Fortbildung bewerten, um sie zu verbessern

02.10.2002 von Alexandra Mesmer
Weiterbildung ist wichtig. Darüber sind sich alle einig. Doch mit dem bloßen Besuch einer Fortbildung oder der Nutzung eines E-Learning-Angebots ist es nicht getan, schließlich soll der Mitarbeiter seine neu erworbenen Kenntnisse möglichst gewinnbringend im Arbeitsalltag anwenden können. Die COMPUTERWOCHE wollte wissen, in welchem Umfang und mit welchen Methoden Unternehmen Weiterbildungsmaßnahmen bewerten

Was hat der Kurs dem Mitarbeiter und dem Unternehmen gebracht? Diese Frage wird vielleicht öfters gestellt, aber bislang nur in jedem fünften Unternehmen tatsächlich überprüft. Allerdings zeichnet sich ein Trend zur systematischen Bildungsplanung ab: 28 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, künftig Bildungscontrolling einführen zu wollen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Online-Studie, die das Kölner Beratungsunternehmen Experteam AG im Auftrag der CW umsetzte. Knapp 80 Befragte gaben von Juni bis August Auskunft darüber, wie Weiterbildung in ihren Unternehmen organisiert wird.

Demnach verfügen zurzeit zwar noch die wenigsten Firmen über ein ausgereiftes System, um die Weiterbildungsmaßnahmen zu kontrollieren, allerdings setzen schon viele einzelne Elemente eines Bildungscontrollings ein: So ermitteln 61 Prozent mindestens teilweise, ob ein Bedarf an Trainingsveranstaltungen besteht. Meist geschieht das im Rahmen von Mitarbeiter- und Personalentwicklungsgesprächen. Im Vordergrund der Bedarfsanalyse stehen die Auswahl der Schulungsthemen und der Teilnehmer. Auch ein Abgleich zwischen Soll- und Ist-Qualifikation der betroffenen Mitarbeiter ist weit verbreitet (54 Prozent).

Die Inhalte sind entscheidend

Nach welchen Kriterien Weiterbildung in den Unternehmen bewertet wird.

Ein systematisches Skill-Management oder Human-Resource-Management existiert bisher nur bei 23 Prozent der Befragten, allerdings will das künftig nahezu jedes dritte Unternehmen einführen. Eine jährliche Weiterbildungsplanung will sich in Zukunft sogar jede zweite Firma zulegen. Im Unterschied zur allgemeinen Weiterbildung sehen die Befragten bei E-Learning-Programmen noch mehr Anlass, den tatsächlichen Bedarf künftig zu ermitteln. Im Zentrum steht die Frage, ob sich die Inhalte für Online-Lernen eignen. Prinzipiell machen 90 Prozent der Befragten die Form der Weiterbildung von den Inhalten abhängig. Die häufigsten Themen der Schulungen sind Anwendersoftware wie Microsoft Office oder Lotus, allgemeine IT-Themen, Führungskräftetraining und Soft Skills.

Die Lernsoftware unterziehen bereits 60 Prozent der Unternehmen, die E-Learning einsetzen, einer Qualitätsanalyse. Jedes zweite von ihnen legt sogar Wert darauf, dass die Software durch unabhängige Institute zertifiziert wird. "Dieser Wert ist erstaunlich hoch, da momentan kaum allgemeingültige Standards verbreitet sind“, sagt Franziska Zeitler, leitende Beraterin bei Experteam. „Allerdings bestätigen diese Ergebnisse, dass es notwendig ist, die Gütekriterien zu vereinheitlichen, da für Unternehmen solche Qualitätssiegel durchaus wichtig sind.“

Die Qualität von E-Learning-Programmen machen die Befragten weniger an Design oder der multimedialen Aufbereitung der Inhalte fest als vielmehr an der Didaktik, den Inhalten und den Möglichkeiten zur Interaktion. „Das bestätigt den allgemeinen E-Learning-Trend, dass Didaktik wichtiger als Technik ist“, so Zeitler . Eine Erkenntnis, die sich erst in jüngster Zeit durchzusetzen beginnt, nachdem Online-Lernen in den Anfangsjahren immer nur auf die technischen Möglichkeiten reduziert worden war.

Lernerfolg wird kaum überprüft

Während viele Unternehmen den Bedarf und bei E-Learning auch die Qualität der Weiterbildungsmaßnahmen analysieren, überprüfen über 30 Prozent den tatsächlichen Lernerfolg überhaupt nicht. Nur knapp 39 Prozent der Befragten testen den Erfolg oder befragen die Mitarbeiter, ob sie das Gelernte auch in ihrem Berufsalltag umsetzen können. Unter den restlichen Befragten findet eine solche Überprüfung nur teilweise statt. Bei E-Learning-Programmen sind Abschlussprüfungen (69 Prozent) weiter verbreitet als bei der allgemeinen Weiterbildung (49 Prozent). Auch Zwischentests, mit Hilfe derer die Teilnehmer ihren Lernerfolg messen können, werden bei Web based Trainings häufig angewendet. Auf die Testergebnisse haben in den meisten Fällen die Teilnehmer und Trainer Zugriff, seltener die Personalabteilung oder Bildungsbeauftragte (35 Prozent). Ein Vorgehen, das jedoch nicht unumstritten ist.

