Business Intelligence

Fachbereiche fürchten den Verlust der Kontrolle über ihre Daten

17.03.2011 von Thomas Pelkmann
Schon lange ermitteln Firmenabteilungen erfolgreich Kennzahlen und Prognosen aus ihren Geschäftsdaten. Nun sollen sie das auch unternehmensweit tun, raten die Experten. Das aber ruft bei den Fachbereichen Ängste vor dem Verlust der Kontrolle über ihre Daten hervor.
Foto: MEV Verlag

Zwar ist der aktuelle Stand der Dinge bei BI nicht direkt unerfreulich, doch hinsichtlich der nachhaltigen Organisation von BI gibt es offenbar noch viel zu diskutieren. Wie die BI-Spezialisten des Business Application Research Center (BARC) erst vor wenigen Wochen in einer Umfrage unter rund 400 Unternehmen aus Westeuropa und den USA festgestellt haben, wird BI bei den meisten noch viel zu vordergründig und damit zu wenig nachhaltig betrieben. Zudem gibt es nur selten Performance-Messungen von BI-Lösungen. Nur ein Drittel der Unternehmen gab an, den Erfolg ihrer BI-Investitionen überhaupt nachzuhalten. Aber Besserung ist in Sicht, wie BARC-Chef Carsten Bange erläutert: "Wir stellen in unserer Praxis fest, dass die Unternehmen das Thema BI zunehmend strategisch angehen."

Wulf Maier, Beratungsleiter bei HP Enterprise Information Solutions, kommt zwar zu demselben Schluss wie Bange, beurteilt aber den Ausgangspunkt kritischer: "Wir sehen nur wenige Unternehmen mit einer konzernweiten BI-Strategie. Typischerweise spielt sich Business Intelligence fachbereichsweit oder in einzelnen Tochterunternehmen und Geschäftsfeldern ab. Eine konzernübergreifende umfassende Strategie von ganz oben ist aus unserer Sicht eher selten."

Den Grund für den von beiden unbestrittenen Erkenntnisgewinn sehen die Experten in der Einsicht der Unternehmen, bessere und verbindlichere Daten zu benötigen, um im scharfen Wettbewerb mithalten zu können. Aber was heißt in diesem Zusammenhang eigentlich "unternehmensweite BI"?

HP: Mit dem Masterplan zum BI-Master

Wie unternehmensweite BI-Projekte konkret aussehen können, skizziert HP in einem „BI-Masterplan“.

Geschäftstreiber definieren und transparent machen

Um die Treiber für BI zu definieren, hat HP einen mehrstufigen Prozess entwickelt, der die geschäftliche und technische Seite zunächst getrennt voneinander betrachtet. Das Projekt beginnt damit, dass die Unternehmensleitung im Beratungsprozess Geschäftsanforderungen, Unternehmensziele und deren wichtigste Treiber kommuniziert - etwa mehr Kundenzufriedenheit, weniger Kündigungen oder eine geringere Wartungs- und Reparaturquote. Außerdem muss geklärt werden, wie die Treiber bisher gemessen wurden.

Anschließend gilt es, die Treiber für die geplante BI-Umgebung neu zu operationalisieren: Welche Daten braucht man, wie sind sie zu verbinden, um jeden Treiber in möglichst klaren, eindeutigen Kennzahlen darzustellen? Erfahrungsgemäß stehen die nötigen Daten oft nicht oder nicht in ausreichender Qualität zur Verfügung. Sind keine ausreichenden Datenquellen vorhanden, müssen sie erst einmal geschaffen werden. Erst wenn Treiber und Operatoren definiert und detailliert dokumentiert wurden, ist der rein geschäftliche Teil der BI-Planung abgeschlossen.

Von der Lückenanalyse zum BI-Bebauungsplan

Auf der technischen Seite wird die vorhandene Infrastruktur analysiert. Hier geht es um die vorhandenen Quellsysteme (Hard- und Software), ihre Durchgängigkeit zueinander, um Kommunikationsmechanismen wie SOA-Busse und das IT-Management. Die Ergebnisse werden in einem Report zum Current State Environment zusammengefasst und anschließend in Relation zu funktionalen Anforderungen, Best Practices, Kundenerfahrungen und Industrietrends gesetzt. Das Ergebnis ist eine Lückenanalyse, die darstellt, wo und um was die bestehende Infrastruktur ergänzt werden müsste, um aktuellen BI-Anforderungen zu genügen.

