Innovation nicht definiert

Falsche Erwartungen an IT-Outsourcing

10.01.2012 von Holger Eriksdotter
Nur die wenigsten Unternehmen prüfen, wie der Outsourcing-Dienstleister zur Innovation ihrer IT beiträgt, wie eine Studie der Warwick Business School zeigt.
Foto: April Cat, Fotolia.de

Outsourcing ist nach wie vor ein wachsender Markt. Kaum ein größeres Unternehmen, das nicht mehr oder minder große Teile der IT an Dienstleister ausgelagert hat. In aller Regel, nach den Erfahrungen einiger Jahrzehnte, laufen die Outsourcing-Partnerschaften weitgehend reibungsfrei. Allerdings nehmen die Erwartungen auf Seiten der Kunden zu: Es geht nicht mehr nur darum, dass die Outsourcing-Provider die IT oder einzelne Systeme betreiben, sondern zunehmend erwarten die Auftraggeber auch, dass der Dienstleister neue technologische Entwicklungen aufnimmt und in die laufenden IT-Systeme integriert.

„Die Outsourcing-Industrie stellt das vor neue Herausforderungen“, schreiben die Studienautoren Ilan Oshri, Associate Fellow, und Julia Kotlarsky, Associate Professor an der Warwick Business School . Im Auftrag des Outsourcing-Dienstleisters Cognizant haben sie in der Studie „Innovation in Outsourcing: A Study on Client Expectations and Commitment” die Beziehung zwischen Outsourcing-Providern und -Kunden untersucht.

