Finsing: Eine Gemeinde findet Anschluss

28.08.2007
Dank eines öffentlichen WLAN-Netzes sind die Bewohner der Gemeinde Finsing bei Erding nicht mehr an das langsame ISDN gebunden oder auf teure Standleitungen angewiesen.

Verkehrsgünstig zwischen dem Flughafen und München gelegen, wies die Gemeinde Finsing bei Erding lange Zeit einen gewichtigen Standortnachteil auf: Ein schneller und preisgünstiger Internet-Zugang war ein Wunschtraum. Schuld daran, dass es kein DSL gibt und auch in näherer Zukunft nicht geben wird, ist wie in vielen Fällen die Entfernung zum nächsten Hauptverteiler.

Nachdem die ansässigen Geschäfts- und Privatleute die Hoffnung auf Unterstützung durch die Deutsche Telekom endgültig aufgegeben hatten, machten sie sich auf die Suche nach einer Alternative. Federführung an der Realisierung eines regionalen WLAN-Netzes waren letztendlich der örtliche Gewerbeverband und die in Neufinsing ansässige Firma 4Steps Systems, deren Schwerpunkte bis dahin Web-Design, Consulting, Netzwerk-, System- und Projekt-Management waren. In den Genuß des drahtlosen Internet-Zuganges kam zuerst die Firma Messebau-Atelier Damböck, bei der auch das WLAN-Backbone kreiert wurde.

Angesichts der wenigen verfügbaren Alternativen sei die Entscheidung für die Errichtung eines WLAN-Netzes vor zweieinhalb Jahren leichtgefallen, erklärt Geschäftsführer Hannes Bienewitz gegenüber der COMPUTERWOCHE: UMTS sei zwar, wenn auch nicht flächendeckend, im Raum Finsing verfügbar gewesen, wies jedoch keine ausreichende Bandbreite auf und war zudem zu teuer. Gegen "Sky-DSL" sprachen laut Bienewitz neben den hohen Kosten die aufwändige Satellitentechnik und der zusätzliche Rückkanal via ISDN. Wimax wäre den Endkunden wegen des benötigten, kostspieligen und noch nicht zur Verfügung stehenden Equipments und des Bereitstellungspreises ebenfalls zu teuer gekommen. Zusätzlich bezweifelt Bienewitz, dass sich die Technik wegen der hohen Strahlenbelastung und der langen Mindestlaufzeit durchsetzen werde. Zumindest in Bayern versuchten die Gemeinden derzeit, angesichts der anhaltenden Elektrosmog-Diskussion die Stahlenbelastung so niedrig wie möglich zu halten.

Klare Vorteile sprechen für WLAN-Aufbau

Im Gegensatz zu Wimax sei WLAN kostengünstig und verursache mit maximal lediglich 100 Milliwatt so gut wie keine Strahlenbelastung, erläutert der 4Steps-Systems-Gründer die letztendlich getroffene Wahl. Hinzu kam, dass der Dienstleister bereits in verschiedenen Projekten Erfahrungen mit WLAN-Netzen beziehungsweise Richtfunkstrecken gesammelt hatte.

Neun als Bridges ausgeführte Richtfunkstrecken transportieren die Daten drahtlos zu den acht Funkzellen in den verschiedenen Ortsteilen der Gemeinde Finsing. Quelle: 4Steps Systems
Foto: 4steps systems

Basierend auf den genannten Erwägungen plante und realisierte der IT-Dienstleister zusammen mit dem Gewerbeverband Finsing innerhalb von wenigen Monaten ein öffentliches und von der Bundesnetzagentur zertifiziertes WLAN-Netz, auf das zunächst rund 30 Kunden zugriffen. Inzwischen sind es gut 150 Kunden. Beim Aufbau der DSL-Alternative wurde gleich darauf geachtet, dass auch innerhalb der Betriebe und Haushalte mehrere PCs den schnellen Internet-Zugang nutzen können. Möglich ist auch Voice over IP (VoIP), so dass der Telefonanschluss im Prinzip obsolet wird. Angeboten werden Flat- und Volumentarife, die Preise liegen zwischen rund 30 und 70 Euro monatlich, zusätzlich fallen Einmalkosten von rund 90 Euro für Access Point, Indoor- und Outdoor-Antenne sowie Kabel an.

Insgesamt weist das drahtlose Netz einen Radius von rund 15 Kilometer auf. Dazu gehören neun als Bridges ausgeführte Richtfunkstrecken, über die die Daten drahtlos zu den acht WLAN-Funkzellen transportiert werden, die sich in den verschiedenen Ortsteilen befinden. Die Internet-Anbindung bezieht das System aus mehreren ADSL-Leitungen der Telekom.

Open-Source-Programme sparen Kosten im Backbone

Die dem WLAN zugrunde liegende Infrastruktur bezeichnet Bienewitz als eher komplex. Das Backbone befindet sich im Ort Neufinsing und besteht aus zwei Linux-Debian-Systemen. Deren Aufgaben sind in erster Linie die Prüfung des User-LoginsDaten, das Load-Balancing sowie die Absicherung des Netzes durch die Firewalls. Die Home-User-Bereiche sind mit WPA2-Keys verschlüsselt. Dank redundanter Systeme weist das Netz laut 4Steps Systems eine annähernd hundertprozentige Verfügbarkeit auf. Dafür sorgen neben den verschiedenen Tarifmodellen diverse, vor knapp einem Jahr entwickelte Statistikprogramme auf Basis von MySQL und PHP sowie ein Traffic-Shaping-Mechanismus zur Steuerung des Datenflusses. Zur Administration des Netzes nutzen die Betreiber das Open-Source-Tool "Nagios".

Fernwartung via ISDN-Verbindung

Sollte einer der derzeit 24 Access Points ausfallen oder Kapazitätsverluste aufweisen, erfolgt innerhalb von Sekunden zusätzlich eine Benachrichtigung per SMS. Ein ISDN-Zugang ermöglicht zusätzlich den externen Zugang zu allen Funkzellen- und den Bridge-Access-Points sowie zu den Linux-Systemen, etwa für Wartungs- und Administrationszwecke, über das Telefonnetz.

Rückblickend ist 4Steps-Gründer Bienewitz mit dem Projekt sehr zufrieden. Die Infrastruktur des WLANs wurde so ausgelegt, dass der Aufbau und Betrieb bereits ab 30 Teilnehmern möglich war. Inzwischen vermieden 108 Mbit/s-WLAN-Komponenten potenzielle Engpässe und sorgten für einen schnellen Datentransport zwischen Access-Points und Richtfunkgeräten bis hin zur Übergabestelle an die Telekom.

Projektsteckbrief

Projektart: drahtlose Anbindung von räumlich verteilten Nutzern an das DSL-Netz.

Projektbeginn: Anfang 2005.

Stand heute: im laufenden Betrieb.

Produkte: handelsübliche DSL- und WLAN-Router, Richtfunk- und Sektorantennen, Open-Source-Software Nagios, MySQL und PHP.

Dienstleister: 4Steps Systems.

Herausforderung: Aufbau eines redundanten öffentlichen WLAN-Systems mit kostengünstigen Komponenten, Übertragung des DSL-Signals über weite Strecken.

Ergebnis: alternativer Breitbandzugang ins Internet.