Schließlich fließen alle bisherigen Ergebnisse aus geschäftlicher und technischer Analyse in einer ersten Vision der angestrebten BI-Zielarchitektur zusammen, der so genannten Strawman Vision. Dieser IT-Bebauungsplan dient als Entscheidungsgrundlage für die Unternehmensführung und alle anderen Zuständigen. Erst nach der Zustimmung aller werden konkrete Einzelschritte und Umsetzungsprojekte meist über eine Dauer von mehreren Jahren geplant. Ziel ist, den vom Unternehmen gewünschten BI-Reifegrad zu erreichen.

Die Investition in den Masterplan-Prozess amortisiert sich meist schnell durch verbesserte analytische Prozesse und dadurch bedingte bessere Entscheidungen. Am Ende profitiert das Unternehmen durch erhebliche Wettbewerbsvorteile, schon allein, weil es seine Ziele, die damit verbundenen Operatoren und Prozesse nun klarer sieht und vielleicht zum ersten Mal messbar operationalisiert hat. So lassen sich oft Millionen einsparen.

Maier versteht unter dem Begriff "auch, aber nicht ausschließlich konsolidierte Kennzahlen, die für dieses eine Unternehmen spezifisch, aber innerhalb der Firma für alle Bereiche gleich und verbindlich sind. Dazu gehört für ihn zudem eine auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Architektur sowie Prozesse, die die Balance zwischen Homogenität und Zentralisierung auf der einen Seite und Flexibilität auf der andere Seite sicherstellen. Das sorge für eine Vergleichbarkeit von Daten innerhalb einer Organisation, schließe aber individuelle Reports einzelner Abteilungen oder Unternehmenseinheiten nicht aus, so Maier.

Schatten-IT bei BI weit verbreitet

Klingt einleuchtend, ist es in der Praxis aber längst nicht immer. So müssen BI-Experten in den Unternehmen oft zunächst mit einer gewachsenen, man könnte auch sagen: wuchernden Schatten-IT umgehen. Mangels unternehmensweiter Lösungen haben sich in den Abteilungen - auf Excel-Basis oder in Form kompletter Enterprise-Suiten namhafter Hersteller - eigene Analyse- und Reporting-Tools etabliert, die sich nicht ohne weiteres firmenweit konsolidieren lassen. Das allerdings ist ein weitgehend technisches Problem, das sich mit entsprechenden Werkzeugen lösen lässt.

Schwerer wiegen da die Ängste der Fachabteilungen, in unternehmensweiten BI-Lösungen die Eigentumsrechte an ihren Daten an die IT zu verlieren. Nicht einfach vom Tisch zu kriegen sind auch die Sorgen, Daten unternehmensweit offenzulegen und die eigenen Bedürfnisse nach individuellen Reports nicht mehr so umfassend befriedigen zu können wie bisher.

Gegen diffuse Ängste anzugehen, ist schwierig; berechtigten Sorgen begegnet man am Anfang einfach mit Reden: "Wenn wir ein Unternehmen über Business Intelligence beraten, reden wir mit jedem, der davon betroffen ist, und nehmen die Anforderungen der Fachbereiche auf", schildert Wulf Maier den konstruktiven Umgang mit den Nöten der Fachabteilungen. "Am Ende versuchen wir dann, mit allen gemeinsam eine Lösung zu finden, die unternehmensweite Kennzahlen ebenso zulässt wie fachbereichsweite Berichte."

Zum BI-Masterplan, den HP mit seinen Kunden strategisch erarbeitet, gehört die so genannte Strawman Vision. Das ist ein konkreter Lösungsvorschlag, an dem sich die Kombattanten abarbeiten können, um schließlich zu einem für alle verbindlichen, eigenen Vorschlag zu kommen. "So haben am Ende alle gemeinsam eine Lösung und eine Roadmap für den Weg dahin erarbeitet, die jedem Vorteile bringt", beschreibt Maier seine Methodik in BI-Projekten.

Das erlaubt ein Vorgehen nach Time Box, um in kürzester Zeit eine abgestimmte, ganzheitliche Roadmap für die Weiterentwicklung der BI Prozesse und Architekturen zu erhalten. "Die Umsetzung dieser Roadmap kann in großen Unternehmen durchaus Jahre dauern und muss durch kontinuierliches Change Management unterstützt werden."

