FBI-Software mit ungewisser Zukunft

04.02.2005

Robert Mueller musste sich Einiges anhören: Am gestrigen Donnerstag hatte der FBI-Direktor eine Anhörung vor dem Justizministerium zu bestehen, das ihn zu den bereits kolportierten Problemen mit der Softwareapplikation "Virtual Case File" befragte. Das Programm soll den Agenten der US-Polizeibehörde helfen, Informationen ohne Zeitverzögerungen miteinander zu teilen. Doch das von Science Applications International Corp. (SAIC) in San Diego entwickelte System funktioniert derzeit nur in einer abgespeckten Testversion.

In einem offziellen Report warf Glenn Fine, Generalinspektor des Justizministeriums, dem FBI-Direktor planerische Defizite und Management-Schwächen vor. "Nach mehr als drei Jahren, vielfach verfehlten Deadlines und einem Preisschild, das 170 Millionen Dollar ausweist, hat das FBI immer noch kein System für das Management der Untersuchungsfälle, das den antiquierten Vorgänger ersetzen könnte." Schlimmer noch: "Wir sind keineswegs überzeugt, dass das FBI eine valide Vorstellung davon hätte, wieviel Zeit und Geld noch notwendig sind, um ein brauchbares System zu entwickeln und zu implementieren."

Das FBI arbeitet nach wie vor mit einem technisch veralteten Case-Filing-System, das, so Fine, den Agenten bei ihrer Arbeit Stein über Stein in den Weg lege. Letztlich bedeuteten die Projektverzögerungen also ein Risiko für die nationale Sicherheit.

Mueller bedauerte die Verzögerungen, schickte jedoch hinterher, dass die Behörde substanzielle IT-Verbesserungen gemacht habe, die ihr bei der Erfüllung ihrer Antiterror-Mission helfen würden. Nach seiner Darstellung hat die technische Innovation die ursprünglichen Pläne für Virtual Case File schlicht überrollt. Hinsichtlich des Zeit- und Kostenplans bat er um Aufschub: Der Prototyp werde derzeit im FBI-Büro New Orleans getestet. In zwei Monaten lasse sich der verbleibenden Aufwand besser abschätzen. Möglicherweise sei das System ja derart unbrauchbar, dass es völlig neu gebaut werden müsse.

Darin steckt auch ein Vorwurf an die Adresse des Softwareanbieters, den dieser nicht auf sich sitzen lassen wollte. So reichte Mark Hughes, President der System and Network Solutions Group bei SAIC, den Schwarzen Peter zurück an das FBI: Die Probleme seien dadurch verursacht worden, dass die Behörde nachträgliche Design-Änderungen haben wollte. Das Programm jetzt vollends zu knicken sei unklug, ergänzte er: "Wenn sie das System nicht implementiert und statt dessen ein neues entwickelt, wird sie mindestens noch drei Jahre warten müssen, bevor ihre Agenten dessen Funktionen nutzen können."

Virtual Case File sollte das Tüpfelchen auf dem i des "Trilogy"-Projekts sein. Auf diesen Namen hatte das FBI die Neugestaltung seiner gesamten IT-Umgebung getauft. Die beiden anderen, erfolgreich abgeschlossenen, Teile des Projekts betrafen den Aufbau eines sicheren Hochgeschwindigkeitsnetzes und den Austausch von 30 000 Desktop-Sytemen. Unvollendet abgeschrieben (Computerwoche online berichtete) wurde hingegen das Vorhaben eines E-Mail-Schnüffelprogramms mit der Bezeichnung "Carnivore" (qua).