Firmen kritisieren unmotiverte Bewerber

28.10.2005 von Ingrid  Weidner
Die Jobaussichten im IT-Umfeld sind zwar passabel, doch viele Unternehmen zögern, neuen Mitarbeitern eine Festanstellung anzubieten. Über die Gründe diskutierte eine Expertenrunde im Karrierezentrum der COMPUTERWOCHE auf der Systems in München.

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  • wie sich der IT-Arbeitsmarkt in der Region München entwickelt;

  • welche Anforderungen Arbeitgeber stellen;

  • welche Qualifikationen die Bewerber mitbringen müssen.

  • wann Unternehmen kompromissbereit sind.

"Wir haben Jobs und geben sie sogar her", wirbt Frank Mang, Partner beim IT-Beratungsunternehmen Accenture, um neue Mitarbeiter. Outsourcing und Offshoring sieht der Accenture-Mann deshalb als Chance für IT-Experten und weniger als Schreckgespenst. Allerdings habe sich in der vergangenen fünf Jahren das Anforderungsprofil stark verändert: "Reines IT-Wissen allein reicht nicht aus. In der Beratung sind Soft Skills, Flexibilität und Mobilität besonders gefragt." Accenture biete den neuen Mitarbeitern auch keine geregelte 40-Stunden-Woche, hohe Reise- und Lernbereitschaft müssten die Bewerber auf jeden Fall mitbringen. Doch daran hapere es. In den vergangenen Jahren setzten selbst Hochschulabsolventen verstärkt auf Sicherheit. "Behörden gehören inzwischen zu den beliebtesten Arbeitgebern", merkt Mang verwundert an.

Auch Sissi Closs, Gründerin und Chefin von Comet Computer aus München, kritisiert die mangelnde Begeisterungsfähigkeit. Closs unterrichtet an der Fachhochschule in Karlsruhe und kennt deshalb viele Studierende, deren berufsbezogene Gleichgültigkeit sie überrascht. Ein Grund für das geringe Engagement könnte die fehlende Perspektive sein; als Hochschullehrerin erlebt Closs häufig, dass Praktikanten mit Aufgaben betraut werden, für die sonst feste Mitarbeiter beschäftigt werden. Um eine berufliche Chance zu bekommen, müssten Studenten flexibel und eigenständig sein.

"Studenten sind nicht faul; ihnen ist der Sinnbezug in der Arbeit wichtig", widerspricht Walter Spitz von der Münchner Arbeitsagentur dem schlechten Image, das den Hochschülern angeheftet wird. Die bloße Karriere den jungen Leuten nicht so wichtig. Gerade deshalb wirkten sich Nachrichten über Bestechung und persönliche Bereicherung von Managern demotivierend aus. Die Signale am IT-Arbeitsmarkt gäben keinen Anlass zur Entwarnung: "Viele Firmen stellen neue Mitarbeiter nur für Projekte, befristet oder über Zeitarbeitsverträge ein." Kleinere Unternehmen, die Security-Branche, Beratungsfirmen und Call-Center suchen dagegen weiterhin neue Mitarbeiter. Deshalb appelliert Spitz an die Bewerber, Großunternehmen eher zu meiden und sich stattdessen bei kleineren und mittelständischen Firmen umzusehen. Bei der Münchner Arbeitsagentur sind momentan nur 250 freie IT-Jobs gelistet.

Niels Fischer, Personalberater von der Schickler Unternehmensberatung in Hamburg, wird dann beauftragt, wenn Firmen selbst keine geeigneten Bewerber finden können. Neben den Dauerbrennern Vertrieb und Marketing sind im IT-Umfeld vor allem Mitarbeiter mit SAP-orientiertem Wissen gefragt, die beispielsweise für IT-Dienstleister Projekte ausführen. Auch im Online-Geschäft gebe es Engpässe, da Unternehmen verstärkt Prozesse digitalisieren möchten.

"Wer hat die Jobs?" - diese Fragen diskutierten Unternehmensvertreter, Besucher der Systems und Redakteure der COMPUTERWOCHE in München.