Die Zufriedenheit der Teilnehmer ist neben der Qualität der Inhalte und der Dozenten das entscheidende Kriterium, nach dem Schulungen bewertet werden, was immerhin knapp 50 Pro-zent der befragten Unternehmen bereits mehr oder weniger regelmäßig tun. Bislang geben jedoch nur 20 Prozent den Teilnehmern objektive Kriterien wie Lernerfolg, Zeitaufwand oder Kosten an die Hand, um die Fortbildung beurteilen zu können. „In Zukunft will aber ein Drittel der Firmen den Nutzen durch objektive Kriterien messen lassen, was ebenfalls für einen Trend hin zu einer systematischeren Bildungsorganisation spricht“, sagt Zeitler.

Bildungscontrolling, das wie bereits erwähnt in jedem fünften Unternehmen schon stattfindet, wird auch als Instrument angesehen, Weiterbildung besser zu organisieren. Nach der Ansicht von über 80 Prozent der Befragten hilft es, die Qualität, die Transparenz und die Zielorientierung der Bildungsmaßnahmen zu erhöhen. Die Vermutung, dass Bildungscontrolling in erster Linie dazu beitragen soll, die Kosten zu reduzieren, konnten die Befragten nicht bestätigten.

Dass der finanzielle Aspekt nicht immer im Vordergrund stehen muss, zeigt auch folgendes Ergebnis: So erfassen zwar knapp 63 Prozent der Befragten die Investitionskosten für E-Learning, aber nur 50 Prozent die laufenden Ausgaben für diese Art von Weiterbildung. Lediglich 45 Prozent der Unternehmen stellen teilweise eine betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse für E-Learning an, doch über 20 Prozent der Befragten planen sie künftig zu erstellen. Die Befragten bestätigen den Trend zu systematischer Bildungsplanung und ein gesteigertes Interesse an Qualität und Transparenz von Bildungsmassnahmen. Eine Zusammenfassung der Befragungsergebnisse finden Interessierte unter www.experlearn.de.

Nachgefragt: "Der Wissenstransfer ist nur schwer zu überprüfen"

Stefanie von Gersdorff, Postbank Systems

Im nächsten Jahr will die Postbank Systems ein professionelles Bildungs-Controlling einführen. Stefanie von Gersdorff, Leiterin IT-Personalentwicklung, machte bereits bei der Postbank Data GmbH ihre Erfahrungen mit dem Thema.

CW: Frau von Gersdorff, warum wollen Sie ein Bildungs-Controlling-System einführen?

Von Gersdorff: Die Postbank Systems gibt jedes Jahr etwa sieben Millionen Euro für Weiterbildung aus. Da wollen wir wissen, ob das Geld sinnvoll angelegt ist.

CW: Was sind die größten Herausforderungen bei dem Thema?

Von Gersdorff: Am schwierigsten ist es, die Transferleistung zu messen. Was hat die Schulung gebracht und woran liegt es, dass erhoffte Ziele nicht erreicht wurden? Vor allem letztere Frage lässt sich nicht immer beantworten. Es muss nicht immer an der Schulung liegen. Auch organisatorische Rahmenbedingungen, politische Vorgaben oder kurzfristig angesetzte Projekte können verhindern, dass Mitarbeiter im Alltag die gewonnenen Erkenntnisse wirklich nutzen k´önnen. Es reicht nicht, die Informationen zu sammeln, man muss sie auch auswerten.

CW: Wie aufwändig darf das Controlling-Verfahren sein?

Von Gersdorff: Wir haben 1000 Mitarbeiter. Wenn sich bei dieser Unternehmensgröße ein Mitarbeiter das ganze Jahr mit dem Thema Bildungs-Controlling beschäftigen muss, ist das zu viel.

CW: Welche Elemente des Bildungscontrollings setzen Sie heute ein?

Von Gersdorff: Wir machen einen Abgleich der Soll- und Ist-Qualifikationen der Mitarbeiter und ermitteln so in den Jahrensgesprä-chen den Schulungsbedarf. Vor einem Jahr haben wir 15 Mitarbeiter-Competencies wie Fach-, Marktkenntnisse oder Flexibilität definiert und festgelegt, wer wie viel davon braucht. Ein Softwareentwickler etwa soll in Sachen Flexibilität die Stufe B erreichen, wenn dies nicht der Fall ist, wird überlegt, wie sich diese Lücke schließen lässt. Zusätzlich beschließt der Vorstand in seinem Strategie-Workshop, welches Know-how wir im Unternehmen brauchen. Dementsprechend richten wir unsere Trainings aus: So wurden im vergangenen Jahr unsere BS2000-Spezialisten auf OS/390 umgeschult.