Interkuklturelle Kompetenz als Herausforderung für die Zusammenarbeit

Europäische IT-Unternehmenskulturen sind in Bewegung

20.02.2015 von Uta  Fendt
Die digitale Revolution reduziert die räumliche Distanz in nie dagewesener Geschwindigkeit und Intensität. Demografische Entwicklungen, internationale Fusionen und weltweiter Handel führen immer stärker dazu, dass sich Unternehmen mit interkultureller Kompetenz auseinandersetzen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Globale Präsenz muss mit einer tiefen Kenntnis lokaler Märkte verbunden werden. Das bedeutet für ein Unternehmen vor allem, verschiedene Kulturen in ein strategisches Gesamtziel zu betten.
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Über die digitale Revolution zu sprechen heißt, über die Geschichte des Internets zu sprechen. Das Internet ist vergleichsweise jung. Erste bahnbrechende Entwicklungen gab es es nach dem 2. Weltkrieg in Militär und Forschung. Doch Handeln und Netzwerken im Internet veränderten alles. Heute ist der Mensch selbst Informationsorganismus und Datenlieferant und rund um die Uhr mit anderen Menschen und digitalen Akteuren weltweit vernetzt. Es ist wenig Zeit vergangen, wenn man die digitale Revolution als Teil der Menschheitsgeschichte betrachtet.

Cultural Diversity Management

In dieser kurzen Zeit mussten wir uns an die digitale Revolution anpassen. Das gelang nicht immer perfekt - vor allem in deutschen Unternehmen. Nach einer Studie von Bertelsmann aus dem Jahr 2007 gaben nur 44 % der deutschen Unternehmen an, "Cultural Diversity Management" zu praktizieren, während es in anderen Ländern mehr als 90 % tun. Damit sperren sich deutsche Unternehmen möglicherweise aus den Möglichkeiten des weltweiten Handels aus. Sicher haben wir inzwischen etwas aufgeholt, aber die Zukunft holt uns ein. In einer aktuellen Publikation erklärt Aletta von Hardenberg, Geschäftsführerin der Charta der Vielfalt, dass bis zum Jahr 2060 die Bevölkerung in Deutschland auf 65 bis 70 Millionen Menschen gesunken sein wird. Wir werden älter und internationaler, schon jetzt hat jedes dritte Kind unter 15 Jahren einen Migrationshintergrund.

Global denken und lokal handeln

Globale Präsenz muss mit einer tiefen Kenntnis lokaler Märkte verbunden werden. Das bedeutet für ein Unternehmen vor allem, verschiedene Kulturen in ein strategisches Gesamtziel zu betten. Das Unternehmen muss für diese Einbettung die technische Infrastruktur und Standards für eine gemeinsame Plattform schaffen. Zudem müssen Firmen Menschen einstellen und entwickeln, die ohne große Reibungsverluste lokal handeln und global denken wollen.

Die Fähigkeiten der interkulturellen Kompetenz

Reibungsverluste können Sprachbarrieren, das Verständnis zu Hierarchie und Eigenaktivität, eine unterschiedliche Lösungsorientierung oder eine andere Fehlermentalität sein. Neugierde, Offenheit, Respekt, Toleranz, Achtung und Bescheidenheit sind Elemente der interkulturellen Kompetenz, um mit Individuen und Gruppen anderer Kulturen erfolgreich und angemessen zu interagieren. Diese Fähigkeit kann bereits aufgrund der Kindheit vorhanden sein oder im Rahmen der Arbeit entwickelt und gefördert werden. Frühere Erfahrungen werden so weit wie möglich frei von Vorurteilen einbezogen und erweitert, während eine Haltung der Offenheit und des Lernens während des Kontakts notwendig ist. Als kulturelle Kriterien werden häufig der Umgang mit Zeit, Hierarchie, Ungleichheit, Privatsphäre, öffentlichem Raum, Kommunikation, Emotion, Blick- und Körperkontakt und dem Umgang mit Regeln betrachtet.

