CRM Experience

Firmen suchen Wege im Social-Media-Netz

29.03.2011 von Martin Bayer
Unternehmen müssen auf die immer stärkere Verbreitung von Social-Media-Netzen reagieren. Das scheint unumstritten. Wie die Reaktion und der Umgang mit sozialen Netzen aussehen sollen, wissen jedoch die Wenigsten.
Firmen suchen Wege im Social-Media-Netz.

Unternehmer klinken sich privat und anonym in Blogs ein, um zu erfahren, was über ihre Firma in sozialen Netzwerken geschrieben wird, und gegebenenfalls die Kommunikation in ihrem Sinne zu steuern. Andere Manager müssen sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sie die Folgen von Gesprächen, die abfällige Kommentare in Foren nach sich ziehen, wieder gerade biegen, da diese in letzter Konsequenz den Börsenkurs beeinflussen und damit über das Schicksal von Konzernen mit zehntausenden Mitarbeitern entscheiden könnten. Währenddessen grübeln die Verantwortlichen in den Marketing-Abteilungen welche Social-Media-Kanäle man wie mit welchen Inhalten bestücken und auswerten sollte, um von den Medien des Web-x.0-Zeitalters zu profitieren. Hat man sich dann zu einer Strategie durchgerungen, sitzen den Social-Media-Aficionados in den Firmen jedoch ständig die Justiziare aus den Rechtsabteilungen im Nacken und verweisen mit erhobenen Zeigefinger auf dicke Gesetzeswerke, deren Paragrafen letztlich rigoros reglementieren, was erlaubt und vor allem was verboten ist - auch wenn es vielfach den Anschein haben mag, dass sich im Gunde kaum einer an diese Regeln hält.

Dieser Schmelztiegel an unterschiedlichsten Aspekten im Social-Media-Umfeld macht indes deutlich, wie unsicher sich die meisten Unternehmen derzeit an dieses Thema herantasten. Das trat einmal mehr auch auf der COMPUTERWOCHE-Veranstaltung CRM-Experience am 24. März in Berlin zutage. Experten, Blogger, Hersteller, Firmenvertreter und Anwender diskutierten, welche Auswirkung Social-Media auf das Marketing und Management von Kundenbeziehungen in Unternehmen haben könnte und wie die Verantwortlichen die Themen rund um Blogs, Facebook und Twitter am besten anpacken sollten.

Social CRM
Kundenservice-Trends
Facebook-Blitzumfrage
Social Media auf der Arbeit
Kontaktkanäle

CRM-Experience geht weiter

Wenn Sie mehr über Social Media und Social CRM erfahren möchten, haben Sie in den kommenden Wochen noch die Gelegenheit, auf den Veranstaltungen der CRM Experience mehr zu erfahren:

  • Karlsruhe, 31. März 2011,

  • Köln, 7. April,

  • Hamburg, 14. April.

Infos: http://cw.idgevents.de

Kontakt: events@idgmedia.de

Theoretisch ermöglicht das Social Web die Chance auf eine neue Qualität des Dialogs mit dem Kunden. Praktisch kann man hier viel falsch machen, vor allem wenn man glaubt, die Ansprache in althergebrachter Weise zentral steuern zu können. Medien wie Facebook, Twitter und andere bieten die Chance, viel über Kunden in Erfahrung zu bringen und mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Auch über Blogs und Wikis besteht die Möglichkeit, sich mit Kunden zu vernetzen. Doch hinter "Social CRM" steckt mehr. Unendliche Mengen an nützlichen Informationen und Daten liegen in den weltweiten Netzen brach. Wie gelingt es, diesen Schatz zu heben? Die "CW Experience CRM", die sich an IT-Manager sowie Vertriebs-, Marketing und Serviceleiter richtet, beschäftigt sich mit diesen Themen.

(Teaserbild: fotolia.com/Phoenixpix)

Social Media stärkt die Marke

Budgets für Social-Media-Aktivitäten sollen steigen.
Foto: Microsoft

In den Vorträgen der Experten wurde schnell klar, dass sich die Unternehmen dem Thema Social Media stellen müssen. Schließlich biete dieses Feld etliches Potenzial, die Beziehung zu Kunden auf eine völlig neue Basis zu stellen. Thomas Wagner, Sales Development Leader CRM von Oracle in Deutschland, berichtet, dass die Unternehmen, die bereits in Social-Media-Aktivitäten investieren, ihre Budgets für diesen Posten in den kommenden Jahren verdreifachen werden. Offenbar scheint es hier positive Erfahrungen zu geben. Mittlerweile investierten Wagner zufolge Unternehmen bereits über fünf Prozent ihrer Marketing-Budgets in Social-Media.

Das Institut für Online Markenführung (i-fom) hat in einer Studie festgestellt, dass Aktivitäten eines Unternehmens im Internet beziehungsweise in Social-Media-Netzen die Marke messbar stärken, erläutert Thomas Völklein, Mitbegründer des i-fom. Dabei hätten gerade auch kleinere Unternehmen die Chance, mit relativ kleinen Mitteln eine große Wirkung zu erzielen. Allerdings müssten die Firmen entsprechende Initiativen mit ihren Mitarbeitern aktiv treiben und vor allem die richtigen Impulse setzen. Es gehe letztlich darum, "Social-Media-Rockstars" in den Unternehmen aufzubauen und diese zum Gesicht der Company in den Netzen zu entwickeln.

