Lizenz-Management

Erst bei Unbehagen in der Chefetage tut sich was

16.03.2010 von Uwe Küll
Lizenz-Management ist ein wichtiges Compliance-Thema. In der rechtlichen Verantwortung steht auch das Management.
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Vor einem allzu laxen Umgang mit den internen Software-Lizenzen in Anwenderunternehmen warnen Bernhard Böhler, Geschäftsführer, Aspera GmbH, und Michael Drews, Geschäftsführer der Adlon Datenverarbeitung Software GmbH. Im Rahmen des Executive Program Software Asset Management (SAM) sprach Computerwoche-Redakteur Uwe Küll mit den beiden SAM-Experten.

CW: Was genau ist eigentlich Software Lizenz-Management, was Software Asset Management? Und wie hängen beide zusammen?

Bernhard Böhler: Software-Lizenz-Management ist eine Unterdisziplin des Software-Asset-Managements. Das Lizenz-Management beschäftigt sich im Wesentlichen mit allen kaufmännischen und vertraglichen Aspekten; dazu gehören eine eindeutige Kennzeichnung und das Pricing genauso wie Wartungseigenschaften, die anzuwendende Lizenzmetrik oder Fragen der Übertragbarkeit oder anzuwendender Downgrade-Rechte. Mit dem Software Asset Management als Überbegriff werden zusätzlich zu Lizenzen und Verträgen auch alle Informationen hinsichtlich der installierten und genutzten Software ermittelt und ausgewertet, sei es durch Discovery-Daten oder eine Vielzahl anderer Datenquellen und Prozessen wie etwa dem Service- und Configuration-Management.

Michael Drews: Das gemeinsame Ziel ist letztlich immer Compliance. Um compliant zu sein, muss ein Unternehmen in der Lage sein, kaufmännische oder rechtliche Informationen einerseits und technische Informationen andererseits über den Status der Softwarenutzung im Unternehmen kurzfristig verfügbar machen zu können - gegenüber den Lieferanten dieser Software gemäß den geschlossenen Verträgen, aber beispielsweise auch gegenüber Wirtschaftsprüfern im Zuge der Bilanzerstellung nach internationalen Standards.

Software Asset Management

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Rechtliche Regelungen erfordert Lizenz-Management

Michael Drews, Adlon Datenverarbeitung Software: Das Lizenz-Management ist in der Chefetage angekommen, denn die rechtliche Verantwortung dafür liegt bei der Geschäftsführung.
Foto: CW-Events

CW: Lizenzen gibt es, seit es Software gibt. Warum rückt Lizenz-Management erst jetzt ins Licht der Öffentlichkeit?

Drews: Dafür gibt es natürlich viele Ursachen. Eine ist: Die Kunden haben keine Zeit. Bei der Einführung von Software geht es häufig um große Projekte mit vielen zu lösenden Aufgaben - da rückt die Frage der Lizenzierung schnell in den Hintergrund. Ist die Software dann einmal eingeführt, stehen schon wieder andere Themen auf der Tagesordnung. Außerdem ist das Bewusstsein für den Wert einer Software im urheberrechtlichen und wirtschaftlichen Sinne bei vielen Kunden erst durch verbindliche Regelungen wie den Sarbanes Oxley Act und eine konsequentere Rechtsprechung erwacht. Früher wurde die Verwaltung von Lizenzen hauptsächlich als ein technisches Bereitstellungsthema gesehen, das IT-Administratoren betrifft. Heute ist es im Management angekommen, denn die rechtliche Verantwortung liegt letztlich bei der Geschäftsführung - und dieser Aspekt wurde früher kaum gesehen.

Böhler: Das hat auch historische Gründe. Früher waren Hardware und Software im Prinzip eins. Wer sich beispielsweise eine AS 400 in den Keller stellte, hatte damit das Thema Datenbank und Anwendungen gleich mit erledigt. Mit dem Aufkommen von PCs und Client-/Server-Infrastrukturen änderte sich das. Die Anwendungen wurden prinzipiell unabhängig von der Maschine, auf der sie liefen, und damit ergab sich für die Softwarehersteller eine völlig neue Wettbewerbssituation mit vielen neuen Marktchancen, aber auch einem gewissen Kontrollverlust, der die Abrechnung erschwerte. Solange die Branche boomte, fiel das für viele Anbieter nicht weiter ins Gewicht. Statt über Lizenzierung zu verhandeln, wurde lieber ein neues Projekt aufgesetzt. Doch spätestens seit sich zu der starken Konsolidierung in der Softwarebranche die ersten Anzeichen der Krise gesellten und der Kampf um die neuen Projekte immer schwieriger wurde, rückte das Thema Lizenzen in den Fokus. Die Krise verschärft den Druck von Anbieterseite und damit den Handlungsbedarf für die Anwender.

