Freiberufler in der IT

Flexible Hilfe von außen

02.12.2004 von Ina Hönicke
Kleinere und mittelständische Unternehmen, die mit IT-Freelancern die eigenen Ressourcen aufstocken, profitieren von den Externen. Voraussetzung: eine klare Zielsetzung sowie ein vorher definierter Zeitraum - und der richtige Partner.

IT-FREIBERUFLER sind auf den Fluren kleiner und mittelgroßer Firmen seltener zu finden als in Großunternehmen. Ein Status quo, den Mario Henzler, Marketing-Chef beim Personal- Dienstleister Hays AG in Mannheim, naturgemäß bedauert: „Würden die mittelständischen Unternehmen akzeptieren, dass der Einsatz von Freiberuflern temporär hervorragende Ressourcen einbindet und die eigenen Leute entlastet, könnten sich für beide Seiten interessante Möglichkeiten bieten.“ Ulrich Bode, Freiberufler, Sprecher des Beirats für Selbständige und Fellow der Gesellschaft für Informatik (GI), sieht die Zusammenarbeit weniger skeptisch: „Bei den mittelständischen Unternehmen haben wir es mit sehr speziellen Aufgaben zu tun - von der Programmierung eines Spielautomaten bis zur Konzeption einer Bierabfüll-Anlage. Dafür sind die unterschiedlich spezialisierten Freelancer bestens geeignet.“ Zudem gelten Freiberufler als flexibel, erfolgsorientiert und schnell - genau wie der mittelständische Unternehmer selbst. Doch Bode räumt ein, dass es in der Tat nicht immer leicht ist, den richtigen freien Partner zu finden.

Empfehlungen sind das Wichtigste

Um nicht an den Falschen zu geraten, verlassen sich IT-Verantwortliche immer öfter auf Empfehlungen. Die Mund-zu- Mund-Propaganda erfolgt entweder durch den Softwaredienstleister, ein bekanntes Beratungshaus oder eigene Leute. Bei der SKM Creative Research Solution GmbH in Wiesbaden beispielsweise ist man damit bislang gut gefahren.

Das Unternehmen mit 21 Mitarbeitern bietet Daten-Management und statistische Lösungen für klinische Studien an. Dabei reichen die Leistungen vom statistischen Studiendesign über Datenmanagement bis zur statistischen Analyse. Die Kunden kommen aus der pharmazeutischen Industrie oder der Biotechnologie. Um die Aufträge erfolgreich über die Bühne zu bringen, werden intern zeitsparende Werkzeuge für die Mitarbeiter des Unternehmens entwickelt. Dafür setzt Datenbank-Administratorin Marion Beyer regelmäßig IT-Freiberufler ein: „Wenn ein Projekt zu realisieren ist, uns aber das interne Potenzial fehlt, holen wir Freelancer ins Haus.“

Freie als Verstärkung

Von der Art des Projekts hängt es auch ab, welche beruflichen Qualifikationen der Externe beherrschen muss. Beyer: „In einigen Fällen muss der Freiberufler eine oder mehrere Programmiersprachen beherrschen, in anderen Fällen suchen wir jemanden mit Datenbank-Erfahrung.“ Die drei Freelancer, die derzeit in Projekte eingebunden sind, verfügen laut Beyer über unterschiedliche Profile und sind gleichzeitig so flexibel, dass sie nicht nur einen Bereich abdecken.

Zwar kommt es bei Projekten, die in sich geschlossen sind, hin und wieder vor, dass sie komplett nach außen gegeben werden. In den meisten Fällen indes bringen Freelancer und Mitarbeiter das Projekt intern gemeinsam über die Bühne. Die Datenbank-Expertin: „Ganz wichtig für den Erfolg sind die regelmäßig stattfindenden Besprechungen, an denen Projektleiter und Freiberufler teilnehmen. Hier werden alle anstehenden Tätigkeiten besprochen.“ Bei dem Wiesbadener Daten-Management-Unternehmen werden die Externen von den internen Kollegen voll integriert und anerkannt. Beyer: „Die Freelancer unterstützen uns bei unserer Arbeit, und das wissen wir zu schätzen. Externe IT-Profis sind eine ideale Möglichkeit für kleinere Unternehmen, das intern vorhandene Potenzial zu ergänzen.“ Da man bei keinem neuen Projekt von vornherein wisse, ob es sich überhaupt weiterentwickle, sei es letztlich weitaus kostspieliger, jedes Mal einen Mitarbeiter einzustellen.

