Wenn ein IT-Projekt gegen die Wand kracht, geschieht das in den wenigsten Fällen wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel. Vielmehr rutscht das Vorhaben ganz langsam in die Schieflage, und es gibt Anzeichen, die einen aufmerksamen Beobachter rechtzeitig warnen könnten. Sharon Anderson, IT-Managerin der Gemeinde San Luis Obispo in Kalifornien, und Adele Sommers, Autorin des Buchs "Straight Talk on Boosting Business Performance: 12 Ways to Profit from Hidden Potential", haben sie auf der britischen Website www.projectsmart.co.uk zusammengetragen.
Mehr noch: Die beiden Autorinnen haben vier Gegenmaßnahmen identifiziert, lahmen Projekten auf die Sprünge helfen können, bevor sie ganz zusammenbrechen. Aber dazu muss man erst einmal erkennen, welche Projekte nicht mehr rund laufen.
Was kennzeichnet gefährdeter Projekte?
IT-Vorhaben, die ihre Ziele zu verfehlen drohen, weisen häufig eines oder mehrere der folgenden Kennzeichen auf:
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Notwendige Informationen liegen nicht vor - oder jedenfalls nicht in brauchbarer Form. Entweder ist der Projektumfang nicht sauber umrissen, oder die wirklichen Bedürfnisse von Nutzern und Kunden wurden nicht angemessen berücksichtigt. Im letztgenannten Fall wird das Projekt vielleicht ein Ergebnis liefern, aber eins, das den Auftraggebern nicht weiterhilft.
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Es gibt keine Change-Management-Prozesse.
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Die Rückendeckung vom Topmanagement und von den Auftraggebern fehlt.
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Das Projekt hat keine hohe Priorität im Unternehmen, folglich auch zu wenig Budget und Manpower.
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Probleme, die das Projekt wirklich gefährden können, werden unter der Decke gehalten, sprich: nicht oder nicht rechtzeitig nach oben berichtet. Das kostet menschliche und finanzielle Ressourcen sowie Zeit, zudem verhindert es eine effektive Neuplanung.
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Risiko- und Notfallplanung wurden vernachlässigt. Beispielsweise sollte es einen Plan B geben, falls wichtige Teammitglieder das Unternehmen verlassen oder aus dem Projekt abgezogen werden.
Wie erkennt man, wann es Zeit ist zu handeln?
Wer Probleme früh erkennt und behebt, kann den Super-GAU verhindern. Aber dazu darf man die roten Lämpchen nicht ignorieren. Für die, die sie nicht erkennen: Sie sehen beispielsweise so aus.
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Der Zeitplan läuft aus dem Ruder, Zusagen werden nicht eingehalten.
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Das Budget ist bereits überzogen - und kein Ende in Sicht.
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Die Projektmitarbeiter sind wenig motiviert und arbeiten nicht als Team.
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Es gibt immer mehr unkontrollierte Änderungen und Erweiterungen.
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Zunehmen unklar werden die Richtung, in die das Projekt laufen, und der Zeitpunkt, an dem es dort ankommen soll.
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Mögliche oder bereits aufgetretene "Showstopper" wurden nicht identifiziert beziehungsweise untersucht.
Welche Maßnahmen taugen zur Rettung?
Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Auch wenn ein Projekt bereits auf der Kippe steht, lässt es sich noch retten. Anderson und Sommers kennen vier Erste-Hilfe-Maßnahmen.
Zunächst einmal ist die Ist-Situation ohne Beschönigung festzuhalten. Auf dieser Basis lässt sich dann das Projekt neu planen. Dazu müssen alle Beteiligten ihre Erwartungen noch einmal überdenken. Und am Ende steht ein neuer Projektplan, der die Fehler des alten hoffentlich nicht wiederholt.