Mitarbeiter mit drei bis vier Jahren Berufserfahrung sucht auch Uwe Kloos von der Softlab Group. Der zur BMW Group gehörige IT-Dienstleister hat sich auf das SAP-Umfeld in Banken und Versicherungen spezialisiert. Deshalb sollten Bewerber neben IT-Wissen auch Prozess- und Branchen-Know-how mitbringen sowie soziale und kommunikative Fertigkeiten. "Interessenten müssen zu uns und unserer Unternehmenskultur passen, denn wir wollen die neuen Mitarbeiter langfristig an uns binden", erläutert Kloos seine Recruiting-Strategie. Deshalb seien drei oder vier Gesprächsrunden im Auswahlprozess keine Seltenheit.

Obwohl viele IT-Experten auf der Suche nach einer neuen Stelle sind und manche Firmen dringend Positionen besetzen möchten, finden beide häufig nicht zueinander. Woran liegt das? Gründe dafür gibt es viele; deshalb appelliert Spitz von der Arbeitsagentur München beispielsweise an beide Parteien, kompromissbereit zu sein. "Kaum noch jemand über 50 Jahre findet eine Anstellung, das Alter gilt oft als Ausschlusskriterium", kritisiert er, "doch Lebensalter heißt nicht automatisch mehr Gehalt." Viele Jahre ohne Beschäftigung erschweren den Wiedereinstieg ebenfalls. Spitz empfiehlt Jobsuchenden, über Alternativen wie Freiberuflichkeit oder einen Branchenwechsel nachzudenken.

Perfekte Unterlagen öffnen Türen

Eine gelungene Bewerbung gilt immer noch als Türöffner. Obwohl ständig neue Bewerbungsratgeber in unterschiedlichsten Aufmachungen in die Buchhandlungen kommen und auch fleißig gekauft werden, ignorieren viele Jobsuchenden die Tipps und verschicken schlampig zusammengestellte Mappen. "Wer aussagekräftige und vollständige Unterlagen einreicht und sich viel Mühe gibt, erleichtert dem Personalverantwortlichen die Entscheidung", rät Personalberater Fischer. Unternehmen möchten auch wissen, weshalb sich jemand gerade für sie interessiert. "Uns ist die Begeisterung für unsere Firma wichtig", erklärt Closs.

Brigitte Schaffer, Personalchefin von Soft M in München, legt viel Wert auf aussagekräftige Bewerbungsunterlagen. "Interessenten sollten ihrer Mappe eine Projektaufstellung beilegen", empfiehlt Schaffer, denn Bewerber könnten damit besonders auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse verweisen. Recherchen zum Unternehmen und die aufmerksame Lektüre der Stellenanzeige helfen Jobsuchenden weiter, ihre Unterlagen adressatengerecht vorzubereiten. "Wir sind ein mittelständisches Unternehmen; wer seine Bewerbungsunterlagen komplett in Englisch einreicht, ohne dass wir nach internationalen Erfahrungen gefragt haben, hat unser Marktumfeld nicht verstanden." Schaffer erwartet auch, dass die Ernsthaftigkeit der Bewerbung ersichtlich ist.

"Bewerber sollten einen Bezug zwischen der ausgeschriebenen Stelle und dem eigenen Lebenslauf herstellen", ergänzt Marianne Schmitz-Hofer von Siemens Business Services (SBS): "Jobsuchende sollten mit ihrem Anschreiben klar machen, weshalb sich der Personaler die Unterlagen ansehen soll."

Uneinig waren sich die Diskussionsteilnehmer allerdings darüber, ob es sinnvoll sei, schon vor der schriftlichen Bewerbung Kontakt mit einem Personalverantwortlichen des Unternehmens aufzunehmen. SBS veröffentlicht mit seinen Stellenausschreibungen keine E-Mail-Adressen für Rückfragen. Dafür können Unklarheiten laut Schmitz-Hofer telefonisch geklärt werden, etwa wenn Bewerber an den Tücken des Online-Bewerbungsformulars scheitern.

Fabian Fischer von Beck et al. stören telefonische Rückfragen von Stellensuchenden nicht: "Das signalisiert persönliches Interesse, schließlich will sich der Personaler ein Bild von der Person machen." Beck et al. sucht immer wieder neue Mitarbeiter für den telefonischen Support, die neben Fremdsprachenkenntnissen besonders kommunikativ sein sollten. "IT-Kenntnisse sind lernbar", meint Fischer. Dagegen gebe es wenige Beispiele von unkommunikativen Menschen, die sich plötzlich in kontaktfreudige Mitarbeiter verwandelt hätten.