Bei dem international tätigen Franchise- Unternehmen Fressnapf GmbH gehören Freiberufler ebenfalls zum ITAlltag. Wann diese eingesetzt werden und wie der Einsatz aussieht, darüber hat man bei der Krefelder 380-Mann-Firma genaue Vorstellungen. Bernd Hilgenberg, Ressortleiter IT: „Wir holen uns Freelancer, wenn es sich um Aufgaben handelt, die so abgegrenzt sind, dass sie von einer Person bearbeitet werden können.“ In diesem Jahr beispielsweise habe das Unternehmen mit Externen zusammengearbeitet, die die eigenen Kollegen im Rahmen des Anwender-Supports - sprich Hotline - unterstützten. Die Freelancer waren Hilgenberg von dem Beratungshaus empfohlen worden, das ihm die entsprechenden Softwaresysteme zur Verfügung gestellt hatte. Dass der IT-Manager Freiberufler nur für sehr abgegrenzte Aufgabenstellungen sucht, hat einen guten Grund. Er könne sich die Koordination mehrerer Freiberufler, die möglicherweise auch noch eine unterschiedliche Arbeitsweise haben, neben dem Tagesgeschäft nicht leisten. Hilgenberg: „Das soll doch ein Beratungsunternehmen übernehmen - vorzugsweise eines, das ich bereits kenne.“ Falls Freiberufler zum Einsatz kommen, bespricht er die anstehenden Aufgaben mit den Systemhäusern, die die eingesetzte Software liefern. Von diesen Partnern lässt er sich Namen von in Frage kommenden Kandidaten nennen. Sich auf dem freien Markt selbst nach passenden Leuten umzuschauen ist laut Hilgenberg eher die Ausnahme.

Team entscheidet mit

Trotz Vertrauensbonus wird der empfohlene Externe vom Ressortleiter erst einmal unter die Lupe genommen: „Da wir permanent unter Zeitdruck arbeiten, muss bereits vor Projekteinsatz klar sein, ob Chemie und Skills stimmen. Wir können es uns nicht leisten, menschliche oder fachliche Unstimmigkeiten erst mitten im Projekt zu entdecken.“ Deshalb treffen die Freiberufler auch im Rahmen der Vorgespräche - einer Art zweiten Runde - auf ihre künftigen Kollegen. Wenn die Rückmeldung der eigenen Leute positiv ausfällt, kann der Externe sofort mit seinem Job beginnen.

Wissen ins Unternehmen holen

Hilgenberg: „Mit langem Lamentieren können wir uns nicht aufhalten. Wenn Probleme auftauchen, suchen wir einen anderen Freien.“ Sein Ziel ist es, das im Rahmen von Projekten erarbeitete Wissen schnellstmöglich ins Unternehmen zu holen.

Der Einsatz von Freiberuflern soll bei der Fressnapf GmbH zudem bei der Klärung der Frage helfen, ob das eigene Personal nicht möglicherweise verstärkt werden muss. Der IT-Verantwortliche möchte auf jeden Fall verhindern, dass aus den Externen „langfristige Interne“ werden. Das habe er in anderen Unternehmen allzu oft erlebt. Hilgenberg: „Auch wenn die Verlockung groß ist, darf eine ausstehende Personalentscheidung nicht immer wieder hinausgeschoben werden, indem man Freelancer einsetzt. Dafür sind die Kosten auf lange Sicht einfach zu hoch.“ Für Kollegen, die über den Einsatz von Freiberuflern nachdenken, hat er folgenden Tipp parat: Wenn akut ein Problem auftritt und die internen Mitarbeiter entweder überlastet sind oder nicht über das erforderliche Know-how verfügen, bieten sich Externe geradezu an. Wenn sie noch dazu dem Unternehmen bekannt sind und gute Leistung bringen, lohnen sich die zugekauften Ressourcen allemal. Hilgenberg: „Die meisten Freiberufler sind hochqualifiziert, sofort einsatzbereit - aber nicht billig. Deshalb muss die Kostenrechnung sehr differenziert vorgenommen werden.“ Hierzu sei eine klare Zielsetzung für den Einsatz von Freelancern ebenso unerlässlich wie ein vorher definierter Zeitrahmen.

Während sich die anderen Unternehmen auf Empfehlungen verlassen, erhalten bei dem Nähgarn- Hersteller Amann alle Freiberufler eine Chance. In dem Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern werden Externe vielfach aufgrund ihrer Initiativ-Bewerbung herangezogen. IT-Chef Peter Horn: „- Wenn im Anforderungsumfeld Spitzen abzudecken sind, arbeiten wir auf jeden Fall mit Freelancern zusammen - und profitieren von ihrem Know-how. Wir können es uns nämlich nicht leisten, für jede Anwendung die eigenen Leute entsprechend zu qualifizieren.“ Seiner Meinung nach liegt der Nutzen von Externen in ihrem Spezialwissen, das bei Amann ungefährt drei- bis viermal im Jahr benötigt wird.

