FH Wedel: Viel Arbeit, viel Praxis, aber keine Routine-Jobs

14.01.2002 von Holger Eriksdotter
Mehr als 1100 Studenten streben an der privaten Fachhochschule (FH) Wedel in Schleswig-Holstein einen Abschluss als Informatiker oder Ingenieur an. In der Kategorie Praxisbezug hat die Hochschule beim YOUNG-PROFESSIONAL-Ranking der besten Informatik-Hochschulen den ersten Platz belegt.

Die Ausbildung hat ihren Preis: 200 bis 260 Mark monatlich muss jeder Studierende während des mindestens achtsemestrigen Studiums aufbringen. "Gut angelegtes Geld", meint Heiko Faasch, Student der Medieninformatik. Woanders könnte er sein Diplom kostenlos und mit geringerer Anstrengung bekommen. Aber trotz der Arbeitsbelastung, die sich nach seinen Worten mit einer 40-Stunden-Woche kaum bewältigen lässt, hat er an seiner Hochschule fast nichts auszusetzen.

Nele Vogel: "Man arbeitet nicht nur für den Professor, sondern erzielt Ergebnisse, die genutzt werden."

Im Gegenteil: Ausstattung, Betreuung und Hilfestellung durch die Professoren, Lerninhalte und Praxisnähe, bestätigt auch seine Kommilitonin Judith Gentz, könnten kaum besser sein. "Aber das kann man auch erwarten - schließlich zahle ich dafür", so Faasch. Am besten vertreten sind in Wedel die Wirtschaftsinformatiker mit 355 Immatrikulierten, gefolgt von den Medieninformatikern (304), den Wirtschaftsingenieuren (169) den technischen Informatikern (159) und den Studenten der Physikalischen Technik (67).

Berüchtigte Analysis-Vorlesung

Rektor Dirk Harms hat keine Schwierigkeiten damit, dass seine Studenten Überdurchschnittliches einfordern. "Ich betrachte die Studenten als Kunden, die selbstverständlich ein Anrecht auf bestmögliche Studienbedingungen haben", erklärt der Sohn des Hochschulgründers. An seinen berühmt-berüchtigten Vorlesungen in Analysis scheitern etwa 30 Prozent eines Jahrgangs. Wer die Prüfung bis zum Ende des zweiten Semesters nicht erfolgreich wiederholt, wird zwangsweise exmatrikuliert. "Das klingt hart; es ist aber auch für die jungen Leute von Vorteil, wenn sie sich rasch neu orientieren können", erläutert Professor Ulrich Raubach.

Wer diese Hürde genommen hat, den erwartet ein Studium, das neben der breit angelegten theoretischen Ausbildung weit über Praktika hinaus auf die Berufspraxis vorbereitet. Von Vorlesungen und Workshops mit Firmen vertreten bis zur virtuellen Firma, die unter Leitung der FH-Professoren Projekte im Auftrag von Unternehmen organisiert, gibt es unterschiedlichste Modelle der Kooperation.

Arbeiten in virtuellen Firmen

Ulrich Raubach: "Wer nach zwei Semestern weiß, dass er nicht geeignet ist, kann sich leichter umorientieren."

Die Contact etwa, Anbieter von Customer-Relationship-Management-(CRM-)Lösungen investierte sogar eine halbe Million Mark in ein Communication-Center auf dem Campus. Hier entwickeln Studenten in einer Systemumgebung CRM-Programme an realen Aufgaben. Im letzten Semester wurde ein Mathematik-Tutorium entwickelt, das mit Web-Push-Technik über das Internet ein interaktives Bearbeiten von mathematischen Aufgaben ermöglicht - und an der FH auch eingesetzt wird. Neben einem Rückfluss an Forschungs- und Entwicklungsergebnissen erhofft sich Contact qualifizierten Nachwuchs.

Bei aller Affinität des Rektors für die praktische Ausrichtung des Studiums - für anspruchslose Routine-Programmierung sind seine Studenten nicht zu haben: "Die Hochschule gibt in den Projekten die Marschrichtung vor, und wir sehen uns jedes Projekt genau an - als Studienleistung erkennen wir nur an, was den inhaltlichen Anforderungen der Studienordnung entspricht." Klaus Bischoff, Geschäftsführer der Agens Consulting aus dem benachbarten Ellerau schätzt den guten Kontakt zum Lehrpersonal. "Wir arbeiten mit der FH gern in den Bereichen zusammen, die nicht zu unserem Alltagsgeschäft gehören oder für die keine Zeit bleibt".

So hat eine Gruppe von Studenten eine Image-CD für Agens konzipiert und realisiert. Bischoff war von der Begeisterungsfähigkeit und dem unvoreingenommenen Blickwinkel der jungen Leute beeindruckt. Für die Studenten hat die praktische Arbeit einen weiteren Vorteil: Die Unternehmen honorieren die Leistungen mit barem Geld. Vermögen lassen sich allerdings kaum verdienen: "Wenn man sich das mal genau ansieht, kommt für die Studenten vielleicht ein Stundenlohn von vier Mark heraus", rechnet Kolb, Chef der virtuellen Firma, vor.

Zudem sind echte Projekte im Vergleich zu Übungen meist mit deutlicher Mehrarbeit verbunden; trotzdem sind sie bei vielen Studenten beliebter, "weil man das Gefühl hat, nicht nur für sich selbst oder den Professor zu arbeiten, sondern Ergebnisse zu erzielen, die auch wirklich genutzt werden", begründet die angehende Medieninformatikerin Nele Vogel, die an der Agens-CD mitgearbeitet hat. Auch Ernst Reinking, Geschäftsführer der Bit-Serv GmbH, hat nur Gutes zu berichten: Eine Gruppe von 20 Studenten erstellte eine Internet-Präsentation mit E-Commerce-Anwendung für sein Unternehmen. Diese wurde nicht nur vom Land Niedersachsen als "innovativste Website" mit einem Preisgeld von 7500 Mark prämiert, auch stachen die Studenten bei der Ausschreibung drei renommierte Agenturen aus, die sich selbst zu den Großen der Branche zählen.

Über eine von den Studenten gegründete GbR war es für Reinking selbstverständlich, die Projektmitarbeiter mit einem "leistungsgerechten" Honorar zu entlohnen. Die meisten Partner aus der Wirtschaft sind Mitglieder des Unternehmensforums, auf der Internet-Plattform bieten Firmen Jobs, Praktika oder Diplomarbeitsthemen an und die Studenten präsentieren ihr Profil im Netz. Auf diese Informationen haben nur die Mitgliedsfirmen des Forums Zugriff - und den lassen sie sich einen jährlichen Förderbeitrag von 1000 Mark kosten.

Für Wirtschaftsingenieure ist ein Auslandssemester obligatorisch. Sie können zwischen 15 Partnerhochschulen in sieben Ländern wählen. Aber auch andere Studenten entscheiden sich oft dafür. Wer zwei Semester bleibt, kann an vielen Partneruniversitäten einen weiteren Abschluss wie Master of Business Administration (MBA) oder Master of Computer-Science (MCS) erwerben. Letzteren bietet seit 2000 auch die FH-Wedel als postgraduierten Studiengang an.

Studenten überflügeln Agenturen

Rektor Harms freut sich, seinen Studenten mit dem MCS-Studiengang ein attraktives Angebot machen zu können: "Wir leben von unserer Reputation. Schon jetzt kommen im Bereich Medieninformatik drei Bewerber auf einen Studienplatz. Von allen FH-Absolventen des Landes Schleswig-Holstein bekommen die Wedeler Wirtschaftsinformatiker die höchsten Gehälter.