Kunden-Management

Es geht auch ohne Spezialanwendung

30.01.2003 von von Michael
Bei vielen Anwendern steht Customer-Relationship- Management (CRM) im Ruf einer teuren Spezialdisziplin. Aber irgendwie muss jeder mit seinen Kunden umgehen. Unterstützung dafür bieten immer mehr Hersteller mit integrierten Modulen für ihre ERP-Systeme. Doch wie viel CRM steckt drin?

EINES IST KLAR: Als unzureichende Behelfslösung können integrierte Kunden- Management-Module von ERPSystemen heute nicht mehr abgetan werden. Aber sind die integrierten Lösungen von SAP, Microsoft Business Solutions Deutschland (ehemals Navision) und Baan und andere deshalb schon eine gleichwertige Alternative zu Spezialanbietern wie Siebel, CAS Software AG oder Update.com?

Im direkten Vergleich zeigt sich, dass beide Systemarten grundsätzlich ähnliche Stärken und Schwächen aufweisen. So konnte bei regelmäßigen Produktund Marktstudien ein durchweg hohes Leistungsniveau in den Bereichen Marketing und Service, aber auch im Service- Management festgestellt werden. Kampagnen- Management, Budgetplanung, Responseerfassung und Kundenklassifizierung etwa gehören bei Marketing und Service zum Standard. Im Service-Management verfügen User über Selektionsfunktionen für die Besuchsplanung, Kundendienst- Controlling sowie Kundendienstdaten wie Datum, Grund oder Ersatzteil. Schwächen fanden sich hingegen in den Bereichen Terminund Call-Center-Management.

Bei den Internet-Funktionen für das Termin- Management fehlen beispielsweise oft die Analyse des virtuellen Kaufverhaltens oder die Helpdesk-Anbindung. Das Call-Center-Management wird erschwert, wenn Sales Pipeline, Skripting, automatische Anrufverteilung oder Interactive Voice Response fehlen.

Basisfunktionen abgedeckt

Anbietern beider Kategorien musste darüber hinaus ein sehr hoher Standard bei den CRM-Basisfunktionen - Adress-, Kontakt- und Kommunikations-Management - bescheinigt werden. Der Bereich Adressdatenbank inklusive Adressverwaltung sowie die Kontaktdaten werden weitestgehend überall voll abgedeckt. Doch ein genauerer Blick deckt auf, bis zu welchem Punkt integrierte CRMModule einen Stand-alone-Funktionsumfang teilen. Insbesondere im Bereich Marketing ist der Funktionsumfang bei spezialisierten Stand-alone-Lösungen wesentlich umfangreicher. Dieser Umstand ergibt sich aus der traditionell starken Nachfrage von Großunternehmen und Konzernen in diesem Bereich. Zum anderen wird gerade das Marketing heute noch von vielen Unternehmen als abgeschlossenes System verstanden und gelebt (Stichwort: Abteilungsdenken). Zwar besitzen auch integrierte CRM-Module heute teils sehr umfangreiche Marketingfunktionalitäten. Geeignete Tools zur Analyse, Kampagnengenerierung, Fullfillment, Ergebnismessung

oder regelbasierte Tools für ein Automatisieren der Prozesse und ein Customer Life Cycle für die strategische Betrachtung von Kundenbeziehungen fehlen aber meist.

Die Folgen: Komplexe Kampagnen müssen in integrierten Modulen häufig aufwendig „zu Fuß“ gefahren werden. Der wichtige Kampagnenkreislauf aus (Werbe-) Aktion und Redaktion kommt nicht zustande. Alle Marketingaktivitäten gehen lediglich aus dem Unternehmen heraus. Wer einen weitestgehend anonymen Markt bearbeiten muss, ist daher sehr gut mit einer Stand-alone-Lösung beraten, weil diese die dafür notwendigen und zum Teil hoch spezialisierten Marketing-Tools bereithalten. Allerdings sind diese Systeme aufgrund ihres Volumens (im Großkundenbereich ähnlich einer kompletten Buchhaltung und Warenwirtschaft) sowie dem hohen Individualisierungsgrad erheblich teurer als CRM-Module aus Standard- ERP-Systemen. Man kann hier von einer deutlich sechsstelligen Summe ausgehen.

Branchen wie der Handel beispielsweise, der sich traditionsgemäß einem starken Wettbewerbsdruck gegenüber sieht, nutzen denn auch für gewöhnlich diese umfangreichen Marketingfunktionalitäten. Auf der anderen Seite sind es gerade Unternehmen, die sich in einem sehr engen Marktumfeld bewegen, wie zum Beispiel der fertigende Mittelstand, die nur eingeschränkt Verwendung für diese Funktionalitäten haben. Ähnlich verhält es sich beim Call-Center-Management, welches ebenfalls dem Marketing zugeordnet werden kann.

Integration zahlt sich aus

Die integrierten Module von Standard- ERP-Systemen besitzen ihre Stärken vor allem in Vertriebssteuerung oder Service und Sales. Die Begründung ist einfach: Hier spielen vor allem die Backoffice-Daten aus den betriebswirtschaftlichen Kernanwendungen eine große Rolle. Die enge Verbindung zwischen ERP-Software und dem jeweiligen Kunden-Management zahlt sich hier aus. So etwa bei der Angebotserstellung und -verfolgung. Sie basiert auf aktuellen Zahlen aus der Kostenrechnung und der Finanzbuchhaltung. Der Integrationsvorteil eines CRMModuls schafft hier also einen deutlichen Mehrwert: Die Daten werden automatisch von dem System weitergegeben und müssen nicht manuell übertragen werden.

Überhaupt darf man den Aspekt der Datenintegration bei einem Vergleich von Stand-alone und integrierten Produkten nicht außer Acht lassen. Denn Standalone-Lösungen verlangen einen hohen Implementierungsaufwand, der sogar den gehobenen Mittelstand bald an die Grenzen des betriebswirtschaftlich Sinnvollen führt. Notwendige Arbeitsschritte zur Einführung sind beispielsweise das Festlegen der Prozessübergänge sowie die darauf aufbauende Programmierung der erforderlichen Schnittstellen.

Nur große Unternehmen mit eigenen umfangreichen IT-Abteilungen verfügen über die notwendige Manpower für solch umfangreiche und komplizierte Einführungen. Und natürlich hat solcher Aufwand seinen Preis: Wenn man von komplexeren Stand-alone-Lösungen ausgeht, kann man zehn bis 15 Tage reine Implementierungszeit kalkulieren. Bei einem Tagessatz von 1000 bis 2000 Euro sind Summen von 10 000 bis 30 000 Euro allein für die Implementierung realistisch. (uk)

* Michael Gottwald ist geschäftsführender Gesellschafter der SoftSelect GmbH in Hamburg.