Sparen mit gebrauchten Geräten

Erste Wahl aus zweiter Hand

11.09.2003 von Katharina Friedmann
Dem Geschäft mit preisgünstigem IT-Equipment aus zweiter Hand wird prächtiges Gedeihen nachgesagt. Zählten bislang primär Privatanwender, Schulen und Behörden zu den Abnehmern, kommt der Erwerb nicht mehr ganz taufrischer Hardware mittlerweile auch für Unternehmen immer häufiger in Frage - nicht nur aus finanziellen Gründen.

RAINER ALBRECHT, DV-Leiter der Bellheimer Metallwerk GmbH, bringt einen der Hauptgründe für das zunehmende Firmeninteresse an Secondhand- IT auf den Punkt: „Zu Zeiten, in denen man besonders aufs Budget schauen muss, ist der Kauf von gebrauchter Hardware eine interessante Option.“ Seit einiger Zeit setzt das Unternehmen, das 450 Mitarbeiter beschäftigt, des Öfteren auf Gebrauchthardware und greift insbesondere bei aktuellen Netzkomponenten und Servern jüngeren Jahrgangs zu. So hat sich der Mittelständler im vergangenen Jahr drei zwölf Monate alte Compaq-Systeme zugelegt, die mittlerweile als die mittlerweile als Web- oder File-Server ihren Dienst verrichten. Die erzielten Einsparungen gegenüber einem Neukauf beziffert Albrecht mit rund 40 Prozent. Parallel zu den USA, wo Firmen den Erwerb gebrauchter Assets bereits seit geraumer Zeit als günstige Beschaffungsoption nutzen, scheint sich der Sekundärmarkt - nicht zuletzt aufgrund der misslichen Wirtschaftslage - auch hierzulande als Alternative zum kostspieligen Technologiewettlauf auf dem IT-Markt zu etablieren. „Wir erhalten täglich mehr Anfragen von Unternehmen, die gebrauchte Maschinen kaufen wollen“, weiß Michael Sulatycki, Marketing & Business Development Manager bei Livingston Electronics Services, zu berichten. Der Darmstädter Hardwarevermieter erzielt rund 15 Prozent seines Jahresumsatzes über den Verkauf seiner „ausgemusterten“ Miet-IT - darunter Workstations, Server, PCs und Notebooks.

Nachfrage gestiegen

Nach Angaben der Secondhand-Spezialisten hat insbesondere der Mittelstand Blut geleckt. „Etwa zehn Prozent unserer Kunden sind mittelständische Firmen“, so Maximilian Winter, Geschäftsführer der Ergotrade Solutions GmbH. Der IT-Wiedervermarkter, der sich ursprünglich nur dem Export von Gebrauchtgeräten widmete, versorgt mittlerweile neben innerdeutschen Schulen, Institutionen und Privatkunden zunehmend mehr Unternehmen mit Geräten aus zweiter Hand.

Nach Angaben von Winter ist die Nachfrage in den letzten Monaten gestiegen. Bei Xsellent, dem Internet-Vermarktungsportal der Compubizz AG, machen kleinere bis mittlere Unternehmen inzwischen 20 bis 25 Prozent aus. Doch größere Firmen und Banken stellen immerhin 15 bis 20 Prozent der insgesamt 5000 registrierten Kunden dar. Als Partner von Leasing-Gesellschaften, ITHerstellern und Großunternehmen verkauft Xsellent gebrauchte Systeme und Überbestände aus der IT- und TK-Industrie, dient seit kurzem jedoch auch Fremdanbietern als Plattform für die Veräußerung von Hardware aus zweiter Hand. Zu den erklärten Rennern im Gebrauchtgeschäft zählen nach Aussagen der Anbieter neben PCs, Monitoren und Druckern insbesondere Notebooks. „Wir haben kürzlich 100 IBMThinkpads von einer großen Unternehmensberatung für jeweils 299 Euro verkauft. Die waren innerhalb von Minuten weg“, schwärmt Xsellent-Betreiber Peter Bundgard. Bereits nach einem halben Lebensjahr seien die nicht mehr ganz unberührten Tragbaren um bis zu 50 Prozent günstiger als ein Neugerät, begründet Livingston-Manager Sulatycki deren Popularität.

Ein weiteres interessantes Spielfeld in der Secondhand-Branche stellt der Bereich Server dar. Allerdings handelt es sich dabei meist nicht um Systeme, die eine mehrjährige Laufzeit hinter sich haben, sondern um mehr oder weniger neuwertige Geräte. Nach Angaben der Anbieter floriert nicht nur das Geschäft mit Intel-basierenden Systemen, sondern auch der Handel mit Unix-Maschinen aus zweiter Hand. „Eine entsprechend ausgestattete Sun V880, die neu mit einem Listenpreis von rund 90000 Euro zu Buche schlägt, kostet nach sechs Monaten etwa 40 bis 45 Prozent weniger“, nennt Sulatycki ein Beispiel.

