Fraunhofer-Gesellschaft

Fraunhofer-Gesellschaft: Wissenschaftler am Puls der Zeit

03.05.2001 von Katja Müller
Die Fraunhofer-Gesellschaft weiß, wie sie dem derzeitigen Fachkräftemangel entgegentritt. Sie unterbreitet ihre Projekte den Kandidaten schon während des Studiums. Dass die auch anbeißen, liegt nicht nur an der Faszination der lebensnahen Forschung, die das Institut praktiziert. Die stetige Chance zur Fort- und Weiterbildung machen Deutschlands größte wissenschaftliche Institution als Arbeitgeber so attraktiv.

Weiche Landungen scheinen beim Fraunhofer-Institut geradezu obligatorisch. Der Student jobbt als wissenschaftliche Hilfskraft, um nach seinem Diplom in die Abteilung übernommen zu werden. Später kommen Industriekontakte hinzu, und die jeweilige Firma ist nicht nur derzeitiger Auftraggeber, sondern mitunter künftiger Arbeitgeber des jungen Wissenschaftlers. Ein alltäglicher Werdegang an einem der Institute der Fraunhofer-Gesellschaft.

Schritt für Schritt hineingewachsen ist auch Volker Luckas, Leiter der Abteilung „Animation und Bildkommunikation“ (A3) am Institut Grafische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt. Der promovierte Informatiker besuchte während seines Studiums an der Technischen Universität der Stadt eine von Mitarbeitern des Lehrstuhls „Grafische Interaktive Systeme“ sowie des Fraunhofer-Instituts für grafische Datenverarbeitung betreute Vorlesung, die er als „super spannend“ empfand, dass er fortan wissenschaftliche Hilfstätigkeiten am Institut verrichtete.

„Diese Vorlesungen waren eine ideale Motivation für uns Studenten. Wir haben eine Idee davon bekommen, welche Chancen sich beim Fraunhofer-Institut auftun“, sagt der Informatiker. Nach Abschluss seines Studiums begann er 1995 seine Laufbahn als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der A3 des IGD und wurde kurz nach seiner Promotion im vergangenen Jahr Abteilungsleiter. Nun kann der Informatiker aus der ganzen Bandbreite der Möglichkeiten schöpfen, denn die Forscher bei Fraunhofer sitzen nicht im Elfenbeinturm des Wissens, sondern pflegen auch einen offensiven Bezug zur Praxis.

Bund und Länder finanzieren den Etat von etwa 467 Millionen Mark jährlich. Für einzelne Projekte gibt es darüber hinaus noch Zuschüsse von Staat und Wirtschaft. Ist dann ein entwickelter Prototyp einer Forschungsgruppe erfolgversprechend, kann innerhalb einer Ausgründung die Produktion gestartet werden. Solche Ausgründungen sind seit Jahren die Regel bei Fraunhofer. Die neue Firma profitiert insbesondere von dem „hohen Renommee“ der Gesellschaft bei Kredit- und Auftraggebern. Zudem ist eine finanzielle Unterstützung durch die Fraunhofer-Gesellschaft möglich, einerseits durch Beteiligung und andererseits durch Vermittlung von Venture Capital.

Zu den Hauptaufgaben Luckas´ gehört es, die jeweiligen Projekte zu akquirieren, die dann in seiner Abteilung erforscht und entwickelt werden. Ausreichend unterstützt wird der 31-Jährige dabei von seinen Vorgesetzten. „Als Greenhorn macht man schon mal den einen oder anderen Fehler. Dank der Hilfestellung von der Institutsleitung fällt es mir aber nicht schwer, mich im neuen Aufgabengebiet zurecht zu finden.“ Die Entwicklung von Projektideen und die eigentliche Forschung will der Informatiker dabei nicht aufgeben. „Aus meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter begeistern mich immer noch bestimmte Themen. Dafür nehme ich mir die Zeit.“

Das am 1. März begonnene Projekt „Virtual-Try-On“ dürfte für den Informatiker wieder ein Thema in diesem Sinn sein. In den kommenden zweieinhalb Jahren sollen für die Bekleidungsindustrie die Phasen von der virtuellen Anprobe bis hin zum Maßschnitt erforscht werden. Mit den individuellen Körpermaßen des Internet-Nutzers ausgestattet, könnte so eine „reelle“ Anprobe auf dem Bildschirm inszeniert werden. Dass solche Projekte abteilungsübergreifend sind, ist für Luckas völlig normal: „Erstens kann ich mit Einzelkämpfern nichts anfangen und zweitens habe ich keine Probleme zu kooperieren, um eine strategische Einigung zu erreichen.“

Eine wichtige Grundlage für die gute Zusammenarbeit sind die flachen Hierarchien innerhalb der Institute. Die Mitarbeiter können so ohne organisatorische Schwierigkeiten in andere Institute der Fraunhofer-Gesellschaft wechseln. Eine internationale Ausrichtung der Forscher ist deshalb erwünscht. Kein Wunder, dass sich bei solchen Konditionen die Fluktuation auf immerhin zehn Prozent jährlich beläuft. Befristete Arbeitsverträge wissenschaftlicher Mitarbeiter wirken sich auf den permanent forcierten Wechsel ebenfalls günstig aus.

Schließlich sollte die Ausbildung am Institut so sein, dass es kein Problem ist, in die Industrie oder Wirtschaft einzusteigen. Die meisten Hochschulabsolventen nutzen darum die gängige Möglichkeit der Promotion sowie das zentrale Weiterbildungsangebot von Projekt-Management- bis Rhetorikveranstaltungen als „Sprungbrett für ihre weitere Karriere.“

Auch dem promovierten Physiker Georg Rosenfeld gefällt die offene und praxisnahe Atmosphäre in den Instituten. „Als Wissenschaftler hatte ich immer weniger Lust, mich zu spezialisieren. Daher kam mir das Angebot, im Vorstandsstab der Fraunhofer-Gesellschaft mitzuarbeiten, gerade recht“, erklärt er. Der 34-Jährige ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Forschungsplanung und Ansprechpartner für die Institute des Forschungsgebiets Informations- und Kommunikationstechnik.

Ebenso liegen Budgetverhandlungen und Gehaltseinstufungen in seinem Arbeitsbereich. Dass sich die Vergütung für Diplominformatiker in der Fraunhofer-Gesellschaft mit bis zu 15 Prozent unter den mittleren Einstiegsgehältern der Industrie bewegt, mindert nach Ansicht des Physikers die Attraktivität der Institute kaum. Priorität haben laut Rosenfeld die spannenden Forschungsthemen. „Wir suchen Leute, die vor Kreativität sprühen und sich weiterentwickeln wollen, und nicht solche, bei denen das Einkommen eine übergeordnete Rolle spielt.“

In der Regel werden im Jahr etwa 150 wissenschaftliche Mitarbeiter im Informatikbereich eingestellt. Zurzeit sind laut Rosenfeld 80 Stellen offen, die meisten davon im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik. Immer öfter werden die Kandidaten dabei über den elektronischen Stellenmarkt geworben, statt über eine traditionelle Zeitungsannonce. Dass dieses Konzept funktioniert, beweist die hohe Frequenz an der Jobbörse von Fraunhofer. Sie ist laut einer internen Zugriffsstatistik der gefragteste Bereich der Fraunhofer-Site.