CW: Wie äußert sich das konkret?

Drews: Führende Hersteller von Software investieren heute gezielt in Programme für Software Asset Management. Sie zertifizieren Partner für die Durchführung entsprechender Projekte beim Kunden, bieten Tools für die Verwaltung ihrer Lizenzen an und veranstalten Audits, bei denen die Kunden die Rechtmäßigkeit ihrer Softwarenutzung nachweisen müssen.

Wann ist Lizenz-Management ratsam?

Bernhard Böhler, Aspera: Wer seine IT-Beschaffungsprozesse nicht sauber definiert und dokumentiert, verliet bei der Software schnell den Überblick.
Foto: CW-Events

CW: Warum ist es dann immer noch so schwer, den Überblick über die Lizenzen im Unternehmen zu behalten?

Böhler: Auch hier gibt es wieder zwei Wahrheiten. Die eine liegt auf Kundenseite: Wer seine IT-Beschaffungsprozesse nicht sauber definiert und dokumentiert, wird bei einem so wenig greifbaren Gut wie Software schnell den Überblick verlieren. Aber auch die Anbieter machen es den Anwendern nicht eben leicht: Es gibt zu viele unterschiedliche Lizenzierungs- und Abrechnungsmodelle. Nur mit umfassendem Know-how und speziellen Tools lässt sich diese Komplexität in den Griff bekommen.

CW: Das klingt nach einigem Aufwand, der ja auch finanziert werden muss. Ab wann lohnt sich denn Lizenz-Management oder SAM?

Drews: Ab dem ersten Computer.

Böhler: Juristisch betrachtet, stimme ich Ihnen da zu. Wirtschaftlich betrachtet würde ich sagen: ab zirka 800 Clients.

Drews: Das sehe ich etwas anders - ein bisschen Compliance gibt es nicht. Und auch Compliance ist letztlich ein wirtschaftlicher Faktor: Sanktionen bei Regelverstößen kosten nicht nur Geld, sondern schaden dem Image - und das wiederherzustellen kostet weiteres Geld.

Böhler: Das ist richtig. Andererseits: 100 Prozent Compliance zu erreichen, ist unmöglich. Das Wichtigste ist zunächst mal der Prozess. Der kann in einem kleinen Unternehmen sogar auf einem Blatt Papier definiert sein. Und wenn der klar regelt, wo, in welcher Excel-Datei die Informationen über den Lizenzierungsstatus der geschäftsrelevanten Anwendungen des Unternehmens hinterlegt sind und wer diese Daten wie zu pflegen hat, kann das schon ausreichend sein.

Drews: Gut, wenn man nur an die Lizenzen denkt, mag das funktionieren. Aber dann besteht immer noch die Gefahr, dass zwar der Prozess definiert ist, aber die Daten nicht aktuell sind - denn bei durchschnittlich 500 Applikationen pro PC ist die Pflege in Excel-Tabellen mit der Hand kaum machbar. Und wenn man bedenkt, dass die Verfügbarkeit von Informationen über die eingesetzte Software auch für die Administration der Systeme von großer Bedeutung ist, rechnet sich eine professionelle Software Asset Management Lösung auch schon bei deutlich weniger als 800 Clients.

Gute Sparmöglichkeiten

CW: Als Argument für eine intensive Beschäftigung mit dem Thema Lizenz-Management werden immer wieder hohe Sparpotenziale genannt. Von bis zu 30 Prozent sprechen einige Analysten. Wie realistisch sind diese, und wodurch können sie erreicht werden?

Böhler: Für Großunternehmen sind solche Zahlen heute kaum noch zu erreichen. Die haben ihre Hausaufgaben in Sachen Standardisierung meist soweit gemacht, dass 10 bis 15 Prozent realistisch sind. Diesen Wert können viele Unternehmen erreichen, wenn sie auf "Rundum-sorglos-Enterprise-Pakete" verzichten und entsprechende Verträge kündigen, Lizenz-Anforderungen aus den Fachabteilungen mit Blick auf die Standardisierung der IT ablehnen und prinzipiell bei jeder Anforderung prüfen, ob sie nicht aus dem Lizenzbestand abgedeckt werden kann.

Drews: Konkret kann man zum Beispiel schon dadurch sparen, dass man nicht auf jedem Desktop die Professional-, sondern die Standard-Version einer Office-Software ausrollt. Das funktioniert natürlich nur, wenn Nutzungsverhalten, Anforderungen und Beschaffung in einem klar definierten Prozess aufeinander abgestimmt sind. Aber wenn das der Fall ist, können gerade mittelständische Unternehmen durchaus in die Region von 25 Prozent und mehr an Einsparungen kommen.