Erfolgsstrategien beim Outsourcing-Vertrag
Erfolgsstrategien beim Outsourcing-Vertrag
Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Cloud-Lösungen gewinnt Outsourcing wieder an Bedeutung. Die Verhandlung entsprechender Verträge ist eine Herausforderung für Anbieter und Anwender. Beide Seiten müssen genau wissen, was sie voneinander wollen.
1. Die Ausschreibung
Der Ausschreibungsprozess legt den Grundstein für den Erfolg eines Outsourcing-Projekts. Wer IT-Leistungen auslagern will, muss zuerst die fachlichen Anforderungen definieren und in der Ausschreibung wiedergeben, also ein Lastenheft erstellen. Die Projektverantwortlichen sollten sich fragen, welche Leistungen aus technischer, prozessökonomischer und wirtschaftlicher Sicht extern bezogen werden sollen, um betriebliche Prozesse zu beschleunigen, deren Qualität zu verbessern oder sie ökonomischer zu gestalten.
2. Die Vergabe
Die Auswahl des richtigen Anbieters kann vor allem in Cloud-Projekten mit vielschichtigen unternehmerischen Anforderungen komplex sein. Häufig ist ein Anbieter allein nicht in der Lage, alle IT-Leistungen zu erbringen und wird Dienstleistungen eines oder mehrerer Subunternehmer hinzukaufen, zum Beispiel für die Bereitstellung der IT-Infrastruktur. Der Auftraggeber sollte unbedingt die Erfüllung des Lastenheftes durch die Unterauftragnehmer abfragen und das Ergebnis in seine Vergabeentscheidung einbeziehen.
3. Die Leistungsbeschreibung
Der zentrale Inhalt des Outsourcing-Vertrags ist die Leistungsbeschreibung. Sie muss so konkret wie möglich formuliert sein, denn der Detaillierungsgrad entscheidet maßgeblich über den Erfolg des Projekts. Je nachdem, ob der Auftraggeber nur eine bestimmte Anwendung oder beispielsweise eine gesamte IT-Infrastruktur beziehen will, sehen die Anforderungen an die Leistungsbeschreibung unterschiedlich aus. Die Art der Leistung entscheidet außerdem über den Vertragstyp ( Werkvertrag, Dienstvertrag, Miete) sowie über das anwendbare Gesetzesrecht.
4. Service-Level-Agreements
Die Service-Level-Vereinbarung definiert die Leistung über qualitative und quantitative Leistungskriterien, auch KPIs genannt (Key Performance Indicators). Sie sieht Verfahren vor, mit denen sich prüfen lässt, ob die Service-Levels erfüllt sind. Zudem regelt sie die Folgen der Nichterfüllung. Jedem Auftraggeber dürfte daran gelegen sein, die ausgelagerte Leistung wie vereinbart zu erhalten. Nicht- oder Schlechterfüllung sollte die Ausnahme sein. Kommt es aber doch zu einer mangelhaften Leistung, so ist es aus Sicht des Auftraggebers wichtig, dass er sich vom Vertrag ganz oder teilweise lösen kann, um die Leistung selbst zu erbringen oder einen anderen Service-Provider zu beauftragen.
5. Vergütung
Vergütungsmodell und Leistung müssen aufeinander abgestimmt sein. Für Cloud-Verträge kommen insbesondere Fixpreis (feste Zahlung pro Abrechnungseinheit) und "Pay-per-Use" (Zahlung für die abgerufene Leistung) in Betracht. Sie lassen sich auch unternehmensspezifisch kombinieren. Allgemein gilt: Je länger die Laufzeit eines Projekts, desto flexibler die Vergütungsregelungen.
6. Benchmarking
In Verträgen über langfristige Outsourcing-Projekte darf die Benchmarking-Klausel nicht fehlen. Der Begriff Benchmarking bezeichnet hier ein standardisiertes Verfahren zur Überprüfung und Anpassung des Vertrags während seiner Laufzeit. Auf diese Weise lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit der vereinbarten Leistung im Verhältnis zur Vergütung über einen längeren Zeitraum sicherstellen.
7. Haftung
Die Haftung ist meist der kritischste und sensibelste Punkt in der Verhandlung eines IT-Outsourcing-Vertrags. Hier ist Fingerspitzengefühl gefordert. Der Outscourcing-Provider will sein unternehmerisches Risiko minimieren und wird deshalb regelmäßig darauf drängen, Beschränkungen oder gar Ausschlüsse der Haftung im Outsourcing-Vertrag durchzusetzen. Die Interessen des beauftragenden Unternehmens sind entgegengesetzt. Das Verhandlungsziel sollte also ein interessengerechtes Haftungsregime sein, das für beiden Seiten akzeptable Haftungsbeschränkungen vorsieht.
8. Nutzungsrechte und Schutz des geistiges Eigentums
Der Outsourcing-Vertrag sollte die bestehenden geistigen Eigentumsrechte (Urheberrechte, Markenrechte, Patente etc.) vor unbeabsichtigter Übertragung schützen. Die Vertragsparteien müssen demzufolge sicherstellen, dass die gegenseitig eingeräumten Rechte nicht über das zur Vertragserfüllung erforderliche Maß hinausgehen. Gleichzeitig ist es notwendig, gewisse Nutzungsrechte einzuräumen, ohne die eine Vertragserfüllung nicht möglich ist. Wichtig sind hier insbesondere Nutzungsrechte an Software.
9. Exit-Management
Eine gute Planung berücksichtigt bereits zu Beginn eines Projektes dessen Ende. Gerade im Zusammenhang mit Cloud-Services ist es unverzichtbar, Rechte und Pflichten der Parteien im Fall einer Vertragsbeendigung - sei es durch Zeitablauf oder Kündigung - detailliert zu regeln. Um dem auslagernden Unternehmen eine reibungslose Übertragung der Leistungen auf einen anderen Anbieter oder eine Rückführung in den eigenen Betrieb zu ermöglichen, muss der Provider Unterstützung erbringen.

Gute Partnerschaft reicht nicht

„Während der Wert von Innovation innerhalb von Unternehmen seit Jahrzehnten bekannt und Gegenstand der Forschung ist, ist es im Kontext Outsourcing-Beziehungen ein relativ neues Thema.“ Die Frage, was Innovation beim Outsourcing eigentlich bedeutet, was eine innovative Outsourcing-Vereinbarungen ausmacht oder voraussetzt und was der Auftragnehmer zu unternehmen bereit ist, um den Erfolg von Innovation sicherzustellen, sei noch weitgehend ungeklärt. „Die Definition einer innovativen Outsourcing-Beziehung steht noch aus“, schreiben die Hochschullehrer.

