur Licht

Weltweit sind die Stadtentwickler jetzt gefordert, die Städte mit umfassenden Konzepten zukunftsfähig zu machen. Das gilt für die digitale Verwaltung ebenso wie für eine intelligente Verkehrsführung, weniger Luftverschmutzung und den geringstmöglichen Energieverbrauch.

Intelligente Straßenlaternen spenden nicht nur Licht, sondern erfüllen noch viele weitere Zwecke.
Foto: EnBW

In Karlsruhe etwa hat die Stadt gemeinsam mit SAP und EnBW das Projekt Smart City Light angestoßen. Hier werden Straßenlaternen mittels Funktechnik intelligent gemacht, sodass sie effizienter sind und sich vielfältiger nutzen lassen: Sie spenden nur noch Licht, wenn sich tatsächlich jemand in ihrem Umkreis aufhält und dienen darüber hinaus als E-Tankstelle, WLAN-Hotspot, Temperaturmesser und Notrufsäule. Außerdem messen Sensoren die Feinstaubbelastung der Umgebung, Lärm und Verkehr.

"Diese Daten werden Städteplaner künftig an die Hand bekommen, um beispielsweise die Verkehrsführung oder den Straßenbau zu verbessern", sagt SAP-Bereichsleiter Hagl. "Meldet eine der schlauen Laternen ständig Stau, könnte an dieser Stelle die Kreuzung einem Kreisverkehr weichen. Smart-City-Maßnahmen wie diese entlasten die Bewohner von Städten und Gemeinden und können auch in puncto Umweltschutz einen wichtigen Beitrag leisten."