Freiberufler müssen sich offensiver verkaufen

17.05.2006 von Hans Königes
Will man als IT-Dienstleister Erfolg haben, braucht es ein präzises Marketing. Das gilt auch für Freiberufler.

"Softwareleute neigen oft dazu, ihre Fähigkeiten zu verharmlosen. Das macht sie menschlich sympathisch, hilft ihnen aber nicht, sich am Markt durchzusetzen", sagt Ruth Stubenvoll, die seit vielen Jahren Erfahrung damit hat, Dienstleistern zu einer individuellen, treffenden Botschaft zu verhelfen. Zum Beispiel dem Freiberufler, der sich längst zum Teilprojektleiter gemausert hat, der souverän zwischen Fachbereich und IT vermittelt, in seinem Profil jedoch ausschließlich mit einer endlosen Technologieliste wirbt. Oder dem Softwarehaus, das eigenverantwortlich knifflige Projekte stemmt, dessen Broschüre oder Web-Auftritt auch einen x-beliebigen Bodyleaser zieren könnte.

Ruth Stubenvoll, Marketing-Beraterin: 'Es gibt keine beste Formulierung, die Botschaften müssen zum Produkt und zum Unternehmen passen.'

"Vom Erfüllungsgehilfen zur Premiummarke" - unter diesem Motto begleitet Stubenvoll ihre Auftraggeber. Sie erklärt das so: "Wer sich lediglich mit einer Reihe austauschbarer Fähigkeiten beschreibt, etwa Kenntnisse zu XML oder bestimmten SAP-Modulen, wird automatisch mit allen in einen Topf geworfen, die dieselben Stichworte vorweisen können. Dann entscheidet der Einkauf oder ein Vermittler nach dem niedrigsten Preis." Der Dienstleistungsmarkt habe sich in den letzten Jahren segmentiert. Es gebe ein Billigsegment, in dem solche austauschbaren Leistungen gehandelt werden. "Im Premiumsegment werden nach wie vor gute Preise gezahlt", weiß die Münchner Beraterin. Ziel des Freiberuflers müsse sein, als Premiummarke wahrgenommen zu werden als einer, der dem Auftraggeber nicht nur Arbeit, sondern auch Sorgen abnimmt.

Ende der 90er Jahre wurde Stubenvoll von IT-Unternehmern im Isar Valley auf die Idee gebracht, ihre als Germanistin erworbene Liebe zum klaren Wort und guten Stil für die Außendarstellung der Firmen einzusetzen. Von Anfang an ermutigt sie ihre Auftraggeber, ausgetretene Pfade zu verlassen und eigenes Profil zu zeigen: "Wer als Erster geschrieben hat, dass man die Geschäftsprozesse reibungsloser gestalten kann, wenn man Anwendungen per XML koppelt, hat Ruhm verdient." Wer es heute zum tausendsten Mal abschreibe, erntet nur Gähnen. Da sei es besser, zu sagen, wie man im letzten Projekt mit den konkret aufgetretenen Schwierigkeiten fertig geworden ist.

Den scheinbaren Nachteil kleiner Unternehmen, nur aus wenigen Mitarbeitern oder gar nur einer Person zu bestehen und nicht alles gleichzeitig zu können, rät sie zum Vorteil umzumünzen. "In der IT zählen nur die Personen, die konkret an der Aufgabe arbeiten. Erfahrene Auftraggeber wissen das. Sie schätzen es, wenn ein Unternehmen Menschen anbietet, die zu ihnen und ihren Aufgaben passen. Wer dagegen versucht, alle Ecken und Kanten zu verbergen, um jedem zu gefallen, wird beim Projekteinsatz merken, dass eben nicht jeder Dienstleister zu jedem Auftraggeber passt. Nicht umsonst bezeichnet man die Broschüre von IT-Dienstleistern als Profil. Das sollte nicht nur auf dem Titelblatt stehen, sondern auch dem Inhalt gerecht werden: die Darstellung eines charakteristischen Erscheinungsbildes, einer stark ausgeprägten persönlichen Eigenart."

Bevor ein solches Profil aufgeschrieben werden kann, muss es in den führenden Köpfen des Unternehmens oder des IT-Freelancers präsent sein. Gerade bei überschaubaren Beratungsunternehmen, in denen ein partnerschaftlicher Stil herrscht und Entscheidungen im Team getroffen werden, ergeben sich dabei manchmal Überraschungen. Wollen wir ein Hightech-Unternehmen sein, das dem Kunden stets das Neueste anbietet? Oder fahren wir besser, wenn wir mit risikoscheuen Kunden bewährte Wege einschlagen? Erst wenn solche Fragen geklärt sind und das eigene Dienstleistungsprodukt damit umrissen ist, hat es Sinn, geschliffene Texte zu formulieren.

Was also ist bei der Außendarstellung zu beachten? "Jeder IT-Dienstleister weiß, dass der Projekterfolg in den frühen Phasen, bei der Zielsetzung und der Anforderungsdefinition, entschieden wird. Genauso ist das bei der Gestaltung einer Botschaft für den Markt. Die Aufgabe lautet eben nicht primär: Umgestaltung unserer Website oder Neuauflage unseres Firmenflyers. Zuerst steht die Entscheidung: Was ist unser Dienstleistungsprodukt, wer kann es nutzen, warum fühlt er sich mit uns wohler als ohne uns? Bei der Implementierung, also der konkreten Umsetzung auf Papier, im Internet, oder bei der Telefonakquise, muss dem potenziellen Kunden auf allen Kanälen die gleiche Botschaft vermittelt werden."

Zurück zum Stichwort Abschreiben. Hat Frau Stubenvoll oder haben ihre Auftraggeber nicht Angst, dass andere auf die Idee verfallen, die mühsam erarbeitete beste Formulierung einfach abzukupfern? "So etwas kommt schon einmal vor, aber es funktioniert nicht. Es gibt eben keine beste Formulierung, weil jeder Dienstleister seine eigenen Merkmale hat und die Beschreibung dazu passen muss. Genauso könnte Klinsmann die berühmte Trapattoni-Rede halten. Es würde ihm nur keiner abnehmen." (hk)

Ratgeberin für Freiberufler

Ruth Stubenvoll hat sich als Marketing- und Kommunikationsberaterin auf IT-Dienstleistungen spezialisiert. Seit 1998 berät sie Softwarehäuser, IT-Beratungsunternehmen und IT-Freiberufler. Ihre Kompetenzfelder sind

  • Herausarbeiten von Kernkompetenz und Angebot;

  • Präzises Formulieren des Angebots;

  • Erstellen der notwendigen Medien;

  • Verbesserung der Kommunikation nach außen und intern;

  • Coaching in schwierigen Prozessen der persönlichen oder der Unternehmensentwicklung.

Ab 18. Mai betreut Ruth Stubenvoll den Karriereratgeber der COMPUTERWOCHE.