Knappe Entscheidung

FCC (Federal Communications Commission) kassiert Netzneutralität

15.12.2017 von Peter Müller
Entgegen starker Proteste und flammender Appelle hat die US-Behörde ihre Regulierung aufgegeben. Provider müssen nun nicht mehr jedes Datenpaket gleich behandeln. Das hat Folgen.

Das Ende des Internets, so wie wir es kennen, scheint gekommen. Die US-Fernmeldebehörde Federal Communications Commission (FCC) hat gestern das Ende der Netzneutralität beschlossen. Das Votum war mit drei zu zwei Stimmen im entscheidenden Gremium knapp ausgefallen, damit entfällt für Internetprovider aber die erst 2015 beschlossene Verpflichtung, alle Datenpakete gleich zu behandeln. Das hat bisher bedeutet, dass sie weder für schnellere Übertragung bestimmter Datenpakete wie etwa solchen von Netflix höhere Gebühren verlangen konnten, noch, dass sie den Zugriff etwa auf Youtube limitieren konnten.

Mit dem Wegfall der Netzneutralität entfällt die Verpflichtung für Internet-Provider, (fast) alle Datenpakete gleich zu behandeln.
Foto: chombosan/Shutterstock.com

Ausnahmen hatte es nur für medizinische Daten oder öffentliche Sicherheitskommunikation gegeben, derartige Daten durften bevorzugt behandelt und schneller zugestellt werden, solange dies im öffentlichen Interesse war. Konkret stuft die FCC nun Mobilfunk-, Kabel- und Festnetzprovider wieder als Informationsdienste ein und nicht mehr als Telekommunikationsanbieter. Bei der Regulierung sind bei diesen Grenzen gesetzt. Zuständig ist nun die Federal Trade Commission (FTC), doch gegen diese könnte im kommenden Jahr ein von AT&T angestrengtes Urteil ergehen. Dann wäre keinerlei Regulierung mehr möglich.

Die Aussichten: Binge-Watching wird teurer und die Auswahl geringer

Die Entscheidung dürfte gewaltige Folgen haben, Provider könnten nun auch im Festnetz Limits für die Nutzung setzen und etwa den Kunden von Videostreamingservices Extragebühren berechnen, wenn sie große Datenmengen abrufen. Insgesamt dürfte die Nutzung des Internet wieder teurer werden und der Zugang zu essentiellen Informationen schwieriger – letztendlich beschneidet das Ende der Netzneutralität die Informationsfreiheit.

Bevor jedoch Klagen gegen die FCC-Entscheidung nicht letztinstanzlich verhandelt sind, dürften Provider ihre Tarife wohl noch nicht anpassen. Mit einer Galgenfrist von einem Jahr rechnen Experten laut Süddeutscher Zeitung. Die Klagen dürften indes wenig Chancen haben, hat das Oberste Gericht doch bereits in einem Grundsatzurteil entschieden, dass die FCC alleine über die Einstufung von Diensten und Unternehmen entscheiden und damit Regulierungsgewalt abgeben darf. Allenfalls wenn den Klägern der Nachweis gelänge, dass das Ende der Netzneutralität Grundrechte verletze, bestünden Chancen.

Die Sorgen, dass der Zugang zum Internet und somit zu freien Informationen teurer werde, teilen aber nicht alle. Gegenüber der SZ erklärt der Wissenschaftler Danny Kimball vom Goucher College in Baltimore, dass vor allem Streamingdienste wie Netflix, Amazon, Hulu und Apple für die bevorzugte Behandlung ihrer Datenpakete an die Provider zahlen müssten. Nicht der Provider selbst, sondern die darüber verteilten Dienste würden teurer, da diese ihre Mehrkosten an ihre Kunden weiter gäben.

Im Falle von Streitigkeiten über Gebühren wären die Provider aber auch in der Lage, Anbieter solange in ihren Netzen zu sperren, bis diese auf alle Forderungen eingingen. Viele Provider wiederum sind selbst auch im Inhalte-Geschäft tätig und könnten ihre eigenen Dienste bevorzugen und die anderer Anbieter verzögert oder in schlechterer Qualität ausliefern.

Die FCC gerät aber auch in die Kritik, da sie zu diesem Thema keinerlei öffentliche Anhörungen veranstaltete. Umfragen zufolge sind 83 Prozent der US-Bürger gegen die Aufhebung der Netzneutralität, was die Regierungsbehörde aber anscheinend in keinster Weise anficht. Je nach Parteizugehörigkeit des Präsidenten scheint die FCC mal in die eine mal in die anderer Richtung zu schwanken, eine gesetzliche Regelung durch den Kongress scheint im tief zerstrittenen Washington extrem unwahrscheinlich.

Noch keine Folgen für Deutschland - aber interessante Aussichten

Für Deutschland hat die Entscheidung der FCC erst einmal keine Auswirkung, Kunden der Streamingservices von Netflix und Apple könnten aber durchaus in etwa einem Jahr die Preiserhöhungen mittragen müssen. Vor wenigen Jahren hatte die Deutsche Telekom bereits laut darüber nachgedacht, auch im Festnetz die Geschwindigkeit zu drosseln, sobald ein vereinbartes monatliches Datenvolumen überschritten ist. Diese "Drosselcom"-Pläne hat das einstige Staatsunternehmen zunächst aber nicht mehr weiter verfolgt. Die Aussichten, das eigene Entertain-Angebot bevorzugt an die Kunden ausliefern zu können und andere TV- und Streaminganbieter blockieren zu dürfen, sind in Bonn aber vielleicht nicht so ungern gesehen. (Macwelt)