Peoplesoft-Übernahme juristisch unbedenklich

Freibrief für Oracle hilft vor allem SAP

17.09.2004
MÜNCHEN (CW) - Ein kalifornisches Bundesgericht hat Oracle erlaubt, die Übernahme des Wettbewerbers Peoplesoft weiter zu betreiben. Damit wurde das US-amerikanische Justizministerium vorerst gestoppt, das versucht hatte, die Fusion zu vereiteln. Von den Querelen, die sich angesichts weiterer Gerichtstermine in den nächsten Monaten fortsetzen dürften, will in erster Linie Hauptkonkurrent SAP profitieren.

Den Kartellbehörden sei es nicht gelungen, die negativen Auswirkungen einer Übernahme auf den Markt für unternehmensweite Business-Applikationen zu belegen, lautet das Fazit von US-Richter Vaughn Walker in seiner 164 Seiten langen Urteilsbegründung. Mit dem Spruch folgte Walker im Wesentlichen den Argumenten der Oracle-Anwälte. Diese hatten in dem seit Anfang Juni dieses Jahres laufenden Prozess immer wieder darauf hingewiesen, der Markt für konzernweite Geschäftsapplikationen lasse sich weder regional noch auf die drei Anbieter SAP, Peoplesoft und Oracle eingrenzen. Vielmehr dürften neue Wettbewerber wie beispielsweise Microsoft sowie Spezialanbieter und Dienstleister nicht außer Acht gelassen werden.

Richter wischt Kundenängste beiseite

Vertreter des Justizministeriums hatten versucht, den Richter davon zu überzeugen, dass eine geglückte Akquisition Peoplesofts durch Oracle den Wettbewerb beeinträchtigen und zu Lasten der Kunden gehen würde. Nach Einschätzung der Kartellwächter verblieben nach einer Übernahme mit SAP und Oracle lediglich zwei große Anbieter übrig. Als Folge hätten die Anwender steigende Preise zu befürchten. Um ihren Standpunkt zu stützen, hatten die Anwälte des Ministeriums zahlreiche Softwarekunden in den Zeugenstand gerufen, die dies bestätigten. Richter Walker wischte diese Einwände jedoch in ungewöhnlich scharfer Form beiseite: "Unbegründete Kundenbefürchtungen können harte Beweise nicht ersetzen."

Experten bezeichneten das Urteil Walkers als Überraschung. So sei den Bemühungen von Unternehmen, Entscheidungen der Kartellbehörden anzufechten, bislang nur selten Erfolg beschieden gewesen. Auch Oracle-Chef Lawrence Ellison waren im Februar dieses Jahres nur geringe Chancen eingeräumt worden, als er ankündigte, gerichtlich gegen die Blockade der Behörden vorgehen zu wollen.

Nun können die Oracle-Verantwortlichen ihre Übernahmebemühungen vorerst unbehelligt fortsetzen. Chairman Jeffrey Henley forderte das Peoplesoft-Management unmittelbar nach Bekanntgabe des Urteils auf, den Widerstand gegen die Akquisition aufzugeben: "Mit dieser Entscheidung steht die Führung von Peoplesoft in der Pflicht, sich mit uns an einen Tisch zu setzen und den Aktionären die Möglichkeit zu geben, unser Angebot anzunehmen." Der Datenbankspezialist bietet derzeit 21 Dollar je Peoplesoft-Aktie. Damit hätte der Deal ein Gesamtvolumen von rund 7,7 Milliarden Dollar. Die Frist zur Annahme der Offerte, die am 10. September auslief, hat Oracle um zwei Wochen bis zum 24. September 2004 verlängert.

Die Peoplesoft-Verantwortlichen wollen das Feld jedoch nicht kampflos räumen. Erste Reaktionen deuten darauf hin, dass der Softwareanbieter weiter erbitterten Widerstand leisten will. Das Kartellrechtliche sei nur eines von vielen Problemen, schrieb Peoplesoft-CEO Craig Conway seinen rund 12 000 Mitarbeiter via E-Mail. Der Richterspruch bedeute keineswegs, dass Oracle nun Peoplesoft kaufen könne. Außerdem verwiesen die Peoplesoft-Verantwortlichen darauf, das Oracle-Angebot bereits sorgfältig geprüft und als nicht ausreichend zurückgewiesen zu haben. Die Offerte entspreche nicht dem wahren Wert des Unternehmens.

Damit wird deutlich, dass Oracles Weg zu einer erfolgreichen Übernahme Peoplesofts noch lang und steinig werden könnte. So gilt es, in den kommenden Monaten weitere gerichtliche Hürden zu überwinden. Am 27. September beginnt ein Verfahren im US-Bundesstaat Delaware, mit dem Oracle versuchen will, die Abwehrmaßnahmen Peoplesofts zu brechen. Der Anbieter von Geschäftsapplikationen hatte seinen Kunden nach dem Bekanntwerden von Oracles Übernahmeabsichten zugesichert, das in Peoplesoft-Software investierte Geld zurückzuerstatten, sollte das Unternehmen aufgekauft und die Produkte nicht weiter entwickelt und vermarktet werden.

