Früher galten Freiberufler als schwer vermittelbare Außenseiter. Wer nimmt schon freiwillig das Los eines befristeten Jobs auf sich, wenn er eine feste Stelle mit der Aussicht auf Karriere haben kann? „Da ist was faul“, hieß es früher unter Kollegen. Vergangenheit. Heute stehen selbständige IT-Spezialisten hoch im Kurs. Das Klischee der schwer vermittelbaren Außenseiter war gestern. Der IT-Markt lebt seit Jahrzehnten von und mit den Nomaden der Arbeit – zum gegenseitigen Vorteil.
Für Unternehmen liegen die Vorteile auf der Hand: Stehen große Projekte an, die die hauseigene Mannschaft nicht stemmen kann, holen sie sich Experten von außen. IT-Freelancer bringen spezielles Know-how, Erfahrung und eine umfangreiche Expertise mit; Controller schätzen deren flexible Einsatzplanung und die berechenbaren Kosten. Und auch für die Job-Vermittler ist ein attraktiver Markt entstanden: Den zehn größten Anbietern bescherte dieses Geschäft laut Lünendonk-Studie im Geschäftsjahr 2011 einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro.
Etwa 80.000 freiberufliche IT-Experten gibt es in Deutschland. Tendenz seit Jahren steigend. Immer mehr IT-Profis tauschen die Sicherheit des Angestelltendaseins gegen die Ungebundenheit eines Freiberuflers ein. Den Unternehmen tut das doppelt gut, erläutert Stefan Frohnhoff, Geschäftsführer der emagine GmbH, die als Teil der GFT-Gruppe weltweit Technologieprojekte mit flexiblen Experten besetzt: „Zum einen sind Freiberufler ein probates Mittel gegen den seit Jahren anhaltenden IT-Fachkräftemangel. Zum anderen bringen freie IT-Experten nachweislich frischen Wind in die mitunter starren Unternehmensstrukturen.“
Festangestellte profitieren von Freiberuflern
Das belegt auch eine Studie der Münchner Bundeswehr-Universität. Danach sehen 79 Prozent der befragten Auftraggeber IT-Freelancer als ausgewiesene Spezialisten an, von deren Fachwissen sie und die eigenen Mitarbeiter profitieren.
Der berühmte Blick über den Tellerrand ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je, um Ideen und Innovationen voranzutreiben. Mitarbeiter tun sich damit oft schwerer als freie Berater und Experten, die schon aufgrund ihrer Rolle von außen auf die Dinge blicken müssen. Während Festangestellte viel Zeit mit Routineaufgaben verbringen, haben freie Technologieexperten die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit unterschiedliche Unternehmen und Prozesse kennenzulernen. Bei emagine liegt die durchschnittliche Projektdauer der freiberuflichen IT-Spezialisten bei zehn Monaten. Das gibt den Freiberuflern nicht nur Planungssicherheit, sondern ihre Chancen stehen auch gut, mit der gesammelten Erfahrung Folgeaufträge zu erhalten.
Hohe Nachfrage beflügelt Honorare
Die steigende Nachfrage nach hochgradig spezialisierten Fachkräften wirkt sich auf die Verdienstmöglichkeiten aus. Der gezahlte Stundensatz liegt mit durchschnittlich 79 Euro auf Rekordniveau. Besonders gefragt sind freie Softwareentwickler, ebenso Spezialisten für IT-Services. In beiden Bereichen sind heute mehr als 70 Prozent aller Jobs in der ITK-Branche angesiedelt. Die aktuellen Treiber sind Cloud Computing, Mobile Services, das Internet der Dinge – also vernetzte, miteinander kommunizierende Alltagsgeräte – sowie IT-Sicherheit und Social Media. Frohnhoff bestätigt: „Diese Themen haben enorme Zugkraft und werden weiterhin viele Jobs für Freiberufler schaffen.“ (Siehe auch: "Freiberufliche Berater haben gut lachen.")
Selbständig - für die Work-Life-Balance
Bei der Entscheidung für eine freie Tätigkeit gewinnt noch ein weiteres Thema zunehmend an Bedeutung: die Work-Life-Balance. Laut Umfrage des Deutschen Führungskräfteverbands (ULA) sind heute 61 Prozent der Befragten weniger bereit, Familie und Privatleben dem Beruf unterzuordnen, als noch vor fünf Jahren. Noch geringer als bei sich selbst schätzen die Führungskräfte diese Bereitschaft bei den Berufseinsteigern ein. 80 Prozent glauben, die neue Generation würde Berufliches privaten Anliegen unterordnen. So scheinen sich mit dem Eintritt der jungen Talente in den Arbeitsmarkt endgültig die Prioritäten zu verschieben: Ein hierarchischer Aufstieg im Unternehmen und die Sicherheit einer 30-jährigen Festanstellung ist für viele nicht erstrebenswert.
In diesem Zusammenhang reizen die oben beschriebenen Vorzüge der Freelancer-Tätigkeit umso mehr: „Eine Generation, der persönliche Freiheit und berufliche Weiterentwicklung wichtiger sind als eine jahrzehntelange Festanstellung, weiß auch ein Tätigkeitsfeld zu schätzen, bei dem man viele Unternehmen und Menschen kennenlernt und schnell Erfahrungen sammeln kann“, ist sich Frohnhoff sicher. „So lässt sich das Know-how häufig schneller ausbauen als in einer festen Stelle in einem großen Unternehmen, wo man mitunter das immer selbe Rädchen in einem riesigen Projekt dreht.“