Wie die Bellheimer Metallwerke GmbH setzt auch Sixt auf Server aus zweiter Hand. Der Autovermieter kauft jedoch ausschließlich Original-Vorführmodelle direkt vom Hersteller, die höchstens zwölf Monate alt sind. Im vergangenen Jahr hat sich das Unternehmen mit vier Systemen - inklusive Garantie - eingedeckt. Gespart hat Sixt dabei zwischen 30 und 40 Prozent.

Friseurkette kürzt Ausgaben

Mit dem primären Ziel, die Beschaffungskosten in Grenzen zu halten, kommt auch bei der Hair-Cosmetic- Team GmbH gebrauchte Hardware zum Zug. Laut Geschäftsführer Steffen Clauß ist die derzeit in den 26 Filialen der Friseurkette einsetzte Rechentechnik in Sachen Leistung ausreichend für die Übermittlung der Daten aus den einzelnen Niederlassungen in die Schweriner Zentrale. Aus zweiter Hand stammen jeweils ein Kassensystem, ein Statistik- Server, auf dem die täglichen Umsätze erfasst werden, sowie Drucker.

Doch die Anschaffungskosten sind nicht das einzige Argument für die Secondhand- Hardware: Im Gros der Fälle lebt die Gebraucht-IT in Form von Einzelteilen in betagteren Gerätegenerationen weiter oder leistet als homogene Erweiterung in älteren Umgebungen ihren Dienst. „Genau hier setzen wir an“, beschreibt Ergotrade-Chef Winter. Zu Zeiten knapper Budgets entschieden IT-Manager nicht selten zugunsten einer - preiswerteren - Erweiterung nach bestehenden Gerätestandards, anstatt das Gesamtvolumen zu erneuern.

So auch die Erfahrung von Matthias Krönke, Gründer und Vorstand der Internetsalesforce AG, einem Dienstleister für Leasinggesellschaften, IT-Hersteller und Großunternehmen, der insbesondere Server und Workstations wiedervermarktet: Ersatzinvestitionen seien eines der Hauptmotive für Firmen, Gebraucht- IT zu kaufen. „Wir haben Kunden wie Siemens (die selbst Siemens-Rechner bei uns beziehen), Daimler- Chrysler oder Audi. Diese Unternehmen legen sich Gebrauchtgeräte nicht primär aus Kostengründen zu, sondern um die Homogenität ihrer Systemlandschaft zu bewahren.“

Last, but not least, kurbelt auch der aktuelle Trend hin zu Terminal- Server-Anwendungen den Absatz an. „Man fängt schon an zu überlegen, ob man als dummen Client mit niedrigen Leistungsanforderungen einen 800- Euro-PC einsetzt, obwohl es auch ein Gebrauchter für 150 Euro tun würde“, erklärt Winter von Ergotrade.

Nur mit gültiger Herstellergarantie

Eckart Reichle, Senior Consultant im Bereich Administration bei der Daimler- Chrysler Bank, nennt ein weiteres Motiv für den Erwerb von IT aus zweiter Hand: die Überbrückung einer technischen Erneuerungsphase. „Der Einsatz von Gebrauchthardware erfolgt nicht unbedingt als Kostensparmaßnahme, sondern auch aus technischen Gründen.“ So behilft sich die rund 1500 Mitarbeiter starke Tochter des Automobilkonzerns am Ende eines Technikzyklus’ mit Gebraucht-Servern. „Wenn die neue Maschinenlandschaft noch nicht verfügbar ist, muss die alte, die ja noch laufen muss, kreativ stabilisiert werden“, schildert Reichle die Lage kurz vor dem Umstieg auf eine neue Gerätegeneration. Die IT-Abteilung müsse in der Lage sein, auch Defekte in betagten Systemen zu kompensieren, da kompatible Ersatzgeräte einige Jahre nach Ablauf der Server-Produktionszeit je nach Hersteller nur noch sehr schwer zu beschaffen seien. „Da kann es trotz eines gewissen Notvorrats, den man sich für alle Eventualitäten zugelegt hat, zu Engpässen kommen“, erläutert der Senior Consultant des Finanzunternehmens.

Um sich bis zu der für April 2003 geplanten, schrittweisen Migration auf die neue Gerätegeneration „durchzuhangeln“, hat die Daimler-Chrysler Bank fünf gebrauchte Systeme verschiedener Hersteller ausgeschlachtet und die bestehende Server-Infrastruktur auf diese Weise aufgerüstet. Allerdings sei dieses Verfahren nur als Überbrückungsmaßnahme am Ende eines Technikzyklus’ bei Intel-basierenden Maschinen sinnvoll. „Bei Highend-Unix-Systemen kommt man mit Secondhand-Material kaum weiter“, schränkt Reichle ein.

