45 plus - Führung erfahrener Mitarbeiter

Firmenchefs aufgepasst: Oldies are Goodies

25.06.2010 von Renate Oettinger
Welche Unterschiede gibt es bei der Führung jüngerer und älterer Arbeitnehmer? Welche Konzepte und Methoden taufen für die "alten Hasen"? Tipps von Karl Heinz Lorenz.

In Deutschland herrscht akuter Fachkräftemangel auf allen Ebenen. Dies hat mehrere Ursachen. Einer davon ist die sich verändernde Altersstruktur in der Gesellschaft und damit natürlich auch in den Unternehmen. Während im Jugendwahn vergangener Jahrzehnte viele qualifizierte Mitarbeiter frühzeitig in die Rente komplimentiert wurden, erkennen heute die Unternehmensplaner diese wertvolle Ressource neu. Auch der Staat gibt vor: Die Lebensarbeitszeit verlängert sich. Zunehmend führen nun oftmals jüngere Manager ältere Mitarbeiter und Führungskräfte in ihren Arbeitsteams. Doch wie geht das? Gibt es Unterschiede in der Führungsarbeit und welche Konzepte und Methoden taugen?

Führungsarbeit: Alterspyramide

Quelle: Fotolia, U. Kroener
Foto: Fotolia, U. Kroener

Das Führen erfahrener und älterer Mitarbeiter bringt spannende Herausforderungen für die Manager mit sich. Herkömmliche Führungs- und Anreizsysteme oder Motivatoren, wie beständig höhere Entlohnung oder Karriereversprechen, greifen hier zunehmend weniger. Auch Standards, wie beispielsweise das international genutzte situative Führen, berücksichtigen viel zu wenig den Altersaspekt. Der Begriff der Reife bezieht sich dabei auf die Erfahrung im jeweiligen Job, Fertigkeiten, Übersicht, Eigenmotivation. Doch auch das Lebensalter an sich birgt eine ganz eigene Dynamik, hat Einfluss auf die Arbeit und das Verhalten von Menschen. Es bedarf neuer, oder doch zumindest erweiterter Konzepte und Ideen im Führungshandwerk, Menschen bis zum Ende ihrer Lebensarbeitszeit erfolgreich zu begleiten. Und diese gibt es.

Chancen und Empfindlichkeiten

Die Rahmenbedingungen für die beschriebene Situation bieten ebenso viele Chancen wie Empfindlichkeiten und Gelegenheiten für Missverständnisse.

Die Chancen bestehen ganz klar darin, erfahrene, ältere Mitarbeiter mit ihren jeweiligen Fähigkeiten sehr viel besser in den Arbeitsprozess zu integrieren, sie zu motivieren, ihre ausgereiften Kompetenzen und reichhaltigen Erfahrungen zu für das Unternehmen zu nutzen. Doch prallen oft zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein können. Teilweise werden schablonenhafte Klischees gepflegt und als Argumentation gegen die jeweils andere Seite verwendet, anstelle deren besonderen Stärken als komplettierende Ergänzung wahrzunehmen. Schnell sind falsche oder überzogene Erwartungen da, Enttäuschung stellt sich ein und die Beteiligten ziehen sich in die von eben diesen Klischees geschützten Schneckenhäuser zurück. "Ist halt immer so", "Ich hatte nichts anderes erwartet", "Jung, dynamisch und nass hinter den Ohren", "Alt, grau und hat nix mehr drauf!" - die Liste ist beliebig lang.

Stattdessen sollten wir uns lieber eine Spur weniger emotionalisiert den Inhalten und Fakten zuwenden und auf diesen konstruktive Lösungen aufbauen.

Typische Merkmale

Was ist typisch für bestimmte Altersabschnitte und welche Lebens- und Arbeitsthemen lassen sich daraus ableiten. Hier kann uns die Psychologie ein wenig unter die Arme greifen.

Die Menschen nehmen sich und die Welt in den aufeinanderfolgenden Lebensphasen unterschiedlich war, sie widmen sich anderen Aufgaben und empfinden bei anderen Aspekte als zuvor oder danach Konflikte oder Motivation.

Die Midlife Crisis ist Standard in der Lebensmitte. Welche schwierigen Themen (jedoch auch Chancen) sich darauf ergeben, weiß so ziemlich jeder, der bereits drin war. Doch Jüngere eben nicht - außer, sie haben sich damit bewusst beschäftigt, zum Beispiel bei der Führungsausbildung. Während Mittdreißiger vehement Anerkennung und Erfolge anstreben, wird der Motor von Mittvierzigern eher gespeist von Autonomiebestrebungen und mehr Verantwortungsbewusstsein über den engen Arbeitsalltag hinaus. Der typische Mittfünfziger arrangiert sich zunehmend mit dem bereits Erreichten, lernt sich mit - im Durchschnitt - nachlassenden physischen Fähigkeiten abzufinden, ist dem oft harten Wettbewerb mit Jüngeren ausgeliefert und braucht schlicht ganz andere Inhalte für die Eigen- oder Fremdmotivation.

Neue Konzepte und Führungswerkzeuge

Führungskräfte, die Mitarbeiter und andere Manager in der Ebene unter sich führen reicht das herkömmlich vermittelte Handwerkszeug überhaupt nicht aus. Und der gute Wille, an den bei Konflikten oft bei allen appelliert wird, schon gar nicht. Er ist sehr oft eher ein Indiz für Hilflosigkeit und Nichtwissen in diesem Umfeld.

