ERP und Finanzbuchhaltung

Firmen wollen ihr Rechnungswesen standortübergreifend steuern

28.07.2008 von Frank Niemann
Wenn Unternehmen eine Software für das Rechnungswesen erwerben, geht es meist darum, Altsysteme zu ersetzen. Vermehrt wollen Betriebe mit den Lösungen die Rechnungsbearbeitung beschleunigen und Niederlassungen mit einem Web-Interface an die Buchhaltung anbinden.

Trotz des Trends zu ERP-Suiten gibt es nach wie vor zahlreiche Firmen, die auf eine eigenständige Rechnungswesensoftware setzen. Dies hat das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Softselect aus Hamburg festgestellt. Solche Unternehmen nutzen oft unterschiedliche Applikationen und möchten ein veraltetes Rechnungswesensystem ersetzen. Bei manchen Firmen sind der Erwerb und die Einführung einer solchen Software Teil eines Konsolidierungsprojekts, das zum Ziel hat, die betriebswirtschaftliche Systemlandschaft zu verschlanken.

ERP-Käufer setzen andere Prioritäten

Anders sieht es aus, wenn ein Unternehmen eine Software für die Warenwirtschaft oder die Fertigungsabwicklung sucht. Hier fällt die Entscheidung dann häufig zugunsten eines ERP-Systems aus, das entsprechende Funktionen mitbringt. Die ERP-Programme verfügen oft über eine fest integrierte Rechnungswesenkomponente, die der Anwender dazubekommt, ohne ihr große strategische Bedeutung beizumessen. Nach den Worten von Michael Gottwald, Chef von Softselect, greift das Argument der ERP-Hersteller, eine komplette Suite würde die Integrationskosten senken, jedoch nicht bei allen Firmen. "Unternehmer denken oft pragmatischer, als es die Werbebrochüren der Hersteller suggerieren", so der Analyst.

Viele Firmen wissen dem Softselect-Chef zufolge jedoch nicht, dass Rechnungswesenprogramme nicht nur zur gesetzlich vorgeschriebenen Buchhaltung taugen. "Firmen verschwenden Geld, weil Rechnungen manuell bearbeitet, uneinheitlich abgelegt und umständlich freigegeben werden", so Gottwald. Neben der weitgehend standardisierten Abwicklung der Finanz- und Anlagenbuchhaltung verfügen immer mehr Systeme über Mechanismen, um Eingangsrechnungen in Papierform elektronisch zu verarbeiten.

Mit diesen Tools könnten vor allem Firmen mit mehreren Standorten viel Geld sparen, indem sie Prozesse schlanker machen. Einmal per Scanner digitalisiert und über Texterkennung inhaltlich erfasst, lassen sich Forderungsbelege am Bildschirm wesentlich leichter auf Plausibilität prüfen, ohne dafür Belege auf die Reise zu schicken. Dazu zählt, die Bestelldaten in der Buchhaltung mit den Rechnungsposten abzugleichen. Nach erfolgter Prüfung kann der Sachbearbeiter einem Vorgesetzten den jeweiligen Vorgang zur Zahlungsanweisung weiterleiten oder - je nach Betrag - die automatische Buchung veranlassen. Gelingt das rasch, können die Firmen zudem die vom Kreditor gewährten Skonti ziehen.

Web-Zugriff auf Belege und Buchungsmasken

Zu den Neuentwicklungen im Rechnungswesen zählt die Software Sharknex von SoftM. Die Abbildung zeigt die Belegansicht

Viele Programme für das Rechnungswesen verfügen darüber hinaus über ein Web-basierendes Rechnungseingangsbuch, so dass von extern auch auf Buchhaltungsinformationen zugegriffen werden kann. Firmen führen diese Funktion für solche Anwender ein, die meist nur bestimmte Aufgaben zu erledigen haben, etwa das Vorkontieren von Rechnungen oder das Prüfen von Belegen. Dies gilt sowohl für Nutzer innerhalb eines Betriebs als auch für solche, die von externen Standorten auf Rechnungsdaten zugreifen sollen. Über den Browser können sich die User sowohl Buchungsinformationen als auch eingescannte Belege anzeigen lassen. Durch die Web-Technik ist weder eine Softwareinstallation und -pflege noch IT-Personal vor Ort erforderlich.

Integriertes Controlling

Nach Angaben von Softselect betonen die Hersteller von Rechnungswesensoftware die Controlling- und Datenanalysefunktionen. Fast alle 60 in der Studie untersuchten Programme verfügen über ein integriertes Controlling. Viele davon sind mittlerweile in der Lage, auch Daten aus vor- und nachgelagerten Applikationen auszuwerten. Vermehrt investiert die Branche darüber hinaus in Simulations-, Vorhersage- und Planungswerkzeuge.

Rechnungslegung nach US-GAAP

Laut Gottwald schätzen Anwenderunternehmen hierbei Analyse- beziehungsweise Planungsfunktionen, die fester Bestandteil des Rechnungswesens sind. Der Grund: Planzahlen lassen sich auf diese Weise einfach in das Rechnungswesensystem zurückspielen. Diesem Trend folgend haben Oracle und SAP die Business-Intelligence-Spezialisten Hyperion beziehungsweise Business Objects gekauft. Beide Konzerne integrieren die Erzeugnisse dieser Anbieter unter anderem in die eigenen ERP- und CRM-Applikationen.

Da Firmen wegen Beteiligungen im Ausland sowie Firmentöchtern in anderen Ländern auch andere Jahresabschlussarten als nur die nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) beherrschen müssen, erweitern einige Softwareanbieter ihre Systeme entsprechend. So haben innerhalb eines Jahres sieben Anbieter ihre Applikationen an US-GAAP angepasst.

Softselect bereitet die diesjährige Auflage der Softtrend-Studie 254 "Rechnungswesensoftware" vor, die im August erscheinen soll.