Firmenportale: Vom Intranet zum Web-Arbeitsplatz

07.07.2003 von Martin Kalbfleisch
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Viele deutsche Unternehmen planen, eine Portallösung einzuführen. Ziel ist es, die Gesamtheit der im Unternehmen zur Verfügung stehenden Informationen allen Mitarbeitern über Standortgrenzen hinweg zur Verfügung zu stellen. Im Ergebnis lassen sich so Informationen zeitnah bereitstellen beziehungsweise abrufen.

Bei vielen heutigen Intranets müssen sich die Mitarbeiter ausgehend von einer Startseite über mehrere Ebenen zu den gewünschten Informationen vorarbeiten, die sie für ihr Tagesgeschäft benötigen. Die Personalisierungsfunktion von Portalen dagegen erlauben den individuellen Aufbau einer arbeitsplatzbezogenen Oberfläche. Hierbei kann der Anwender sich die Seite nach seinen persönlichen Informationsbedürfnissen gestalten, so dass er alle relevanten Daten rasch abrufen kann. Informations-Abonnements helfen ihm dabei, sich über seine Themengebiete auf dem Laufenden zu halten. Die bisher zeitauzfwändige Informationsbeschaffung kann so drastisch reduziert werden.

Bild: New Online Systems GmbH

Gelingt es einem Unternehmen das Aussehen und die Steuerung des Portals selbsterklärend und durchgängig zu gestalten, so liegt der Schluss nahe, dass praktisch keine Ausbildungskosten anfallen. Dies setzt jedoch die Integration von Standardanwendungen wie E-Mail, Personen- und Gruppenkalender sowie Verzeichnissysteme voraus. In Organisationen mit verschiedenen Standorten stehen in der Regel eine Vielzahl lokaler File Server. Damit alle Portalanwender die Möglichkeit haben, nach auf den Rechnern gespeicherten Dokumenten zu recherchieren, muss ein Crawler regelmäßig geänderten und neuen Dateien such und einen zentralen Index entsprechend aktualisieren. So entsteht eine unternehmensweite zentrale Datenfundgrube, die mit von Portalen zur Verfügung gestellten Werkzeugen durchforstet werden können.

Insbesondere in der Projektarbeit, wo die Projektmitarbeiter auf bereits vorhandene Ausarbeitungen im Unternehmen angewiesen sind, ergeben sich Rationalisierungseffekte. Mussten diese Ausarbeitungen bisher telefonisch oder per E-Mail erfragt werden, so können sich die Projektmitarbeiter diese Dokumente zumindest teilweise über das Portal selbst beschaffen.

Entfalten die zuvor genannten Beispiele ihr Potential vornehmlich in Form von Zeitersparnis auf Anwenderseite, so bietet die Integration von Backend-Systemen eine Vereinfachung des IT-Betriebs. Lässt sich beispielswiese das Frontend einer Client-Server-Applikation vollständig in ein Portal integrieren, so entfällt zukünftig die Softwareverteilung für Änderungen und Updates auf die Endbenutzer Systeme gänzlich. Einzig der Aufwand zur Anpassung der Portalkomponenten verbleibt - jedoch erfolgt dies nurmehr an zentraler Stelle. Außerdem kann die Administration dezentraler Systeme über eine portalgestützte Verwaltungsumgebung erfolgen, wodurch ebenfalls eine Reduktion der Administrationskosten verbunden ist.

Die Einführung einer Unternehmensportallösung kann sich Kosten senkend auswirken, eine pauschale Aussage über die Höhe der Einsparungen ist jedoch schwerlich zu treffen. Vorausgehen muss eine unternehmensindividuelle Analyse, welche die vielfältigen Funktionen des jeweiligen Portals den Bedürfnissen des Unternehmens gegenüber stellt.

Portalanbieter und -lösungen gibt es viele. Die Ausrichtung und Leistungsfähigkeit ist höchst unterschiedlich und stiftet daher Verwirrung. Jedoch unterscheiden sich die mit dem Einsatz der Software verfolgten Ziele. Mit Business-to-Employee-Portalen eröffnen sich andere Möglichkeiten als bei Lösungen für den Business-to-Consumer-Bereich. Während beim Mitarbeiterportal Geschäftsprozesse integriert werden können, ist dies im Consumer-Bereich kaum möglich. Aus den unterschiedlichen Perspektiven heraus entwickelt jeder, der sich mit Portalsoftware beschäftigt, sein eigenes Verständnis dieser Technologie.

