Europäische Verlage machen Google die Hölle heiß

27.11.2006
Google zeigt in seinem Dienst Google News Überschriften und Ausschnitte von Copyright-geschützten Artikeln an. Einige Verlage wollen das nicht mehr dulden - oder zumindest vorher gefragt werden.

Mit seinem Service "Google News" bekommt der weltweit führende Suchmaschinenbetreiber Google vor allem in Europa zunehmend Ärger. Verlage in mehreren Ländern wehren sich dagegen, dass Google ihren Content Lesern zugänglich macht. In Belgien beispielsweise musste sich Google am vergangenen Freitag vor Gericht verantworten. Der US-Konzern verstoße mit der Art und Weise, in der er Überschriften und Textschnipsel veröffentliche, gegen Copyright-Bestimmungen, so der Vorwurf der belgischen Presseorganisation Copiepresse.

Auch in anderen Ländern wächst der Widerstand. So musste Google vor wenigen Tagen die Freischaltung seiner News-Site in Dänemark abblasen. Zeitungen hatten dort gefordert, der Suchmaschinengigant müsse den Verlagen eine Opt-in-Möglichkeit einräumen, damit sie selbst entscheiden könnten, ob ihre Inhalte von Google gescannt werden oder nicht. Dass der Content automatisch durchforstet und teilweise veröffentlicht werde, sei für die dänische Presse inakzeptabel, zitiert die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" Holger Rosendal, den Kopf der Rechtsabteilung eines dänischen Zeitungsverbands.

In Norwegen hat sich unterdessen eine Gruppe von Verlagen in einem Brief an Google darüber beschwert, dass Thumbnail-Photos der diversen Blätter in Google News erscheinen. "Nach norwegischen Copyright-Bestimmungen ist es nicht erlaubt, Photos ohne Zustimmung der Rechteinhaber zu veröffentlichen", begründet Pernelle Borse von der Norwegian Media Businesses Association den Protest.

Google News - für Verlage nützlich oder nicht?

Die Beispiele spiegeln das Unbehagen, das sich in der Medienlandschaft gegenüber Google breit macht. Weltweit spaltet sich die Branche: Während die einen Google News als Chance sehen, mehr Traffic auf ihre Inhalte zu lenken, sehen die anderen eher den übermächtigen Konkurrenten, der einen Großteil des Online-Werbekuchens für sich beansprucht und dabei Content entwendet, ohne um Erlaubnis zu bitten. Anbieter von Nachrichten, Büchern oder anderen Arten von Inhalten haben inzwischen zahlreiche Klagen eingereicht, in denen es meistens um Copyright-Verletzungen geht. Sie möchten von Google am Umsatz beteiligt, zumindest aber um Erlaubnis gebeten werden, wenn ihre Inhalte veröffentlicht werden.

Google selbst zieht sich auf den Standpunkt zurück, nur kleine Ausschnitte des Contents anderer Medien zu veröffentlichen. Wer nicht erfasst werden möchte, habe sehr wohl die Möglichkeit eines Opt-out. Das empfehle sich für die Verlage allerdings nicht, denn Google beschere ihnen jede Menge Traffic, indem auf die Seiten der Publikationen verlinkt werde. So könne auch solcher Content gefunden werden, dem sonst kaum jemand Beachtung schenken würde.

Grundsätzlich sei es nicht möglich, dass indexierte Websites nur nach offizieller Erlaubnis der Betreiber angezeigt würden. Suchdienste würden dann nicht mehr funktionieren. "Wenn Content nicht indexiert wird, kann er nicht gesucht werden. Und wenn er nicht gesucht werden kann, wie soll er dann gefunden werden?" fragte David Eun, Vice President für Content-Partnerschaften bei Google, in einem Blog-Eintrag. "Man stelle sich eine Bibliothek vor ohne Titelindex, ohne Kennzeichnung der Regale und ohne Autorenkatalog."

Google ist keine Bibliothek

Genau hier setzt allerdings die Grundsatzkritik der Gegner an: Google sei keine öffentliche Bibliothek, sondern eine profitorientierte Firma. Zwar werbe Google auf seiner News-Site nicht direkt, doch der Dienst gehöre zu den Seiten des Anbieters, die Besucher anzögen - und wenn das gelinge, verdiene das Unternehmen bares Geld.

Nicht nur Google hat sich den Zorn der Verlage zugezogen. Die belgische Copiepresse hat auch an Microsofts MSN-Division eine Unterlassungserklärung geschickt. Um nicht im Herzen Europas in einen neuerlichen Rechtsstreit verwickelt zu werden, hat Microsoft sofort die Inhalte belgischer Zeitungen von der MSN-Site verbannt.

Google reagierte genauso, nachdem das Unternehmen im September einen ersten Rechtsstreit verlor: Deutsch- und französischssprachige Zeitungsinhalte werden derzeit in Belgien nicht mehr angezeigt. Am vergangenen Freitag machte Googles Anwalt Erik Valgaeren in Brüssel den Standpunkt des Unternehmens vor Gericht deutlich. Er behauptete, den Verlagen gehe es nicht primär um den Urheberrechtsschutz, sondern um Geld. Sie wollten an Googles Erfolg teilhaben. Die Richterin will erst im nächsten Jahr entscheiden, ob die Inhalte wieder auf Google News angezeigt werden dürfen.

Die ansehnliche Zahl der Klagen gegen Google, die außerdem auch von der Agence France Press und der Authors Guild - teilweise auch in den USA - lanciert wurden, dürften Klarheit darüber bringen, ob und wie Google und Co. künftig Copyright-geschütztes Material auf ihren Seiten indexieren und anzeigen können. Die Ergebnisse werden auch darüber entscheiden, wie viel und welchen Content Internet-Nutzer kostenlos auf ihrem Bildschirm angezeigt bekommen.

Copiepresse argumentiert damit, dass Google durch das Indexieren und Vorhalten (Cachen) des Contents aus Zeitungen de facto Kopien zu einem kommerziellen Zweck anlege. Damit werde gegen Copyright-Bestimmungen verstoßen. Hinzu komme, dass sich Google nicht um Erlaubnis bemühe.

Dieses Argumentationsmuster ist allerdings auf jeden Content übertragbar. Suchmaschinen indexieren und speichern Massen an Copyright-geschützten Inhalten ohne irgendjemanden um Erlaubnis zu bitten. Hält das Brüsseler Gericht seine Entscheidung der ersten Instanz aufrecht, könnte es für Suchmaschinen in Belgien schwierig werden zu operieren.

"Die derzeitige Rechtslage bedeutet, dass Suchmaschinen in Belgien nicht operieren können", meint Danny Sullivan, Chefredakteur von SearchEngineWatch.com. "Sie haben dort nicht die Erlaubnis, Copyright-geschützte Seiten ohne ausdrückliche Erlaubnis zu indexieren."

Bei Google nimmt man den Prozess in Belgien sehr ernst. Im Google-Blog heißt es: "Wir wissen, dass dieser Fall wichtige und komplexe Fragen berührt. Hier geht es an das Herz dessen, wie Suchmaschinen arbeiten", schreibt Rachel Whetstone, in Europa für Googles Öffentlichkeitsarbeit zuständig. In den USA gibt es ein "Fair-Use-Gesetz", das Unternehmen erlaubt, fremden Content in limitierter Weise zu nutzen, ohne vorher zu fragen. Die Gerichte wägen dort je nach Einzelfall ab, ob und in welchen Mengen Copyright-geschützte Inhalte kommerziell genutzt werden, und ob dabei deren Wert beeinträchtig wird. (hv)