Prinzipielle Zweifel an der Qualität von Gebrauchtgeräten scheinen mittlerweile weitgehend ausgeräumt. So sind es etwa beim Bellheimer Metallwerk gerade auch wichtige Bereiche, in denen die nicht mehr ganz jungfräuliche IT zum Einsatz kommt - laut DV-Leiter Albrecht genau dort, wo Investitionen dringend notwendig sind, das Geld aber derzeit nicht so locker sitzt. „Für die gleiche Summe hätten wir uns lediglich einen neuen Server zulegen können, zum Abfangen gewisser geschäftskritischer Prozesse wurden aber drei Systeme benötigt“, schildert der IT-Chef die Überlegungen. Allerdings kommen für viele Unternehmen nur Systeme mit gültiger Herstellergarantie in Frage. Solange diese noch nicht abgelaufen sei, erläutert Albrecht, könne man darüber hinaus noch einen wirtschaftlichen Wartungsvertrag abschließen. Das bedeute zwar einen Aufpreis, sei als zusätzliche Absicherung aber notwendig. „Wer an der Hardware und am Support spart, ist im Ernstfall handlungsunfähig“, warnt der IT-Chef des Bellheimer Metallwerks.

Restgarantie gibt Sicherheit

„Meist gibt es auf unsere aus der Vermietung stammenden Geräte, die in der Regel nur wenige Wochen oder Monate alt sind, noch eine Restgarantie vom Hersteller“, so Livingston-Manager Sulatycki. Wer etwa ein sechs Monate altes Gerät kaufe, habe demnach noch mindestens eineinhalb Jahre Anspruch auf Garantieleistungen. Grundsätzlich variiert die diesbezügliche Kulanz bei den Anbietern, die sich zwischen sieben Tagen und zwei Jahren für die Gebrauchten verantwortlich fühlen. Bei den meisten lässt sich die Garantie jedoch - gegen Aufpreis - gemäß Kundenwunsch verlängern.

Einen regelrechten Secondhand- Boom sehen Kenner der deutschen Unternehmenslandschaft allerdings noch nicht. So bestätigt Dieter Sinn, Managing Partner bei dem Münchner Beratungsunternehmen Sinn-Consulting, zwar das wachsende Angebot an Geräten aus zweiter Hand, eine steigende Nachfrage von Seiten größerer Firmen hat der Consultant jedoch nicht ausmachen können. „Die Unternehmen sitzen ja selbst auf großen Beständen älterer Hardware“, erklärt Sinn. Die firmeneigenen Pools an nicht mehr brandaktueller IT, so der Berater, setzen sich aus „Boom-Zeit-Resten“, also durch den Abbau von Personal und den Rückzug aus Installationen und Standorten brach liegendem Equipment sowie Überbeständen von Firmenübernahmen oder -pleiten zusammen.

Beschaffungsprozess ist teuer

Auch nach Meinung von Henrik Klagges, Managing-Partner des Beratungsunternehmens TNG Technology Consulting, besteht hier derzeit noch kein wirklicher Trend. „Selbst wenn ein Gebraucht-PC nur 150 Euro kostet, wird der Beschaffungsprozess so teuer, dass man lieber ,echte neue‘ Geräte kaufen sollte“, gibt der Consultant zu bedenken. Schließlich seien neue Desktops inklusive Garantie bereits für 300 bis 500 Euro zu haben. Anders verhält es sich nach Ansicht von Klagges mit dem Erwerb gebrauchter Komponenten aus dem Rechenzentrum. Gegen den Kauf etwa eines Cisco-Routers für 20 bis 25 Prozent des aktuellen Neupreises sei nichts einzuwenden.

Dennoch dürfte das immer attraktivere Angebot im Secondhand-Markt das Interesse an Hardware aus zweiter Hand weiter steigern. Schließlich handelt es sich dabei um nahezu neuwertiger Assets, freigesetzt etwa - wie von Berater Sinn erwähnt - durch Insolvenzen, Massenentlassungen und Fusionen. Darüber hinaus kommt die sich wandelnde Grundhaltung der Unternehmen dem Geschäft mit der Gebraucht- IT entgegen: War bislang das Beste und Aktuellste gerade gut genug, orientiert sich die Kaufentscheidung heute angesichts der anhaltend knappen IT-Budgets eher an der für die jeweilige Zielanwendung erforderlichen Leistung.

Der Autovermieter Sixt beispielsweise achtet bei der Auswahl seiner Server durchaus auf die Aktualität des Modells, die jeweils jüngste Prozessorgeneration muss es hingegen nicht sein. „Die zweitschnellste ist genauso gut“, lautet die Devise des Unternehmens. Das auf diese Weise gesparte Geld könne man in andere Projekte stecken.