Mehrheitlich zeichnen sich Portal-Definitionen durch eine Gemeinsamkeit aus: Alle für eine bestimmte Zielrichtung verfügbaren Informationen, Anwendungen und Dienste sollen über ein einheitliches Web-Interface bereitgestellt werden. Im Sinnverständnis wird ein Portal folglich als "Information Gateway" auf Basis einer integrativen Plattform interpretiert. In diesem Zusammenhang verspricht der Einsatz von Portalsoftware hohe Nutzenpotentiale. Diese lassen sich in die folgende Kategorien untergliedern:

Kostensenkung (DV-Betrieb, Administration);

Harmonisierung (einheitliches User-Interface und homogene IT-Landschaft);

Effizienzsteigerung durch Standardgeschäftsprozesse;

Unternehmenstransparenz durch Information-Management;

stärkere Bindung von Kunden, Lieferanten, Partnern und Mitarbeitern

Um diese Potential ausschöpfen zu können, ist es wichtig zu wissen, welcher konkrete Nutzen beziehungswiese Nutzenkombination ein Unternehmen von einer Portalsoftware erwartet. Vorausgehen muss hierbei eine dementsprechende Zieldefinition. Die Abbildung 1 zeigt am einfachen Beispiel einer Personaleinsatzplanung, mit welchen Hilfsmitteln ein gewünschter Nutzen erzielt werden kann. Die Matrix untergliedert sich dabei in vier Quadranten. Im oberen rechten Quadranten stehen die Ziele. Der zweite obere Quadrant beschreibt die mit den Zielen zu verknüpfenden Informationen respektive Systeme. Der Nutzer-Quadrant nimmt die in den Prozess involvierten Mitarbeiter auf. Schlussendlich fixiert der letzte Quadrant die erforderlichen Hilfsmittel und Aufgaben.

Auf Basis dieser Matrix ließe sich ein zentrale Lösung realisieren, welche alle Prozessschritte zur Personaleinsatzplanung einschließlich der zugehörigen Abrechnung unter einem Dach zusammenführt. Dabei erhalten alle beteiligten Personen beziehungsweise organisatorischen Einheiten Zugriff auf ein Gesamtsystem. So hat ein Vertriebsmitarbeiter jederzeit Überblick auf seiner Gehaltsansprüche und Verantwortliche können die Kostenentwicklung für eine Personaleinsatzplanung einschätzen. Darüber hinaus benötigen Mitarbeiter für ihr Tagesgeschäft zusätzliche Informationen. Im Vertriebsbereich zählen hierzu beispielsweise aktuelle Informationen über die Produktentwicklung, die Wettbewerbsituation und Kundenaktivitäten. Daraus resultiert der Wunsch, diese Informationen über dieselbe Plattform zur Verfügung zu haben. Hier unterstützt Portalsoftware die Bedürfnisse verschiedener Abteilungen, indem sie durch

ihren integrativen Ansatz alle beteiligten Systeme zusammenführt. Berücksichtigt man die Wünsche der Vertriebsabteilung, so ergibt sich die erweiterte Matrix in Abbildung 2. Je mehr Abteilungen mit ihren zugehörigen Aufgaben berücksichtigt werden sollen, desto überzeugender erscheint der Einsatz einer Portallösung.

In der klassischen Lehre werden Potentialanalysen auf sogenannten Key Performance Indicators (KPI) aufgesetzt. Aus Sicht von Portalsoftware sollten hierbei die folgenden KPIs in den Bereichen Kostensenkung, Umsatzsteigerung und qualitativen Größen Berücksichtigung finden:

Kostenreduktion

Mittels reduzierter Prozesskosten

Mittels reduzierter Infrastrukturkosten

Mittels reduzierter Personalkosten

Umsatzsteigerung

Durch höheren Absatz (Menge) oder höherwertigere Produkte (Preis)

Durch Marktanteilsgewinnung

Durch Margenoptimierung

Qualitative Größen

Erhöhung der Kundenbindung

Steigerung der Kundenzufriedenheit

Reduzierung der Abwanderungsrate

Steigerung des Unternehmensimages

Portale bieten heute über die Integration von Standardanwendungen erhebliche Einsparpotentiale im DV-Betrieb einerseits und in der Ausbildung der Mitarbeiter andererseits. So spart sich eine Firma die Pflege einer E-Mail-Software, wenn die Anwender per Browser auf ihre Postfächer zugreifen können. So erübrigt sich das Einspielen von Updates, Servicepacks und Patches ebenso, wie die Aufrüstung auf neue Programmversionen. Zugleich entfallen strategische Schritte für die Planung und den Roll-Out von Softwareänderungen insbesondere in großen Unternehmen. Die Versionspflege und -änderung reduziert sich auf die Portalumgebung.

