Business Intelligence

Experten über die Zukunft des Risiko-Managements

07.05.2009 von Sascha Alexander
Ein integriertes Risiko-Management, und verschärfte Richtlinien sollen Finanzhäuser künftig auf Kurs halten. Doch Anwender bleiben skeptisch. Es fehle nicht an Vorgaben, sondern an effektiven Kontrollen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine weltweite Umfrage unter 334 Finanzmanagern durch die Marktforscher von Economist Intelligence Unit im Auftrag des Anbieters von Analysesoftware SAS Institute. Diese wurde auf der Veranstaltung Premier Business Leadership Series in London vorgestellt, zu der SAS Institute alljährlich Manager aus aller Welt einlädt. So glaubt nur ein Drittel der Befragten, dass sich die bisherige Praxis im Risiko-Management aufrechterhalten lässt. Sie bezweifeln zugleich, dass die Politik überhaupt angemessen auf die Wirtschaftskrise reagieren könnte.

Die Chefvolkswirte (von links) Dennis Turner,HSBC, Joseph Quinlan, Bank of America, und Gerard Lyons, Standard Chartered,diskutierten in London über die Folgen und das Ende der Finanzkrise. Zumindest in den USA soll es zum Jahresende besser werden.

Ihnen gegenüber steht eine Mehrheit von Finanz-Managern, die in ihrer Branche mit tiefgreifenden und umfassenden Veränderungen im Risk Management rechnen. Jeder zweite von ihnen erklärte, dass man das interne Risiko-Management bereits gründlich überholt habe oder dies plane.

Dabei habe man versucht, die Qualität und Verfügbarkeit wichtiger Finanzzahlen zu verbessern sowie eine unternehmensweite Überwachung (Governance) und Integration von Risikoaspekten in die Unternehmensbereiche zu erreichen. Wie gut dies gelungen ist, bleibt offen. Zumindest hierzulande behandelten viele Finanzdienstleister das Riskio-Management bisher eher stiefmütterlich.

Risiko-Management als Teil der Unternehmenssteuerung

Laut Studie zeigen die Antworten, dass Finanzdienstleister unbedingt an einer engen Kopplung von Lösungen und Prozessen zur Unternehmenssteuerung (Corporate Performance Management) mit Risik-Governance arbeiten sollten. Nicht nur die Kreditabteilungen, sondern alle Geschäftsbereiche benötigen ein besseres Verständnis für die Risiken, die ihr Geschäft birgt.

"Die Technik ist nicht schuld an der Finanzkrise, doch ihr starrer Gebrauch kombiniert mit entsprechend starren Geschäftsprozessen hat es Finanzdienstleistern ohne Zweifel schwer gemacht, schnell und effektiv auf die Finanzkrise reagieren zu können", kommentiert Virginia Garcia, Senior Research Director der Tower Group, die Lage (siehe auch (siehe auch den Beitrag, warum ein quantitatives Risk-Management zu kurz gegriffen hat).

Laut Joseph Quinlan, Managing Director und Chief Market Strategist bei der Bank of America, wusste jeder in der Branche, dass der Crash kommen würde.

Zugleich bestätigten die Manager die verbreitete Ansicht, dass es der Finanzindustrie an funktionierenden Kontrollmechanismen gefehlt habe. So hat denn nicht einmal ein Drittel der Manager den Eindruck, dass die Aufsichtsbehörden angemessen auf die Krise reagiert haben.

Eine breite Mehrheit ist sich deshalb einig, dass in kommenden Reformen eine größere Transparenz in die Finanzmärkte ein vordringliches Ziel sein müsse. Hierzu zählten beispielsweise die Veröffentlichung von Finanzinformationen, die nicht in der Bilanz erscheinen, eine stärkere Kontrolle der Rating-Agenturen sowie eine zentrales Clearing im Derivatenhandel.

Analytische Anwendungen für das Risiko-Management

Für die technische Implementierung eines Risiko-Managements bieten einzelne Hersteller von Software für Business Intelligence (BI) seit längerem spezialisierte Analyseprodukte. So stellte SAS Institute vor kurzem eine überarbeitete Version von "SAS OpRisk Management" vor, das Software und Methoden zur Messung und Analyse operationeller Risiken umfasst. Zum vierten Quartal will SAS zudem die Branchenlösungen "SAS Risk Management for Banking" und "SAS Risk Management for Insurance" auf den Markt bringen.

