Karriere im agilen Unternehmen

Fachlaufbahn eröffnet neue Chancen

03.02.2012 von Dolores Omann
Bei der Einführung von Scrum geraten traditionelle Vorstellungen von Karriere ins Wanken. André Häusling und Boris Gloger zeigen in ihrem Buch über Scrum und Personal-Management, wie Karriere in agilen Unternehmen ausschauen kann.

Eine der größten Unsicherheiten bei der Einführung von Scrum ist die Frage: "Kann man in einem Scrum-Umfeld überhaupt noch Karriere machen?" Da es Rollen statt Positionen gibt, verlieren Team- und Projektleiter im übertragenen Sinne zunächst ihre Jobs. Daher befürchten viele Mitarbeiter, dass sich Karrierepläne mit Scrum nicht mehr realisieren lassen. "Die Verhaftung im hierarchischen Statusdenken ist oft sehr stark", sagt André Häusling, Geschäftsführer der Personalberatung Scrumjobs. "Man meint an tollen Titeln ablesen zu können, wie weit man es auf der Karriereleiter und im Leben schon geschafft hat." Der Aufstiegswunsch entspringt dem Wunsch nach Anerkennung, daher darf das Thema in agilen Unternehmen nicht ignoriert werden. Auch wenn solche Fragen vom Scrum-Mindset her nicht im Vordergrund stehen.

Nicht die besten Mitarbeiter nach oben wegloben

André Häusling, Scrumjobs: "Gerade junge Leute wollen sich am üblichen Erklimmen der Karriereleiter nicht mehr beteiligen."

Wie kann Karriere im agilen Unternehmen aussehen, wenn die alten Konzepte der Personalentwicklung nicht mehr passen? In Unternehmen gibt es immer eine Führungslaufbahn. Will man sich als Fachexperte, Entwickler, Teammitglied, Scrum Master oder Product Owner weiterentwickeln, geht das nur über den Weg der zusätzlichen disziplinarischen Führungsverantwortung. Man ist zunächst Entwickler, dann Senior Developer, danach Teamleiter Entwicklung und schließlich Bereichsleiter Entwicklung. Häusling sieht diesen Karriereweg kritisch: " Es sind immer die besten Fachkräfte, die nach oben gelobt werden. Egal, ob sie für diese Führungsposition geeignet sind oder nicht, ob sie es wollen oder nicht. Damit entzieht sich ein Unternehmen selbst die Kompetenzen." Der zur Führungskraft aufgestiegene Mitarbeiter könne sein fachliches Know-how nicht mehr einsetzen. Gerade in einem agilen Unternehmen, in dem die Produktentwicklung stark im Vordergrund steht, sei das nur begrenzt sinnvoll.

Boris Gloger/André Häusling: Erfolgreich mit Scrum. Hanser 2011.
Foto: Hanser Verlag

Neue Karrieremodelle in einer agilen Organisation sind in den Augen der Buchautoren Häusling und Boris Gloger ("Erfolgreich mit Scrum - Einflussfaktor Personalmanagement, Hanser Verlag 2011) noch aus drei anderen Gründen notwendig:

Fachlaufbahn als Alternative

Laut Boris Gloger erhöht ein Unternehmen seine Attraktivität, wenn auch Fachkarrieren angeboten werden.
Foto: Privat

Häusling und Gloger plädieren dafür, eine Fach- oder Expertenlaufbahn anzubieten: "Karriere zu machen bedeutet in dem Zusammenhang, das tun zu können, was man gern tut, dabei für den nächsten Karriereschritt auch eine entsprechend höhere Vergütung zu bekommen und auch Anerkennung durch Titel." Durch eine Expertenlaufbahn erhöhe ein Unternehmen auch seine Attraktivität als Arbeitgeber, senke die Fluktuation, da er neue Perspektiven für Mitarbeiter anbietet und mache die Karriereplanung transparenter. Das Hauptkriterium für eine Fachkarriere sei nicht die Betriebszugehörigkeit, sondern die Kompetenz. Dazu Häusling: "Der Mitarbeiter wird nun daran gemessen, welches Ausmaß an Verantwortung ihm zuerkannt wird. Beim Scrum Master kann das zum Beispiel zunächst die Verantwortung für ein kleines, vielleicht schon sehr reifes Team sein oder Verantwortung für mehrere Teams oder Verantwortung für die Scrum Master Community. "

Eine Expertenlaufbahn sollte in ein unternehmensweites Karrieremodell eingebettet sein. Grundlage für agile Karrieremodelle sind Rollen, die verschiedene Kompetenzradien haben und daher auch unterschiedliche Kompetenzen der Mitarbeiter erfordern. Für die Unterscheidung der Rollen ist es notwendig, Differenzierungsmerkmale wie fachliche, methodische, soziale oder persönliche Kompetenzen festzulegen.

Erfolgsfaktoren von Karrieremodellen

Eine Fachkarriere sollte mit entsprechenden Titeln und höherer Vergütung verbunden sein.
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André Häusling rät, Führungskräfte und Mitarbeiter an der Einführung eines Karrieremodells zu beteiligen, etwa durch Mitarbeitergespräche. Aus diesen sollten sie mit einer klaren Perspektive herausgehen. " Laufendes Feedback und Evaluationen nach der Einführung machen das Instrument besser. Mitarbeiter wie Führungskräfte sollten gefragt werden, wie hilfreich das Modell ist", schließt André Häusling.