Am 1. November dieses Jahres beginnt vor einem Gericht in Oakland, Kalifornien, ein weiterer Prozess zwischen den Software-Streithähnen. Peoplesoft klagt dort wegen unfairer Geschäftspraktiken. Das Übernahmemanöver Oracles ziele allein darauf ab, die Geschäfte eines Konkurrenten zu stören. Der Softwareanbieter fordert einen Schadenersatz in Höhe von einer Milliarde Dollar.

Neben diesen Verfahren könnten sich auch die Streitigkeiten mit den Kartellbehörden fortsetzen. So hat das US-Justizministerium bis Anfang November dieses Jahres Zeit, Berufung gegen das Urteil Walkers einzulegen. Ob dies der Fall sein wird, ist derzeit nicht abzusehen. Man sei verständlicherweise von der Entscheidung enttäuscht, ließ ein Vertreter der Behörde verlauten. Es würden nun alle möglichen Optionen geprüft.

Urteil der EU-Kommission steht noch aus

Auch in Europa steht noch eine Entscheidung der Kartellbehörden aus. Nachdem die EU-Kommission Anfang Mai 2004 zusätzliche Informationen angefordert hat, ruht das Verfahren. Insider vermuten, Oracle habe das Verfahren verschleppt, um die Entscheidung in den USA abzuwarten. Doch auch die europäischen Kartellbehörden hätten den Mutmaßungen zufolge die Untersuchungen nicht schneller als nötig forciert, um das Urteil ihrer amerikanischen Kollegen abzuwarten. Ein Terminplan für das weitere Verfahren steht noch nicht fest.

Möglicherweise könnte auch ein anderer Bieter Oracle noch in die Quere kommen, so zumindest spekulieren die Analysten von JMP Securities LLC. Peoplesoft könne ein interessanter Kaufkandidat für einen "weißen Ritter" sein - Microsoft etwa komme in Frage. Dass die Redmonder einer größeren Akquisition im Segment Business-Software nicht abgeneigt scheinen, hätten die Fusionsgespräche mit SAP gezeigt.

Die Gartner-Analysten Jeff Comport und Lee Geishecker gehen indes davon aus, dass sich das Ringen zwischen Oracle und Peoplesoft noch viele Monate fortsetzen wird. Allerdings sei auch damit zu rechnen, dass die Querelen das Tagesgeschäft beider Unternehmen belasten werden. Vor allem Peoplesoft hat dies in den vergangenen Quartalen bereits zu spüren bekommen. Viele Kunden seien durch die Übernahmeversuche verunsichert und hätten deshalb Softwarekäufe auf Eis gelegt, räumte zuletzt Finanzchef Kevin Parker ein.

Davon profitieren Wettbewerber wie SAP. Die Softwerker aus dem Badischen steigerten zuletzt Umsatz und Gewinn in den USA deutlich. Doch auch im Falle einer erfolgreichen Übernahme Peoplesofts durch Oracle erhoffen sich die SAP-Verantwortlichen Vorteile. "Auf diese Weise hätten wir einen Wettbewerber, auf den man sich fokussieren kann", sagte SAP-Chef Henning Kagermann der "Welt am Sonntag". Oracle werde Probleme bekommen, Peroplesoft zu integrieren. Dies könne SAP ausnutzen, um weitere Marktanteile zu gewinnen. (ba)

Das Urteil

Mit seinem Urteil folgt Richter Vaughn Walker der Argumentation der Oracle-Anwälte. Seine Begründung:

- Die Kläger konnten nicht beweisen, das Oracle nach der Fusion genügend Marktanteile hätte, um den Wettbewerb zu schädigen.

- Es gibt zahlreiche andere Anbieter von Spezialsoftware sowie Dienstleister, die als Konkurrenten einzuordnen sind.

- Der Kartellbehörde ist es nicht gelungen nachzuweisen, dass es einen eng begrenzten Markt für hochfunktionelle Business-Software gibt, in dem sich neben SAP nur noch Peoplesoft und Oracle behaupten können.

- Der Softwaremarkt funktioniert global und lässt sich nicht regional begrenzen. Damit wächst auch der Wettbewerb.

Peoplesofts unsichere Zukunft

Auch wenn Oracle immer wieder betont, die Peoplesoft-Produkte nach einer Übernahme weiter zu pflegen, fürchten Analysten Nachteile für die Kunden. Nach Einschätzung von Brad Reback, Analyst von CIBC World Markets Inc., hat es Oracle in erster Linie auf die Wartungseinnahmen Peoplesofts abgesehen, die sich auf jährlich 1,2 Milliarden Dollar belaufen. Das seien die Kronjuwelen Peoplesofts. Auch interne Papiere von Seiten Oracles, die während des Prozesses ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, bestätigen die Skepsis. Demnach setzt der Datenbankspezialist in erster Linie auf Kostenspareffekte im Rahmen der Übernahme. So sollen nach einer geglückten Akquisition fast alle Aufwendungen für Vertrieb und Marketing auf Peoplesoft-Seite gestrichen werden. Die Kosten für Entwicklung und Forschung will Oracle um 57 Prozent drosseln.