Die meisten Kunden wünschen sich, dass durch Outsourcing interne Ressourcen für höherwertige Tätigkeiten freigesetzt werden.
Foto: Warwick Business School/Cognizant

Sicher ist, so die Studienautoren, dass der simple und oft beschworene Ansatz, dass allein eine enge und vertrauensvolle Beziehung zwischen Auftraggeber und -nehmer schon Garant für eine erfolgreiche Innovationspartnerschaft sei, wichtige Aspekte außer Acht lasse. Unbedingt müsse die Art der Innovation – inkrementell oder radikal – ins Kalkül gezogen werden, ebenso wie das eingesetzte Sourcing-Modell. Beides habe entscheidenden Einfluss auf die Innovationsfähigkeit und werde in aktuellen Studien kaum berücksichtigt.

Ebenso sicher ist nach Einschätzung der Studienautoren aber auch, dass die Unternehmen nicht genug unternähmen, um überhaupt den Erfolg einer auf Innovation ausgelegten Outsourcing-Partnerschaft zu überprüfen. Eine ebenfalls von der Warwick Business School durchgeführte Untersuchung aus diesem Jahr habe gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der Befragten nicht in der Lage waren, den in Kooperationen mit Partnern erreichten ROI zu messen. Dieses Ergebnis erstaunt besonders vor dem Hintergrund, dass für Unternehmen die Innovationsfähigkeit des Outsourcers zu den wichtigsten Kriterien bei der Auswahl des Anbieters gehört – und dass Innovationen sich nach Ansicht der Befragten direkt auf den finanziellen Erfolg ihres Unternehmens auswirken.

Innovation mit Joint Ventures

Die Kunden erwarten, dass ihr Outsoucing-Engangement zu verbesserten Prozessen führt.
Foto: Warwick Business School/Cognizant

Die Mehrzahl der Studienteilnehmer erwartet vom Outsourcing-Provider, dass dieser Ideen entwickelt und diese in verbesserte Prozesse umsetzt (56 Prozent), die eingesetzten IT-Produkte anpasst oder optimiert oder dabei Hilfestellung leistet. „Offenbar erwarten die Kunden von ihrem Anbieter, dass er sie in innovativer Weise beim Erreichen ihrer operationalen und strategischen Ziele unterstützt“, schreiben die Hochschullehrer.

Dabei herrscht auch auf Seiten der Auftraggeber eine gewisse Unklarheit darüber, in welcher Weise sich Innovation in einer Outsourcing-Partnerschaft realisieren sollte. So waren beispielsweise zwei Drittel der Befragten der Ansicht, dass der Outsourcing-Dienstleister vor allem dazu dienen sollte, die eigene IT-Abteilung zu entlasten um so Kapazitäten für höherwertige Aufgaben – wie etwa IT-Innovationen - freizumachen. Darin schwingt die Einschätzung mit, dass Innovation als Kernkompetenz gesehen wird und deshalb im eigenen Hause verbleiben sollte.

