EU-Querelen: Microsoft droht mit Vista-Verschiebung

08.09.2006
Äußerungen von Microsoft könnte man dahingehend deuten, dass der Konzern den Erscheinungstermin von Vista aufgrund Ärger mit den europäischen Kartellbehörden verschieben würde.

Die EU-Regulierer hätten "verschiedene Bedenken" hinsichtlich des Produkts aufgeworden, erklärte ein Sprecher des Redmonder Softwarekonzerns. Microsoft habe bereits im Frühjahr "konkrete Vorschläge" gemacht, um diese auszuräumen.

"Sobald wir die Antwort der Europäischen Kommission erhalten, werden wir wissen, ob die Kommission zusätzliche Änderungen an dem Produkt fordert, die zu einer Verschiebung in Europa führen würden", sagte der Sprecher. Microsoft habe die Regulierer in den vergangenen 15 Monaten in "ausführlichen Briefings" über Vista informiert und auch Rezensionsexemplare der Software übergeben.

Jonathan Todd, Sprecher der EU-Kommission, verwehrte sich in einer Stellungnahme gegen die Unterstellung, die Brüsseler Exekutive verzögere den Start von Vista. Die Kommission habe Microsoft Anfang Juli eine "detaillierte Liste" ihrer Bedenken bezüglich Vista übersandt. Microsoft habe um eine Fristverlängerung für seine Antwort nachgesucht und diese schließlich Ende August übermittelt. EU-Kommissarin Neelie Kroes habe am 22. August telefonisch mit Steve Ballmer höchstpersönlich über die Angelegenheit gesprochen.

Bewegte Vorgeschichte

Im März 2004 hatte die Europäische Kommission Microsoft zu einer Rekordgeldstrafe von 497 Millionen Euro verurteilt und dem Softwarekonzern verschiedene Auflagen zur Änderung seiner Geschäftspraxis auferlegt. Microsoft hatte dagegen Berufung eingelegt; eine Entscheidung in der Sache wird für nächstes Jahr erwartet.

Im Juli dieses Jahres verhängte die Kommission gegen Microsoft dann eine weitere Geldstrafe in Höhe von 280,5 Millionen Euro wegen Nichterfüllung der Auflagen von 2004. Auch dagegen will Microsoft Berufung einlegen und in den nächsten Wochen diesbezüglich Unterlagen bei Gericht einreichen.

Parlamentarier auf Abwegen

Unabhängig davon haben vier Abgeordnete des Europaparlaments, drei aus Großbritannien und einer aus Polen, die Europäische Kommission für ihren Umgang mit Microsoft kritisiert. Die "andauernde Verfolgung von Microsoft" könne dazu führen, dass der Konzern seine Produkte in Europa später auf den Markt bringe. Das könnte aus Sicht der vier Kritiker schwerwiegende wirtschaftliche Folgen haben.

"Wir befürchten, dass die Konsequenzen des Handelns der Kommission das Ziel Europas unterminieren, bis zum Jahr 2010 zur wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgetriebenen Wirtschaft der Welt zu werden", schreiben sie an Kroes. Es sei "ein Alarmsignal, dass eine der erfolgreichsten Technologiefirmen der Welt die Position der Europäischen Kommission als Risikofaktor betrachtet." Todd widersprach auch hier: "Es gibt keinen Grund, warum Microsoft Vista nicht einer Art und Weise vermarkten kann, die den Wettbewerbsauflagen voll entspricht", erklärte der Kommissionssprecher. (tc)