Freiraum motiviert Mitarbeiter

27.05.2005 von Alexandra Mesmer
Wer die Potenziale seiner Mitarbeiter erkennt und fördert, steigert den Unternehmenserfolg. Dieses Credo müssen die Personalentwickler den Führungskräften noch beibringen.

Hier lesen Sie ...

  • unter welchen Voraussetzungen sich Mitarbeiter im Unternehmen wohl fühlen;

  • wo die offene Kommunikationskultur bei Microsoft an ihre Grenzen stößt

  • wie SAP ihren Führungskräften eine stärkere Mitarbeiterorientierung vermitteln will.

Worin liegt das Geheimnis erfolgreicher Unternehmen? Die versuchten Antworten auf diese Frage füllen mittlerweile ganze Bücherregale, ein Patentrezept ist aber noch nicht gefunden. Aus dem Blickwinkel der Personal-Manager liegt die Antwort nahe: Der zufriedene Mitarbeiter bildet den Grundstein, darum sollten Firmen die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass die Angestellten ihr Potenzial zur vollen Leistung entfalten können. "Investitionen in die Mitarbeiter sind Investitionen in den Erfolg eines Unternehmens", ist auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement überzeugt und verweist auf die Bilanzen der als beste Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichneten Firmen. Die Preisträger des "Great-Place-to-Work"-Wettbewerbs, darunter die IT-Unternehmen SAP, Microsoft und Skytec, beschäftigen nicht nur zufriedene Mitarbeiter, sondern verzeichnen auch ein überdurch-schnittliches

Wachstum.

Appell an Manager: Mehr Vertrauen statt Kontrolle

Für den Wettbewerb hat das Great Place to Work Institute 36 000 Personen in 105 Unter-nehmen aus verschiedenen Branchen befragt und herausgefunden, dass sich die Mitarbeiter dann wohlfühlen, wenn ihnen "aufrichtiges Interesse" an ihrer Person entgegengebracht wird. Eine Schlüsselrolle fällt hier den Führungskräften zu: Diese sollen die Mitarbeiter in die Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen, einbeziehen und Fragen der Mitarbeiter direkt und offen beantworten - so die beiden wichtigsten Verhaltensweisen, mit denen Manager das Innovationsklima in einem Unternehmen fördern können. Diese Offenheit stellt sich aber in der Praxis als der schwierigste Part heraus, hat Frank Hauser vom Great Place to Work Institute in Deutschland festgestellt: "Management wird oft mit Kontrolle assoziiert. Das muss aufgebrochen werden. Wer Vertrauen fördern will, muss Offenheit pflegen und sich verletzbar machen.“

Führungskräfte sollten den Mitarbeitern den nötigen Freiraum geben und ihnen auch Fehler zugestehen.

Das Gehalt ist Verhandlungssache

Diese Forderung hat Thomas Geyer in die Tat umgesetzt, als er vor acht Jahren den IT-Dienstleister Skytec in Oberhaching bei München gründete. Für seine mittlerweile 130 Mit-arbeiter gilt die Devise des eigenverantwortlichen Arbeitens. Das fängt schon bei der Ein-stellungspolitik an: In der Regel entscheidet ein Projektleiter, ob und wen er einstellt, und übernimmt auch die Verantwortung, dass der neue Mitarbeiter ausgelastet ist. Nach Projek-tende bietet sich der Mitarbeiter auf dem internen Arbeitsmarkt für neue Aufgaben an. Bisher klappte dieses Prinzip nur einmal nicht, so Geyer.

Skytec-Chef Thomas Geyer gesteht seinen Mitarbeitern den größtmöglichen Freiraum zu.

Skytec hat weder Organisationseinheiten, denen die Beschäftigten zugeordnet sind, noch feste Stellenbeschreibungen oder ein Vergütungssystem. Das Gehalt wird zwischen Projektleiter und Mitarbeiter ausgehandelt. „Gleiche Tätigkeiten können durchaus unterschiedlich bezahlt sein“, räumt Geyer ein. Dennoch sind die Mitarbeiter hoch zufrieden, wie die wiederholte Auszeichnung der Firma im Great-Place-to-Work-Wettbewerb zeigt. Der Gründer führt das auf die offene Kultur zurück, die den Mitarbeitern den größtmöglichen Freiraum biete: „Unsere Maxime lautet: Du darfst alles, was du glaubst, für die Erfüllung deiner Aufgabe tun zu müssen.“ Das führt dazu, dass die einzelnen Teams zum Teil völlig unterschiedlich an ähnliche Aufgaben herangehen. Selbst nachweislich weniger effiziente Wege dürfen beschritten werden. Am Ende steht das Projektteam für den wirtschaftlichen Erfolg in der Verantwortung.