Knackpunkte in agilen Entwicklungsteams
Knackpunkte in agilen Entwicklungsteams
Seit die Verfasser des "Agilen Manifests" im Jahr 2001 den klassischen Phasenmodellen wie Wasserfall und V-Modell den Kampf angesagt haben, erlebt die Softwareentwicklung eine tief greifende Veränderung. Mittlerweile ist Agilität fast zu einem Hype-Begriff geworden. Darüber gerät gelegentlich aus dem Blick, was die Methode tatsächlich leisten kann und an welchen Stellen das ursprüngliche Dokument von 2001 aufgrund von Projekterfahrungen aus mehr als einer Dekade präzisiert werden sollte.
Crossfunktionale Teams aus Spezialisten und Generalisten bilden
Teamübergreifende Governance sichern
Verantwortungsvolles und pro-aktives Handeln der agilen Teammitglieder
Ständige Kommunikation innerhalb und zwischen Sprint-Teams
An agiler Community aktiv teilnehmen und auf Best Practices setzen
Verständigung über technisches Rahmenwerk (Architektur) herstellen
Bereitstellung von Testdaten und Ausführung von Integrationstests sichern
Dokumentation im Hinblick auf Compliance nicht vernachlässigen

Beispielhaft sollen die beiden Arbeitskulturen von den Niederlanden und Deutschland verglichen werden, da sie sich gut kombinieren lassen.

Geschäftsatmosphäre & Arbeitsansatz in Deutschland

Planung und Sachlichkeit sind herausragende Merkmale. Für Meetings bereitet man sich vor und lässt sich vorzugsweise das Ergebnis abnicken. Der Vorgesetzte wird respektiert, man widerspricht diesem weniger. Hierarchische Systeme sind die Regel. Feedback wird nicht immer direkt gegeben, sondern als "Sandwich" verpackt. Veränderungen mögen die meisten Menschen aufgrund ihrer Ausrichtung auf Langfristigkeit nicht besonders. Gut ist nicht gut genug und kann weiter perfektioniert werden. Es wird immer die beste Lösung gesucht.

Geschäftsatmosphäre & Arbeitsansatz in den Niederlanden

Der Niederländer ist direkt und offen. Feedback kommuniziert man ohne Umwege. Der Niederländer drückt Gefühle über Mimik und Gestik stärker aus. Es wird diskutiert, um sich im Sinne einer guten Lösung die Argumente der anderen anzuhören und nicht die beste, sondern die komfortabelste Lösung zu finden, die von allen mitgetragen wird. Der Vorgesetzte lebt die Hierarchie nicht offen aus und erwartet Widerspruch. Der Mitarbeiter erhält einen Rahmen für die Arbeit und kann dann vergleichsweise frei arbeiten. Die Fehlermentalität ist entspannter, gut ist gut genug. Persönlichkeit und Sachlichkeit vermischen sich.

Mehr Umsatz durch höhere Wertschöpfung

Hier erkennt man wesentliche Unterschiede in den Arbeitsweisen, doch passen sie gut zusammen. Wenn es gelingt, sich gegenseitig auf die jeweils anderen Werte einzulassen, sie zu verstehen, anzunehmen und dabei idealerweise die eigenen Werte einzubringen, ist das eine Bereicherung für das Produkt, den Kunden und die Entwicklung des Unternehmens. So kann beispielsweise durch die Verschmelzung von Planungsorientierung und offener Diskussionskultur eine hybride, europäische Unternehmenskultur entstehen, die für den Kunden eine höhere Wertschöpfung liefert. Für E-Business-Plattformen hat Globalität eine besondere und herausragende Bedeutung in der Wertschöpfung.

Die Gestaltung der Unternehmenskultur

Die Gestaltung der Unternehmenskultur ist Chefsache, darf aber nicht nur auf der Führungsebene gestaltet und gelebt werden, sondern muss die gesamte Arbeits- und Denkweise eines jeden Mitarbeiters in alle Richtungen erfassen. Denn es sind Menschen, die miteinander arbeiten.