BI Competence Center sorgen für abteilungsübergreifende Konzepte

Da jede einzelne Abteilung in einem Unternehmen, einschließlich die IT, Partei sein könnte, plädieren Experten seit längerem dafür, bei BI-Projekten spezielle BI-Competence Center (BICC) einzurichten, die für firmenweit einheitliche Konzepte und Aktivitäten zuständig sind. Bei Wikipedia heißt es dazu trocken: "Vorteil solcher organisationsweit tätigen Kompetenzzentren: Durch die Koordination von Tätigkeiten und Ressourcen stellt es sicher, dass überall in einer Organisation systematisch ein auf Tatsachen beruhender Ansatz zur Entscheidungsfindung umgesetzt wird". Oder, auf Deutsch gesagt: Ein BICC verhindert, dass abteilungsweit geltende Sichtweisen das Berichtswesen eines ganzen Unternehmens negativ beeinflussen.

Allerdings ist ein BICC aufgrund der personellen Anforderungen nur für größere und große Unternehmen eine echte Alternative. Oft genug fällt in kleineren Firmen sowie dort, wo es bisher kein tragendes BI-Konzept gibt, der IT-Abteilung die vermeintlich generische Aufgabe zu, sich um Business Intelligence zu kümmern.

Zum einen sei das durchaus richtig, meinen die Experten. "Aus unserer Sicht sollte die IT eine viel stärkere Rolle spielen, als sie das heute im BI-Umfeld tut", so etwa Maier. Sehr oft betreibe schließlich die IT die BI-Systeme, die sich die Fachbereiche ausgesucht hätten, ohne großen Einfluss auf die Daten- oder Organisationsarchitektur nehmen zu können. In unternehmensweiten BI-Konzepten falle der IT zudem die Aufgabe zu, in einem Data Warehouse firmenweit einheitliche und konsistente Datenbanken sowie für alle Abteilungen verbindliche Reports vorzuhalten.

Das HP BI-Maturity-Modell

Die Reife von BI-Systemen lässt sich mit Hilfe von Maturity-Modellen beurteilen. HPs Bi-Maturity-Modell definiert auf den drei Ebenen Geschäftsunterstützung, Informationsmanagement sowie Strategie- und Programm-Management jeweils charakteristische Merkmale, anhand derer sich der eigene Standort einschätzen lässt.

Dabei werden folgende fünf Reifestufen definiert: Operation, Improvement, Alignment, Empowerment, Transformation. Während ein Unternehmen im Operations-Stadium lediglich befähigt wird, bereichsweise und mit Verzögerung zu reagieren, kann ein Unternehmen im Transformations-Stadium auf zahlreiche externe und interne, im BI-System miteinander vernetzte Datenquellen in Echtzeit zugreifen und auf Geschäftsprozesse durchgreifen. Es erkennt so Trends frühzeitig, kann seine Erkenntnisse sofort in Aktionen umsetzen und ist daher im Stande, proaktiv am Markt zu agieren. Das bedeutet Wettbewerbsvorteile. Die meisten Unternehmen befinden sich heute auf einer der ersten drei Maturity-Stufen.

So wichtig jedoch die IT mit ihrer Querschnittsfunktion hier ist: "Ein Datenqualitätsmanagement, für das nur die IT verantwortlich ist, wird scheitern", warnt BARC-Chef Carsten Bange. "Es ist unerlässlich, dass die Leute mit fachlichem Know-how an Bord sind, um die Regeln für den Umgang und die Bereinigung von Daten definieren zu können. Die Firmen brauchen Mitarbeiter, die eine Relevanzprüfung machen können, ob es sich nun um die richtigen Daten handelt oder nicht - und diese Leute sitzen immer im Fachbereich." Ihm zufolge wird unternehmensweite BI immer dann zum Problem, wenn die Fachbereiche das Datenqualitätsmanagement nicht als ihre ureigene Aufgabe begreifen. Und so wird es - egal, ob im BICC oder mit informellen Strukturen - nur in Gemeinschaftsarbeit des gesamten Unternehmens gelingen, eine firmenweite Sicht auf die Daten zu erlangen.

Wichtig ist es, auch hier sind sich die Experten einig, dass die Initiative für unternehmensweite BI nicht ausschließlich von der IT kommt. "Die Handelnden haben durchaus unterschiedliche Motive für ein BI-Transformationsprojekt. Ein CIO beabsichtigt mit solchen Projekten oft eher eine Konsolidierung im Sinne von Kosteneinsparungen", meint HP-Manager Maier. "Wenn es aber darum geht, eine einheitliche Sicht auf die Unternehmensdaten zu erhalten und Geschäftsprozesse zu vereinheitlichen, dann sind häufig die Fachbereiche die Treiber." Häufig seien es die Zahlenmenschen im Unternehmen, immer häufiger auch der CFO, der die Einführung unternehmensweiter BI fordere. Und hier hilft ein Werkzeug wie der BI-Masterplan, um zusammenzubringen, was aus technischer, operativer und strategischer Sicht auch zusammengehört.