Kommunikationskultur bei Microsoft

Der wirtschaftliche Erfolg setzt auch bei einem anderen als bester Arbeitgeber ausgezeichneten Unternehmen der offenen Kommunikationskultur gewisse Grenzen. „Beim Thema Umsatz haben wir eine stringente Kommunikation und strikte Vorgaben“, räumt Rom de Vries, Personalchef von Microsoft Deutschland, ein. Diese Stringenz sei allerdings vertretbar, solange die Kommunikation auf ein klares Ziel ausgerichtet sei. Ansonsten setzt auch Microsoft auf ein hohes Maß an Selbstverantwortung der Mitarbeiter. So unterstützt der Personalchef die Karrieremöglichkeiten der Mitarbeiter nur zu zehn Prozent mit Training, der Hauptteil der Entwicklung findet on-the-job statt. Bevor ein Mitarbeiter Personalverantwortung erhält, wird er in einem Assessment-Center auf seine Führungsfähigkeiten hin geprüft und dann entsprechend geschult.

Microsoft-Personalchef Rom de Vries setzt darauf, dass sich die Mitarbeiter on-the-job weiterentwickeln.

Die Microsoft-Personaler haben es als „strategische Aufgabe“ erkannt, den Mitarbeiter auf den richtigen Job zu setzen, der ihm auch das Lernen und die Weiterentwicklung zum nächsten Karriereschritt ermöglicht. Ziel ist eine Nachfolgeplanung für alle unternehmenskritischen Positionen. Diese funktioniert heute noch nicht in jedem Fall, so Andreas Benkowitz, Director People & Organization Capability von Microsoft Emea: „Oft ist der Schritt zwischen aktueller und anvisierter Position einfach zu groß.“ Für mehr Transparenz sollen darum so genannte Profile Cards sorgen, in denen Microsoft seit eineinhalb Jahren Eigen- und Fremdbeurteilung der Mitarbeiter zusammenbringt. Auch tauschen sich Führungskräfte und Personalexperten über potenzielle neue Positionen und geeignete Kandidaten aus.

Mitarbeiterentwicklung ist bei SAP Führungsaufgabe

Nachfolgeplanung im engeren und Mitarbeiterorientierung im weiteren Sinne sind nicht von heute auf morgen umzusetzen. Diese Erfahrung kann auch die SAP AG bestätigen, die unter den Großunternehmen (über 5000 Mitarbeiter) als bester Arbeitgeber ausgezeichnet worden war. „Wir werden Jahre brauchen, um jeder Führungskraft bewusst zu machen, dass People-Management ein wichtiger Bestandteil ihrer Tätigkeit ist“, sagt Stefan Ries, Chief Operating Officer Global Human Resources.

SAP-Personal-Manager Stefan Ries will den Führungskräften mehr Mitarbeiterorientierung vermitteln.

Zu lange herrschte die Sachorientierung vor, derzufolge etwa derjenige ein guter Vertriebsleiter ist, der ein gutes Geschäftsergebnis vorzuweisen hat. Letzteres ist für die SAP-Führungskräfte zwar nach wie vor eine wichtige Messlatte, als zweite Bewertungsgröße kommt aber der Standard „Management Excellence@SAP“ hinzu. Weltweit werden derzeit die Führungskräfte mit diesem Standard vertraut gemacht, der Vision, Strategie und Wertesystem in einem ist. Mitarbeiterentwicklung und das Aufbauen von Teams werden dabei als zwei von vier wesentlichen Aufgaben der Führungskräfte definiert, auf die mindestens 50 Prozent der Arbeitszeit verwendet werden sollten. Ob die Manager diese Aufgaben auch an- und ernst nehmen, spiegelt sich dann in den Ergebnissen der anschließenden Mitarbeiterbefragungen wider: Dort wird unter anderem gefragt, ob der Vorgesetzte erreichbar und offen für Fragen ist.

Der Great-Place-To-Work-Wettbewerb

Das Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Great Place to Work Institute ermittelt in den USA schon seit den 1980er Jahren die besten Arbeitgeber, seit einigen Jahren findet der Wettbewerb auch in Deutschland statt. Die Bewertung basiert auf zwei Befragungen in den beteiligten Unternehmen: Zum einen müssen die Personal-Manager ihre Konzepte und Programme in einem so genannten Kultur-Audit darstellen, zum anderen werden die Mitarbeiter stichprobenartig zu den Themen Vertrauen zum Management, Identifikation mit der Arbeit und mit dem Unternehmen sowie Teamgeist befragt. In diesem Jahr haben sich 105 Firmen dem Wettbewerb gestellt, wobei Microsoft Deutschland in der Kategorie Unternehmen von 501 bis 5000 Mitarbeiter und SAP in der Kategorie Unternehmen über 5000 Mitarbeiter zum besten Arbeitgeber gewählt wurde. In Berlin stellten die Siegerunternehmen auf einem Kongress ihre Strategien zur Personalentwicklung vor.