Welche Methoden und Inhalte helfen also konkret? Hier einige Tipps und Gedankenanregungen:

Jemand in oder nach der Midlife Crisis sucht gleichzeitig Sicherheit und Veränderungsmöglichkeiten. Die Sinnfrage wird in der Lebensmitte zum Entscheidungspunkt. Im letzten Begriff steckt nicht zufällig auch das Wort Scheidung. Prioritäten werden neu gesetzt, das Hinter-dem-Erfolg-Herhecheln motiviert nicht mehr 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Hier ergreifen viele Mitarbeiter, die vorher Karriere nur im steten Aufsteigen begriffen haben, durchaus die neue Chance, diesen Begriff für sich neu und individuell zu definieren.

Mitarbeiter über 50 sind sich der Restdauer ihrer Arbeitszeit sehr bewusst. Auch der noch verbliebenen Karrierechancen und Handlungsmöglichkeiten und - das ist sehr wichtig - ihrer eigenen, über das bisherige Arbeitsleben gesammelten Kompetenzen. Oft stellen sich da die Fragen: Was passiert mit diesen Erfahrungen? Was wird bleiben? In dieser Phase wirkt sehr motivierend, wenn die Gelegenheit geschaffen wird, diese Erfahrungen und Kompetenzen übertragen zu können.

Ansätze, diese Übertragung zu ermöglichen, finden sich im Mentorship, in internen wie externen Expertenzirkeln und -gruppen, Einbindung in die Ausbildung jüngerer Mitarbeiter und anderem. Auch qualifizierungstechnisch bieten sich sehr gute Chancen. Ausbildung zum innerbetrieblichen Coach, Mediator, Moderator, Qualitätsmanager - Aufgaben, bei denen Seniorität sehr positiv zu Buche schlägt. Was können Mitarbeiter und Führungskräfte mit 45Plus zu einer positiven Entwicklung beitragen? Einiges!

Die Bereitschaft, sich auf eine Neuwertung der eigenen Arbeitsperson einzulassen, sich veränderten Leistungskriterien zu stellen, die eigenen Karrierevorstellungen dem altersbezogenen Rahmen anpassen und neu definieren, sich auf ein anderes, auf andere Bewertungen bezogenes Gehaltsgefüge einlassen, sich neuen Aufgaben aufgeschlossen zuwenden, negative Verhaltensmuster und schlechte Angewohnheiten als Ballast hinter sich lassen, sich nicht zum "Berufsjugendlichen" mutieren, Ernährung und der ganz persönliche Umgang mit sich selbst auf Vitalität und Gesundheit ausrichten und die verbliebene Arbeitszeit ganz bewusst und voller Leidenschaft widmen.

Neue Wege gehen

Solange Unternehmen Karriere ausschließlich in einem "Mehr an Personalverantwortung" sehen, verbunden mit immer mehr Gehalt und Statusprivilegien, solange sollten sich Unternehmenslenker nicht wundern, wenn sich Motivationsprobleme in der Schicht erfahrener Mitarbeiter- und Führungskräfte zeigen. Dieses stete Aufstiegsrad verliert, eben bedingt durch die Hierarchiepyramide, rasch an Antriebskraft. Spätestens bei den mittleren Führungskräften angekommen, wird auf dem Übergang zwischen Teamleiterposition und den Abteilungsdirektoren die Luft deutlich dünner und die Beförderungsmöglichkeiten ausgesprochen rar.

Führungskräfte und Unternehmen sind hier gefordert, Karrierealternativen auf anderer Entwicklungsbasis zu schaffen. Zum Beispiel ein funktionierendes Junior-Expert-Senior-Konzept. Wichtig ist auch, die Arbeit von erfahrenen Mitarbeitern neu und anders zu bewerten. Ein hohes Selbstwertgefühl ist für Motivation und Arbeitsleistung enorm wichtig. Hier den Leistungsmaßstab für ältere Mitarbeiter an die gleichen Kriterien anzulehnen, wie an den für Jüngere, ist schlicht falsch. Fehlende oder falsche Leistungskriterien (Leistungsbewertung) finden sich auch in Performance Review-Systemen wieder, die ebenfalls der Überarbeitung bzw. Ergänzung bedürfen.

Die Chancen sind enorm! Anstatt auf einem schwierigen, teilweise sogar leergefegten Arbeitsmarkt sich frustriert umzusehen, sind hier Mitarbeiter und Führungskräfte verfügbar, die das Unternehmen, den Markt, die Kunden sehr gut kennen und die, richtig motiviert und geführt, die Summe vieler erworbener Kompetenzen für den Unternehmenserfolg einsetzen können. Die Gangart mag manchmal ein Tick langsamer sein, dafür bieten erfahrene Mitarbeiter oft mehr Entscheidungssicherheit, den Blick für langfristig sinnvolle Entwicklungen, weniger Wechselwilligkeit und mehr Loyalität zum Unternehmen.

Unternehmen, als Organisation betrachtet, benötigen konsequenter Weise neue bzw. eine Fortschreibung der Konzepte für die Struktur, den Führungsaufbau, die Entlohnungssysteme, Anreize und Incentives, Mitarbeiterbewertung und die Personalentwicklung. Führungskräfte, insbesondere jüngere Führungskräfte mit älteren Mitarbeitern im Team, benötigen das Wissen um die vorgenannten Inhalte und Training in den kommunikativen, führungsmethodischen Werkzeugen, eine von allen Altersgruppen ihrer Teams als positiv, fair und motivierend empfundene Führung mit Leben zu füllen. Der Bedarf ist klar und die Zeit, neue Wege in der Führung zu wagen, ist günstiger denn je. (OE)

Kontakt:

Der Autor Karl Heinz Lorenz ist Diplom Betriebswirt (BA), Managementtrainer, Coach und Inhaber von Lorenz-Seminare Weidenthal/Pfalz. Tel.: 06329.989243, Fax: 06329.989430, E-Mail: khl@lorenz-seminare.de, Internet: www.lorenz-seminare.de