"Die Veränderung muss hauptsächlich in den Köpfen stattfinden", sagt Enterprise-2.0-Experte und Gründer des Beratungsunternehmens doubleYUU Willms Buhse, und plädiert deshalb für ein gut vorbereitetes Change Management, wenn sich die Unternehmen auf den Weg in die sozialen Netze machen. Rund 80 Prozent des Know-how in den Firmen liege personengebunden in den Köpfen der Mitarbeiter. Die Firmen müssten sich Buhse zufolge daher unbedingt intern gut vernetzen, um auch nach außen eine gute Vernetzung hinzubekommen. Beispielsweise müssten die Mitarbeiter wissen, an wen sie einen Kunden mit einem Problem weiter verweisen können, sollten sie selbst dazu nicht in der Lage sein, sagt der Social-Media-Experte.

Spielverderber Rechtsabteilung

Wer wacht über die Gesetze im Web?
Foto: (c) Phoenixpix_Fotolia

Darüber hinaus sollten die Verantwortlichen in den Unternehmen darüber Bescheid wissen, welche Informationen über ihre Firma im Netz kursieren, erinnert Buhse. Dabei gelte es vor allem zuzuhören. Der Experte verweist in diesem Zusammenhang auch auf Tools aus dem Bereich Social-Media-Monitoring. Deren Einsatz sei jedoch nicht ganz unproblematisch, mahnt Rechtsanwalt Wolfgang Hackenberg unter dem Verweis auf das deutsche Datenschutzrecht. "Vieles im Netz, das Spaß macht, ist schlichtweg gesetzeswidrig", provoziert der Rechtsexperte in seinem Vortrag, und schiebt die Frage hinterher: "Wer macht eigentlich die Gesetze im Netz: Facebook oder Google?"

Hackenberg will nicht als Spielverderber dastehen, pocht allerdings darauf, dass die Gesetze rund um Datenschutz und dem Schutz von geistigem Eigentum gerade im Netzzeitalter durchaus ihre Berechtigung haben. Schließlich hätten unsere Gesetzeswerke, so dröge sie an mancher Stelle auch sein mögen, in den zurückliegenden Jahrzehnten gut funktioniert. Es könne also nicht alles falsch sein, was sich der Gesetzgeber ausgedacht habe. Jedoch räumt Hackenberg ein, dass angesichts der rasanten Veränderungen durchaus an der einen oder anderen Stelle nachjustiert werden müsste. Beispielsweise griffen Schutzmechanismen zu langsam, wenn es darum gehe, seine Rechte durchzusetzen.

Die Illusion der Kontrolle

Vor allem die Rechtsaspekte im Umfeld von Social Media scheinen vielen Unternehmen zu schaffen zu machen. Was passiert, wenn ein Kunde in einem Forumsbeitrag sehr konkrete Vorschläge macht, wie ein Produkt verbessert werden könne, der Hersteller dies in der nächsten Version umsetzt, und dann plötzlich der Ideengeber darauf pocht, dies sei sein geistiges Eigentum gewesen und Geld fordert, fragt zum Beispiel ein Herstellervertreter. Andere Fragen drehen sich darum, inwieweit Unternehmen den eigenen Mitarbeitern erlauben beziehungsweise diese dazu motivieren sollte, in Social-Media-Netzen für das eigene Unternehmen aktiv zu werden. Vielerorts gibt es offenbar Befürchtungen, an dieser Stelle könnten Informationen nach draußen sickern, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind.

"Von der Illusion, alles kontrollieren zu können, müssen sich Verantwortlichen in den Vorstandsetagen verabschieden", macht Hackenberg unmissverständlich klar. Letztlich bleibe immer ein Risiko. Um dieses zu minimieren, sollten die Firmen ihre Mitarbeiter gut vorbereiten und klare verständliche Richtlinien erlassen, was wer wie veröffentlichen darf. In der Folge gehe es im Grunde um Vertrauen - dass die eigene Mannschaft das verstanden hat und entsprechend beachtet. Hundertprozentige Sicherheit, dass hinterher alles so läuft wie zuvor festgelegt, werde es jedoch nie geben. Aus Sicht Hackenbergs überwiege indes der Nutzen, den Unternehmen aus Social-Media-Aktivitäten ziehen könnten die damit verbundenen Risiken. Allerdings, so beklagt der Rechtsexperte, werde der Aspekt der Schulungen und Vorbereitung unter dem Kostenaspekt in vielen Unternehmen eher stiefmütterlich behandelt.

Persönliche Nähe ist gefragt

Die Entwicklung von Social-Media-Guidelines und Codices, wie sich die Mitarbeiter im Netz verhalten sollten - wie es viele Unternehmen offenbar planen, um nicht die Kontrolle zu verlieren - birgt jedoch auch Gefahren. Aus Sicht von Philipp Riederle, Blogger und Podcaster rund um iPhone- und iPad-Themen, läuft eine derartige Planung und Reglementierung jedoch in gewisser Weise den Grundprinzipien von Social Media zuwider und stellt damit in letzter Konsequenz auch den Erfolg derartiger Initiativen in Frage. Persönliche Nähe und Authentizität seien zentrale Elemente, warum soziale Netze überhaupt funktionieren, berichtet der 16-jährige Netzkenner von den Erwartungen der Digital-Native-Generation. Persönliche Nähe sei der Schlüssel, über den die Unternehmen einen engeren Draht zu ihren Kunden finden könnten. Allerdings dürfe der Rückkanal, den die Firmen in ihrer Kommunikation anbieten, nicht in einer Black-Box enden. "Die Nutzer in sozialen Netzen wollen einen Namen und ein Gesicht." Von Kommunikations- und Marketing-Abteilungen weichgespülte Botschaften dürften vor diesem Hintergrund wenig Anklang im Social-Media-Kosmos finden.