1. Die Bestandsaufnahme
Um ein krankes Projekt zu heilen, ist es notwendig, zunächst einmal die Art und Schwere der Krankheit zu diagnostizieren. Das geht nur mit einer schonungslosen Betrachtung des Ist-Zustands. Nach Ansicht der beiden Autorinnen schadet es keineswegs, diese Maßnahme auch auf gesunde IT-Vorhaben anzuwenden, also von Zeit zu Zeit einmalmal "die Temperatur zu messen" und die offene Kommunikation über den Projektzustand zu fördern. Im Einzelnen raten sie zu folgenden Aktionen:
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An erster Stelle stehen Reviews der Projektdokumentation, des Projektplans und der Liste offener Punkte;
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Aufschluss über den Status quo geben Interviews mit den Sponsoren, dem Team, den Auftraggebern, den Lieferanten etc.
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Daraus lassen sich auch die tatsächlichen Erwartungen an das Projekt ableiten - und miteinander in Einklang bringen.
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Und last, but not least wird auf diese Weise deutlich, welche die Probleme sind, die dem Projekt den Todesstoß versetzen.
2. Neuplanung des Projekts
Auf der Basis dieser Bestandsaufnahme lässt sich der Projektplan korrigieren oder neu aufsetzen. Für ein erfolgreiches "Re-Alining" empfehlen Anderson und Sommers:
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eine Bestätigung der Projekt-Sponsoren und -Stakeholder;
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die Verifizierung und Bewertung der Projektziele;
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die Klärung der Prioritäten und Risiken; gegebenenfalls sollte ein Projekt von niedrigem Rang eingestellt, verschoben oder im Umfang begrenzt weden;
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die Definition der Eskalationswege für Fragen, Befürchtungen und Schwierigkeiten;
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die realistische Einschätzung der vorhandenen Ressourcen - sowohl der Leute als auch der Finanzen;
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die Beschreibung aller Rollen und Verantwortlichkeiten im Projekt;
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eine eingehende Betrachtung der Dokumention - im Hinblick auf den Zeitplan und die Identifikation kritischer Punkte einschließlich der zugehörigen Aktionen;
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eine Antwort auf die Frage, ob in den Projekt-Meetings eigentlich die richtigen Leute sitzen;
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das Festlegen neuer oder die Bestätigung der bereits definierten Meilensteine für den Projektfortschritt.
3. Reset der Erwartungen
Jede Änderung ruft bei den Betroffenen zunächst einmal Argwohn hervor. Um ein Klima des grundsätzlichen Einverständnisses zu erzeugen, halten Anderson und Sommers folgende Vorgehensweise für sinnvoll:
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Präsentieren Sie den Sponsoren, Auftraggebern und Teammitgliedern die ungeschminkten Fakten.
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Fordern Sie Zustimmung für die weitere Vorgehensweise ein. Wenn es notwendig sein sollte, den Projektumfang zu verringern und/oder Budget und Zeitplan zu überarbeiten, diskutieren und verhandeln Sie das mit den Geldgebern.
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Sogen Sie dafür, dass das Team an einem Strang zieht.
4. Mit Volldampf zu neuen Ufern
Wenn diese Hausaufgaben gemacht sind, kann das Projekt wieder auf Kurs gebracht werden. Damit sich aber nicht wieder die alten Fehler einschleichen, sollten Sie folgende Ratschläge herzigen:
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Tun Sie genau das, was zu tun Sie versprochen haben.
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Halten Sie den Projektplan auf dem Laufenden und reden Sie mit Ihrem Team regelmäßig darüber.
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Hören Sie Ihren Leuten zu. Schießen Sie nicht auf den Überbringer schlechter Nachrichten.
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Eskalieren Sie die Probleme - an ein Steering Committee, an das Management oder an die Auftraggeber in den Fachbereichen.
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Behalten Sie die Erwartungen im Auge. Versuchen Sie notfalls rechtzeitig, sie an die Gegebenheiten anzupassen.
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Gewöhnen Sie sich eine positive, aber wirklichkeitsnahe Haltung hinsichtlich des Projekterfolgs an, und behalten Sie sie.
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Versichern Sie die Teammitglieder Ihrer Wertschätzung, feiern Sie Erfolge, lernen Sie aus Fehlschlägen.
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Kommunizieren Sie, kommunizieren Sie, und kommunizieren Sie noch mehr. (qua)