ERP: Modernisieren, integrieren, akquirieren

04.03.2005 von Frank Niemann
Anbieter von Business-Software öffnen ihre Client-Server-Produkte für Web-Services, entwickeln Integrations-Middleware und jagen sich gegenseitig Marktanteile ab.

Hier lesen Sie ...

  • dass der Markt für Business-Software sich konsolidiert;

  • die Hersteller ihre Programme in Richtung Web-Services weiterentwickeln;

  • ERP-Anbieter vermehrt Lösungen zur Integration von Fremdsystemen und -daten bereitstellen;

  • Hosting-Angebote für das Customer-Relationship-Management gefragt sind.

Screenshot: Mysap ERP Manager Selfservice

Auf dem Markt für Business-Software herrscht Spannung wie schon lange nicht mehr. Mit der Übernahme des amerikanischen Herstellers Peoplesoft verschieben sich auf dem Weltmarkt die Kräfteverhältnisse. Dadurch ist SAPs Dominanz in Deutschland zwar nicht gefährdet, doch müssen die Walldorfer den Wettbewerber auch hierzulande ernster nehmen. Der Grund: Oracle versucht, Kunden zu gewinnen, die bereits SAP-Produkte einsetzen und Zusatzinvestitionen ins Auge fassen. Zudem hat es der amerikanische Softwarekonzern auf Firmen abgesehen, die mit SAP-Lösungen nicht zufrieden sind.

Oracle umgarnt SAP-Kunden

Die Übernahme und das Erstarken des Konkurrenten Oracle treffen SAP in einer schwierigen Phase: Dem ERP-Marktführer muss es gelingen, seine R/3-Kundschaft möglichst bald auf die Produktlinie Mysap zu bringen. Der Nachfolger Mysap ERP 2004 enthält ein Kernsystem ("ERP Central Component"), das den Funktionsumfang von R/3 abdeckt und eine Reihe von Neuerungen bringt. Doch obwohl es zahlreiche technische Gründe gibt, auf Mysap ERP zu migrieren, will der überwiegende Teil der Kundschaft weiterhin R/3 nutzen.

Oracle bietet mit der "E-Business-Suite" eine moderne, Java-basierende Applikation an, die es durchaus mit SAPs "Mysap Business Suite" aufnehmen kann. Somit gibt es für deutsche Anwender - seien es nun R/3-Nutzer oder ERP-Neukunden - eine Alternative zum Platzhirsch aus Walldorf. Bei diesen Suiten handelt es sich um eine Sammlung von Lösungen zum Finanz- und Rechnungswesen, Customer-Relationship-Management, Personalverwaltung, Supply-Chain-Management sowie zur Fertigungssteuerung. Im Vergleich zu SAP haben bislang jedoch nur sehr wenige deutsche Firmen Oracles Applikationen erworben. Der übernommene Hersteller Peoplesoft kann dagegen durchaus hiesige Großkunden vorweisen, viele davon sind gleichzeitig SAP-Anwender. Zudem bedient die zuvor von Peoplesoft gekaufte Softwareschmiede J.D. Edwards Kunden aus dem Mittelstand - eine Klientel, auf die es auch die Walldorfer verstärkt abgesehen haben.

Hersteller drängen ins Mittelstandsgeschäft

Screenshot: General Ledger von Oracle E-Business Suite 11i

SAPs Stammkundschaft, die großen Unternehmen, hat sich in den letzten Jahren bereits mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware eingedeckt und sieht daher wenig Veranlassung, nun wieder kräftig in Software zu investieren. Nachholbedarf hat hingegen der Mittelstand, denn dort sind gut integrierte ERP-Lösungen noch nicht weit verbreitet.

Im Mittelstandsgeschäft tun sich die Branchenriesen schwer, da hier andere Spielregeln herrschen. Einerseits erwarten Firmen dieser Größe von ihren Lieferanten beziehungsweise deren Partnern angepasste Lösungen, andererseits können und wollen sie sich keine langwierigen Projekte leisten. Im Gegensatz zum Highend gibt es im Mittelstandssegment keinen eindeutigen ERP-Marktführer. Daher tummeln sich in diesem Umfeld Firmen wie SAP, Microsoft, Infor Global Solutions, SSA Global/Baan, Bäurer und Sage, aber auch zahlreiche kleinere Anbieter, die Nischen bedienen, indem sie sich auf bestimmte Industrien konzentrieren oder funktionale Schwerpunkte setzen. So hat sich zum Beispiel die in Achim beheimatete Firma Hinrichs+Müller auf Einzel- und Auftragsfertiger spezialisiert, und das Produkt "Wincarat" des ERP-Lieferanten Bäurer aus Donaueschingen richtet sich speziell an Fertigungsbetriebe aus der Kunststoffindustrie.