Einsichten und Prognosen der Finanzexperten

Doch es bleibt die Frage nach den Ursachen der Finanzkrise. In einer Expertenrunde in London gaben führende Finanzexperten eine Reihe von Ursachen an, die in der Summe das Finanzsystem ins Wanken brachten. Dabei standen vor allem die Kontrollmechanismen in der Kritik.

Gerard Lyons, Chefökonom und Leiter Global Research bie Standard Chartered, sieht die Finanzkrise vor allem als Problem der westlichen Staaten. China habe hingegen rechtzeitig reagiert.

So konstatierte Gerard Lyons, Chefökonom und Leiter Global Research bei Standard Chartered, dass es in punkto Transparenz vor allem an einem klaren Verständnis fehlte, wie weit eine Regulierung der Finanzmärkte gehen sollte, und dass Kontrollen meist "bottom down" erfolgten.

Zugleich betonte er, dass bei weitem nicht alle Finanzinstitute betroffen seien und die "systemischen" Probleme in der Finanzindustrie in erster Linie in den westlichen Ländern aufgetreten seien, nicht aber beispielsweise in Asien. China beispielsweise habe früh auf die Krise reagiert und könnte laut Lyons bereits Ende des Jahres wieder gute Wachstumszahlen erreichen. "Allerdings wird sich Asien ohne den Westen nicht vollständig erholen können."

Rezession und Richtlinienflut in Europa

Ergänzend sagte Dennis Turner, Chefökonom von HSBC, dass man die Probleme der Weltwirtschaft und die Finanzkrise nicht in einen Topf werfen dürfe. Schon länger war beispielsweise in Großbritannien klar gewesen, dass die Wirtschaft nicht auf Dauer in dem Maß weiterwachsen konnte. Doch unternahm die Politik nichts, um die Folgen abzumildern.

Mit Blick auf die Erholung der Märkte gab sich Turner pessimistisch. Zwar hätten die britischen Finanzinstitute schnell auf die Finanzkrise reagiert und ein Ende der Rezession sei absehbar. Für den Rest Europas mache er sich hingegen wenig Hoffnung, da viele Länder in ihren Ökonomien unter anderem strukturelle Probleme aufwiesen, die zunächst zu beseitigen seien. Dies sei ein langwieriger Prozess.

Joseph Quinlan, Managing Director und Chief Market Strategist bei der Bank of America, betonte, dass die Regulierungsbehörden klarere Vorschriften erlassen und ihrer Aufsichtspflicht besser nachkommen müssten. Laut Quinlan habe es durchaus Experten gegeben, die die Probleme in der Finanzindustrie voraussahen. "Eigentlich war allen klar, dass es Probleme geben würde". Doch waren alle Akteure von der Komplexität überwältigt und konnten sich kein klares Bild von den Aktivitäten in den einzelnen Abteilungen der Finanzdienstleister machen.

Quinlan geht davon aus, dass es die USA bis September aus der Rezession schaffen werden, da beispielsweise der Konsum wieder zunehme. Zudem gebe neben den darbenden Industrien wie Finance, Automobilbauer und Baugewerbe durchaus auch prosperierende Branchen, allen voran das Gesundheitswesen, Energie und Rüstung, die "alle ziemlich gesund" seien. Die Finanzkrise werde aber ihre Spuren hinterlassen, indem beispielsweise die Unterschiede zwischen traditionellen Banken und Investment-Häusern zunehmen werden. "Die Boomjahre kommen nicht wieder."

Basel II auf den Prüfstand

Karel Lannoo, CEO des Center of European Policy Studies, sieht in Europa eine Flut neuer Vorschriften kommen.
Foto: SAS Institute

Karel Lannoo, CEO des Center for European Policy Studies, wies zudem darauf hin, dass die Finanzkrise zumindest in der Europäischen Union einen regelrechten "Tsunami" an neuen oder geplanten Vorschriften ausgelöst habe. So sei dieser Tage die im letzten Jahr angekündigte Regulierung von Kredit-Rating-Agenturen in Kraft getreten, die bisher nicht existierte. Änderungen stünden auch auf der G20-Agenda, und die erst 2005 mit Basel II vorgestellten Eigenkapitalvorschriften müssten neuerlich überarbeitet werden.

Ein Problem bleibe aber bestehen: "Es wird viel reguliert, aber es fehlen regelmäßige Kontrollen und Mechanismen, um die Vorgaben durchzusetzen." Eine Bestrafung von Finanzhäusern und Managern hält Lanoo indes für aussichtslos, weil eine solche an den unterschiedlichen nationalen Gesetzgebungen scheitern würde.