Die schlimmsten Lizenz-Bedingungen
Die schlimmsten Lizenz-Bedingungen
Den IT-Anwendern stinkt so manche Lizenz-Bedingung. Von Vertragsänderungen bis zur Katze im Sack. Diese fünf Lizenz-Bedingungen stoßen den Kunden besonders auf.
Lizenz-Bedingungen 1: Spielregeln
Wenn der Anbieter nach Gutdünken seine Spielregeln ändern kann, halten 89 Prozent für unfair. So sind viele Firmen klammheimlich dazu übergangen, Gebühren nicht nach Prozessoren, sondern nach Kernen zu berechnen - ohne dies im Vertrag festzuhalten. Forrester kann die Unzufriedenheit gut nachvollziehen. "Welchen Sinn hat ein Vertrag, wenn eine der Parteien zentrale Bedingungen jederzeit ändern kann."
Lizenz-Bedingungen 2: Upgrades
Über Upgrades, die als komplett neues Produkt verkauft werden, regeln sich ebenfalls 89 Prozent auf - wenn man also zusätzlich löhnen muss, um in den kompletten Genuss eines Upgrades zu kommen. Doch dieses Ärgernis sollte bald der Vergangenheit angehören, meint Forrester. Der Trend zu Cloud und SaaS zwinge Anbieter dazu, ihre Produkte ständig zu verbessern - ohne extra dafür zu kassieren. Ansonsten rennen ihnen die Kunden weg.
Lizenz-Bedingungen 3: Support
Dass der Support teurer wird, wenn man sich von überflüssigen Lizenzen trennt, sehen 91 Prozent als unfair an. Bisher leiste sich dies nur Oracle, sagt Forrester - und sieht es ebenso wenig ein. "Wir sehen keine Rechtfertigung dafür, Kunden Support für Software in Rechnung zu stellen, die sie gar nicht nutzen." So manche Firma habe Oracle-Programme in den Regalen, weil sie dem Katalog oft nur schwer entnehmen könnten, welche Lösung für ihre Anforderungen die richtigen sind.
Lizenz-Bedingungen 4: Preisgestaltung
Für alle Prozessoren eines Servers zu zahlen, der partitioniert ist, stinkt 86 Prozent. Zwar sei es schon gerecht, sagt Forrester, man den Prozessor als für die Preisgestaltung heranzieht - weil er als sinnvoller Richtwert für den Wert dienen kann, den der Kunde aus der vom Prozessor ermöglichten Leistung ziehen kann.
Lizenz-Bedingungen 5: Pakete
Von Anbietern, die auf den Kauf aller Lizenzen vor der Implementierung bestehen, fühlen sich 90 Prozent über den Tisch gezogen. So haben manche Forrester sich auf Drei-Jahres-Verträge eingelassen, und stehen nun vor Regalen voller Millionen von ungenutzten Dollar, weil sie einfach nicht so viel User haben wie gedacht.

Von Innovationen steht in Verträgen wenig

Vom Standpunkt der Vertragsgestaltung hatten nur etwa die Hälfte der Unternehmen Vertragsklauseln festgelegt, die bei gelungenen Innovationen eine Kompensation für den Outsourcing-Anbieter vorsah. 78 Prozent der Kunden hatten Festpreise vereinbart, nur 42 Prozent hatten Verträge nach Aufwand („time and material“) abgeschlossen und 21 Prozent waren Joint-Ventures mit einer Klausel für die Aufteilung des Innovationsertrages („profit sharing clause“).

Folgende Kernthesen haben die Autoren aus der Studie abgeleitet:

Die Mehrheit der Unternehmen prüft nicht, ob und in welchem Maße das Outsourcing zu Innovationen beiträgt.
Foto: Warwick Business School/Cognizant

Basierend auf den Ergebnissen der Studie hat die Warwick Business Scholl ein sechsstufiges Modell („Innovation Ladder Framework“) entwickelt, dass IT-Entscheidern einen stufenweisen Einstieg in ein Innovations-Outsourcing ermöglichen soll. Nach den Worten der Studienautoren ist das Modell insofern einzigartig, als es mit den üblicherweise verwendeten Outsourcing-Lifecycle-Modellen übereinstimmt.

6-Stufenmodell zur Erfolgskontrolle

Wichtigste Aspekte des Stufenmodells sind die Definition von geeigneten Kriterien, mit denen sich der Erfolg von Innovationen beurteilen sowie die Installation von geeigneten Messverfahren, die Überprüfung des Dienstleisters auf seine Innovationskraft sowie Vertragsklauseln, die für den Provider Anreize enthalten, Innovationen zu realisieren. Die gesamte Studie mit dem 6-Stufenmodell steht (in englischer Sprache) gegen Registrierung unter diesem Link http://valueofinnovation.com zum Download zur Verfügung.

Für die Studie wurden 250 CIOs und CFOs europäischer Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 500 Millionen Euro befragt. Dabei lag bei der Hälfte der Umfrageteilnehmer der Umsatz über einer Milliarde Euro. Dabei waren alle Branchen vertreten, 50 Prozent der Befragten hatten ihren Hauptsitz in England, die andere Hälfte aus Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Holland, Luxemburg, Schweden und der Schweiz.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO. (mhr)