Hinzu kommt, das mit der Integration von Single-Sign-on-Verfahren der Benutzer nicht mehr eine Vielzahl an Passwörtern behalten muss. Single-Sign-on ermöglicht es Anwendern, sich mit einer einzigen Anmeldeprodezur im Portal in alle für ihn freigeschalteten Applikationen einzuloggen. Auf Seiten der Systembetreuung verringert sich der Wartungsaufwand, da die Passwortpflege nicht mehr in den Backend-Systemen, sondern in der Single-Sign-on-Lösung erfolgt.

Die Kostenreduktion mittels eines Portals klingt noch einleuchtend, doch es wäre vermessen, mit der Einführung von Portalsoftware gleichzeitig Umsatzsteigerungen zu suggerieren. Gleichwohl ergeben sich durch den Portaleinsatz Möglichkeiten zur Optimierung von unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen. Durch die Integration von Partnern in das Portal lassen sich beispielsweise Doubletten in der Vorgangsbearbeitung verringern. Statt die per Fax, E-Mail oder Telefon weitergeleiten Informationen zu erfassen, könnte die Firma dem Partner über ein Web-Interface eine Erfassungsmaske anbieten.

Nicht nur ihren Partnern, sondern auch den Endverbrauchern können Firmen Portaldienste anbieten. Üblicherweise wenden sich private Konsumenten bei Problemen mit einem erworbenen Artikel an den Händler, der jedoch auf den Service des Herstellers verweist. Durch die Bereitstellung von Diensten der jeweiligen Hersteller in seinem Portal kann das Handelsunternehmen eine Brücke zwischen Kunde und Erzeuger schlagen.

Bevor Firmen von Portalen profitieren können, müssen sie jedoch zunächst investieren. Die Kosten beschränken sich nicht nur auf Beschaffung, Aufbau und Einführung der Lösung sowie der Schulung der Anwender. Mit der Einführung eines Portals ist eine gesamtheiliche Betrachtung der Rahmenbedingungen erforderlich. Ein Portal ist nicht automatisch erfolgreich, auch wenn die Nutzenpotentiale erkannt und als Ziele formuliert wurden. Vielmehr gilt es, Begleitaspekte zu berücksichtigen, die für Portale von essentieller Bedeutung sind oder sein können:

Business Process Integration (BPI)

Enterprise Application Integration (EAI)

Identity Management (IM)

Application Performance Management (APM)

Portale bieten die Möglichkeit, Geschäftsprozesse im Rahmen von Workflows zu integrieren. Um diese Funktionen zu nutzen, ist eine Beschreibung der Geschäftsprozesse, die im Portal abgebildet werden sollen, unabdingbar. Es empfiehlt sich hierbei, nur solche Vorgänge zu betrachten, die eine Vielzahl von vielen Mitarbeitern, Lieferanten, Partnern oder Kunden betreffen.

Portale müssen Informationen, Anwendungen, Dienste und Service aus bestehenden, heterogenen IT Landschaften so zusammenführen, daß die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit, die Entscheidungseffizienz und die Reaktionsfähgikeit deutlich verbessert wird. Dieser Aspekte wurde in der Vergangenheit häufig bei EAI-Projekten umgesetzt. Es liegt also nahe, die vorliegenden Ergebnisse in das Portal zu übernehmen. Hier ist eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aufgrund der Kostenintensität von EAI-Projekten zu berücksichtigen.

Gilt es, einer großen Zielgruppe ein Portal bereitzustellen, lohnt sich ein zentralens User-Management. Hier sind zunächst konzeptionelle Arbeiten erforderlich, dazu zählt die Klassifikation von Anwendern und Nutzerprofilen.

Der Erfolg einer Portallösung hängt zum einen von der Verfügbarkeit und zum anderen von dem Antwortzeitverhalten des Systems ab. Mit langsamen Reaktionen auf Benutzereingaben sinkt die Akzeptanz der Anwenderseite drastisch. Hinzu kommt, dass bei kundenbezogenen Applikationen sowohl Performance als auch Systemverfügbarkeit erfolgsentscheidende Faktoren sind. Potentielle Engpässe sollten die Verantwortlichen bereits im Vorfeld identifizieren und beheben. Dies befreit den Portalbetreiber nicht von der regelmäßigen Kontrolle der Systemperformance. Software für das Application-Performance-Management hilft nicht nur dabei, Schwachstellen innerhalb komplexer Umgebungen zu identifizieren.