Doch viele Menschen fühlen angesichts der Schnelligkeit und des Umfangs der Veränderung Unsicherheiten oder Ängste. Gerade in der Informationstechnologie wird das deutlich. Die Einstellung von Mitarbeitern aus anderen Ländern, verschiedener Altersgruppen oder mit difersen Erfahrungshorizonten ist eine gute Maßnahme. Doch ohne Regie führt ein solcher Mix nicht selten zu neuen Konflikten. Diese Regie können lokale Managementteams haben, die den globalen Fokus aller lokalen Aktivitäten nicht aus den Augen verlieren. Diese Managementteams müssen sich jeweils aus der Unternehmensführung, den Abteilungsleitern und dem Personalmanagement zusammensetzen.

Interkulturelle Zusammenarbeit
So kann die Zusammenarbeit gelingen
Damit Mitarbeiter auf mehreren Kontinenten oder an unterschiedlichen Standorten gut zusammenarbeiten können,sollten Führungskräfte einiges beachten. Beraterin Sonja App hat einige Tipps zusammengestellt.
1. Auswahl der Mitarbeiter
Prüfen Sie nicht nur die Fachkenntnisse, sondern auch die englischen Sprachkenntnisse der Teammitglieder bereits vor Projektstart und bieten Sie bei Bedarf Crashkurse an.
3. Persönliche Treffen
Ein Kickoff-Meeting sollte als Präsenztreffen gestaltet werden, damit sich alle Projektbeteiligten persönlich kennenlernen und Vertrauen zueinander aufbauen. Als Leiter virtueller Linienteams sollten Sie mehrere persönliche Treffen pro Jahr mit Ihren Mitarbeitern einplanen. Im Idealfall führen Sie das jährliche Beurteilungsgespräch mit jedem Teammitglied vor Ort an dessen Arbeitsplatz.
4. Interkulturelle Zusammenarbeit
Gehen Sie offen und tolerant mit fremden Ansichten und Arbeitsstilen um. Bieten Sie bei Bedarf interkulturelle Trainings an. Berücksichtigen Sie Zeitverschiebungen und Besonderheiten wie lokale Feiertage und Schulferien bei Ihrer Projektplanung. Beachten Sie den Arbeitsrhythmus Ihrer ausländischen Kollegen bei der Terminvereinbarung für Telefonkonferenzen und virtuelle Meetings.
5. Dokumentation
Stellen Sie sicher, dass alle Zielgruppen im Unternehmen die Ergebnisdokumente im richtigen Format zum richtigen Zeitpunkt erhalten. Sensibilisieren Sie Ihr Team auch für die Dokumentation von informellem Wissen. Planen Sie einen Lessons-Learned-Workshop ein und informieren Sie die Abteilungen über die Ergebnisse.
Sonja App
Managementberaterin Sonja App hat jahrelang selbst in virtuellen Teams gearbeitet. Ihre Tipps kommen aus erster Hand. Seit sechs Jahren ist sie als Beraterin für Innovation-Management, Relationship -Management und interkulturelle Kommunikation selbstständig.
Buchtipp
Ihre Erfahrungen und Ratschläge hat Sonja App in einem Buch zusammengefasst: "Virtuelle Teams" von Sonja App, Haufe Lexware, 2013, 240 Seiten.

Es ist Einstellungssache

Eine positive Grundeinstellung zum Thema und die Fokussierung auf die Aufgabe sind unabdingbar. Kritik sollte auf sachlicher Ebene bleiben und persönliche Angriffe sind tabu. Schon bei der Einstellung muss der Personaler prüfen, ob interkulturelle Kompetenz vorhanden ist. Die Entwicklung der interkulturellen Kompetenz muss immer weiter aktiv gefördert und gefordert werden.

Jede Rolle in Management-, Projekt- und Fachteams sollte daher gemäß ihrer funktionalen und kulturellen Rolle im Sinne der Vielfalt besetzt werden. Die Mitglieder, aber vor allem die Leitung der Teams sollten sich mit den einzelnen Herkunftskulturen der Teammitglieder und des Zielkunden beschäftigen und das Wissen an das Team transferieren.

Unternehmen, die immernoch und ausschließlich lokal denken, werden vielleicht morgen von gestern sein. (bw)