Auftragsspitzen abdecken

Alle Aufgaben, die Einmalcharakter haben und weder weitere Wartungsaktivitäten noch die Kommunikation mit den Fachbereichen erfordern, werden bei dem Unternehmen von Freelancern erledigt. Dafür hat der IT-Verantwortliche fünf Prozent des Personalkostenbudgets der Abteilung Systementwicklung als variable Kosten (EDV Beratung) eingeplant. Horn: „Der Einsatz von Freiberuflern ermöglicht zudem einen gewissen Vergleichsmaßstab zu den Festangestellten. Das betrifft sowohl Stundensatz und Qualität als auch Flexibilität und Schnelligkeit.“ Bei den Externen interessiere kein Gleitzeit- oder Überstundenkonto. Somit könne er in bestimmten Fällen auch bei kurzfristigen Anforderungen der Fachbereiche schnell reagieren.

Für Horn ist vor allem die Integration der Externen wichtig. Allerdings würden dabei so gut wie keine Unstimmigkeiten auftreten: „Die internen Kollegen sind froh, dass sie entlastet werden - und nicht so viele Überstunden machen müssen.“ Von den Freelancern indes wird verlangt, dass sie sich an die Normen des Unternehmens halten. Horn: „Passt sich ein Externer nicht an, erhält er einfach keinen Folgeauftrag mehr.“ Diejenigen indes, mit denen man gute Erfahrungen gemacht habe, würden auf jeden Fall beim nächsten Mal wieder berücksichtigt. Der IT-Experte: „Schließlich spart es ziemlich viel Zeit, wenn jemand nicht von Null an eingearbeitet werden muss.“ Aus diesem Grund hält er auch den Kontakt aufrecht. Insgesamt hat sich - so Horn - die Qualität der Freiberufler in den vergangenen zwei Jahren verbessert. Gesteuert wird der Einsatz der Freiberufler bei Amann vom verantwortlichen Projektleiter aus der Systementwicklung beziehungsweise von dem Verantwortlichen, in dessen Aufgabengebiet der Externe arbeitet.

Auftraggeber Horn demonstriert anhand eines Beispiels den Nutzen eines Freiberufler-Einsatzes. Bei der Einführung eines Lagerverwaltungssystems (LVS) für die Vertriebslogistik, das unterlagert zu SAP R/3 läuft, musste für die Paketzuteilung eine eigene Funktionalität entwickelt werden. Dazu war es erforderlich, Daten aus den SD-Aufträgen sowie den Artikelstammdaten zu benutzen. Diese Daten wurden mit Hilfe eigenkonzipierter Algorithmen verarbeitet, um für die Kommissionierung automatisch generierte Kommissionier- beziehungsweise Verpackungsvorschläge zu erzeugen.

Einsatzbereitschaft steckt an

Horn: „Da es im Unternehmen niemanden gab, der in einer SAP-Umgebung mit Hilfe von ABAP eine umfangreiche Verarbeitungslogik realisieren konnte, haben wir auf einen Freelancer zurückgegriffen.“ Aufgrund seiner Erfahrungen steht für Horn fest, dass der Einsatz von Freiberuflern sich unter bestimmten Voraussetzungen lohnt. Last, but not least sieht Horn noch einen Vorteil: „Wenn die festangestellten Kollegen hören, wie lange die Freelancer täglich arbeiten, wie oft sie zwischen den verschiedenen Kunden hin- und herpendeln müssen, besinnt sich so mancher darauf, wie gut er es hier hat.“

Ein ganz anderer Grund, nämlich mangelnde Mitarbeiterakzeptanz, brachte Dirk Wolf, IT-Leiter bei der Skriptura Dialog Systeme GmbH in Hannover, dazu, einen IT-Freiberufler einzusetzen: „Als wir das letzte Mal Controlling-Instrumente einführen wollten, sind wir an der fehlenden Akzeptanz der eigenen Leute gescheitert.“ Die Kollegen hätten sich durch die um ein Controlling-System erweiterte Software kontrolliert gefühlt. Der Geschäftsleitung sei es trotz diverser Informationen und Diskussionen nicht gelungen, diese Befürchtungen außer Kraft zu setzen. Jetzt versucht das Unternehmen, das sich Händler-Mailings und Dialog-Marketing aufs Panier geschrieben hat, das ganze Projekt ein zweites Mal durchzuziehen. Das ERP-System Navision soll helfen, die Kosten des Unternehmens transparent zu machen. Wolf: „Um nicht ein zweites Mal zu scheitern, haben wir uns für das Projekt einen Externen ins Haus geholt.“ Dabei machte Wolf die Erfahrung: „Ein Außenstehender kann in einem solchen Fall Wunder wirken. Das Akzeptanzproblem ist vom Tisch.“