CW: Konsolidierung, Standardisierung und Kosteneinsparungen werden auch im Zusammenhang mit der Virtualisierung genannt. Welchen Einfluss hat das Thema Virtualisierung auf das Software Asset Management?

Böhler: Lizenzmetriken sind traditionell hardwarebezogen. Bei der Virtualisierung geht dieser Bezug verloren. Daraus ergibt sich ein direkter Konflikt zwischen Lizenz und Technik, der im Zweifel immer gegen den Kunden ausgelegt werden kann. Nehmen wir ein Beispiel aus der Oracle-Lizenzierung, welche Partitionierung durch Software-VMs (Virtual Machines) als Berechnungsgrundlage ausdrücklich untersagt: Auf einer Maschine mit 16 physikalischen CPUs wird eine Business Application auf einer Virtual Machine betrieben, die 14 der CPUs nutzt. Auf einer weiteren Virtual Machine läuft eine Oracle Database Enterprise Edition, die mit den 2 vermeintlich "verbleibenden" CPUs betrieben wird. Nach der Oracle-Lizenzlogik müssen aber alle 16 physikalischen CPUs lizenziert werden, was einem Betrag von rund 700 000 Dollar entspricht.

Was tun, wenn der Software-Anbieter prüft?

CW: Die Lizenzmodelle großer Anbieter von Business Software standen immer wieder in der Kritik: Intransparenz, fehlende Flexibilität und Knebelung der Kunden wurden moniert. Inwiefern gehen die Anbieter von Software-Lösungen für Lizenz- und Software Asset Management hier mit gutem Beispiel voran?

Böhler: Vor allem dadurch, dass wir unsere eigenen Lösungen nutzen und selbst nach den Kriterien arbeiten, die wir unseren Kunden bei der Definition ihrer Lizenz-Management-Prozesse empfehlen.

Drews: Durch eine klare, einheitliche und leicht nachvollziehbare Abrechnung auf Basis der Clients, die mit unserer Lösung verwaltet werden.

CW: In welchem Umfang sind Einkauf und Fachabteilungen am Software Asset Management beteiligt?

Böhler: Idealerweise zu je 50 Prozent der Einkauf und die technische Seite. Der Hauptfehler vieler Unternehmen in der Vergangenheit lag darin, dass die Beschaffung im Sinne des Lizenz- oder Software Asset Managements nicht nachvollziehbar war.

Drews: Darüber hinaus muss das Senior Management das Thema unterstützen. Ansonst besteht die Gefahr, dass man vielleicht mal über die Prozesse redet, doch die Investition in die nötigen Werkzeuge aufgeschoben wird.

Böhler: Anders ausgedrückt: Erst bei Unbehagen auf oberster Ebene gibt es ein Projekt.

CW: Apropos Unbehagen: Wie sollten Anwender mit dem Thema Audit umgehen?

Drews: Zunächst mal sollten sie die Möglichkeit eines Audits zum Gegenstand ihrer Überlegung machen, bevor ein Hersteller sie dazu auffordert. Die Anwender müssen sich Frage stellen, wie sie denn im Fall des Falles die benötigten Informationen beschaffen. Wer darauf eine klare Antwort hat, ist mit großer Wahrscheinlichkeit gut vorbereitet. Dann ist es nur wichtig, regelmäßig die Probe aufs Exempel zu machen. Auch ein klar definierter und dokumentierter Prozess nützt nichts, wenn am Ende das Ergebnis nicht stimmt, weil sich in der Zwischenzeit wesentliche Parameter geändert haben.

CW: Und wenn man wirklich unvorbereitet überrascht wird?

Böhler: Unbedingt die Ruhe bewahren, offen mit dem Anbieter sprechen und das Ergebnis des Audits abwarten. Wer Lizenzen zukaufen muss, weiß nach dem Audit wenigstens genau, wie viele.

Software Asset Management

Das COMPUTERWOCHE Executive Program Software Asset Management hilft Anwendern, ihre Software nicht nur rechtlich einwandfrei, sondern vor allem wirtschaftlich sinnvoll zu verwalten - von der bedarfsorientierten, kostenoptimierten Beschaffung bis hin zur Abschaltung nicht mehr benötigter Applikationen. Die Fachkonferenz am 17. März 2010 in Frankfurt ist ein Programm der Computerwoche mit ihren Partnern Adlon Software, Aspera und FrontRange Solutions. Für mehr Informationen zur Veranstaltung klicken Sie hier.