Service-orientierte Softwarearchitekturen

Screenshot: Navision 4.0 pps

Die Spezialisierung erübrigt die Anpassung beim Kunden zwar nicht, erleichtert sie aber erheblich. Gerade das kundenspezifische Einrichten von Business-Software verschlingt viel Geld, und zwar dauerhaft, da die Anforderungen einem ständigen Wandel unterworfen sind. Firmen können und wollen jedoch nicht mehr so viel für die Pflege ihrer Anwendungen ausgeben - ohnehin belasten die jährlich fälligen Wartungsgebühren die IT-Budgets. Leichter anpassbar als viele der bisher am Markt verfügbaren Produkte sollen ERP-Systeme sein, die dem Konzept der Service-oriented Architecture (SOA) folgen. Damit sind Softwareumgebungen gemeint, deren Programmmodule sich aus kleinen, abgeschlossenen Softwareeinheiten zusammensetzen. Diese Bausteine sind flexibel, da sie sich einfacher miteinander kombinieren lassen, in unterschiedlichen Funktionszusammenhängen genutzt werden können und leichter anpassbar sind als umfängliche Programmstrukturen. Die Softwareelemente sind untereinander über standardisierte Web-Services-Schnittstellen verbunden. Über diese Interfaces läuft die Kommunikation zwischen den Anwendungsbausteinen, die in eine Art Dienstleistungsverhältnis treten: Dabei fordert ein Programmmodul von einem anderen eine Leistung an, sei es das Berechnen eines Liefertermins oder das Verbuchen einer Rechnung. Die aufgerufene Komponente liefert ein Ergebnis.

Firmen wie SAP, IFS und SSA Global wandeln derzeit ihre bestehenden, meist noch aus der Client-Server-Ära stammenden Lösungen in Service-oriented Architectures um - das geht nicht von heute auf morgen, sondern beschäftigt die Entwicklungsabteilungen jahrelang. Manche Hersteller verabschieden sich gleichzeitig von ihren proprietären Ablaufumgebungen und schwenken um auf eine modernere Plattform, da sie nur so das SOA-Konzept umsetzen können. Die Branche teilt sich dabei in zwei Lager: Die einen migrieren auf Microsofts .NET-Plattform, die anderen auf die Java 2 Enterprise Edition.

Verteilte Fertigung

Flexibilität ist auch anderswo gefordert: Die zunehmende Auslagerung von Fertigungsaufgaben an Subunternehmer oder Töchter im Ausland sowie die IT-Verflechtung zwischen Kunden und Lieferanten erfordert ERP-Funktionen, die:

- eine verteilte Fertigungsplanung- und -steuerung,
- elektronisches Bestellwesen und Lieferketten-Management,
- ausgefeilte Warenlogistik,
- effizientes Lagerwesen und Kommissionierung sowie
- Stammdatenkonsolidierung

ermöglichen.

Dies setzt neben entsprechenden Programmfunktionen Mechanismen für den Datenaustausch und -abgleich zwischen den Unternehmen voraus. Der klassische ERP-Ansatz, bei dem alle Informationen in einer Datenbank und auf einem Server liegen, greift zu kurz. Infolgedessen sind Anwender oft gezwungen, Daten aus Fremdsystemen zu übernehmen und Geschäftsprozesse über mehr als nur eine Applikation abzuwickeln.

Integration als neue Disziplin

Doch in puncto Integration von Drittprodukten boten die Hersteller bislang eher wenig. Zwar gab es die Möglichkeit, Systeme über Schnittstellen zu koppeln, doch die zu entwickeln und zu pflegen bedeutet für den Kunden viel Aufwand. Die Branche geht daher dazu über, entweder eigene Integrationslösungen zu entwickeln oder mit Spezialisten dieser Disziplin zu kooperieren. SAP beispielsweise vermarktet "Netweaver" unter anderem als Integrationsplattform, mit der Unternehmen ihre SAP-Lösungen untereinander beziehungsweise mit Nicht-SAP-Produkten verbinden können. Auch Konkurrent Oracle sieht sich genötigt, Integrationsprodukte anzubieten. Der Sinneswandel bei SAP und Oracle vollzog sich auf Kundendruck.

Andere Hersteller wie etwa die schwedische Firma Intentia entwickeln keine eigene Integrations-Middleware, sondern verlassen sich auf marktgängige Plattformen wie etwa IBMs "Websphere".

Controller wünschen sich Analysefunktionen

Neben der Anwendungskopplung steht bei vielen Unternehmen die integrierte Analyse von Geschäftsdaten ganz oben auf der Wunschliste. Dabei geht es nicht um Auswertungen am Ende eines Monats oder Quartals, sondern um das Abrufen möglichst tagesaktueller Statistiken auf der Grundlage der operativen Daten im ERP-System. Vertriebsleiter möchten beispielsweise aktuelle Verkaufsstatistiken anschauen oder prüfen, ob die Kunden ihre Waren zum vereinbarten Termin erhalten, und die Controller wollen die Deckungsbeiträge bestimmter Warengruppen im In- und Ausland abrufen. Aus diesem Grund entwerfen ERP-Anbieter integrierte Business-Intelligence-Funktionen oder bauen bestehende Module aus.

CRM hat nach wie vor seine Berechtigung

Obwohl die ERP-Systeme zahlreiche Funktionen bieten, decken sie nicht alle Anforderungen im Unternehmen ab. Unter anderem fehlt die Verwaltung von Kundenbeziehungen (Customer-Relationship-Management, kurz CRM). Zwar integrieren die ERP-Hersteller immer mehr CRM-Disziplinen in ihre Produkte, gleichwohl haben dedizierte Lösungen nach wie vor ihre Berechtigung. Das wissen die ERP-Anbieter selbst am besten, haben sie doch eigene CRM-Produkte aufgelegt oder Spezialisten geschluckt.

Auch der CRM-Markt ist von einer zunehmenden Branchenorientierung geprägt. Daher liefern die weltweit führenden Hersteller SAP und Siebel für bestimmte Industrien vorkonfigurierte Pakete aus. Daneben gibt es CRM-Anbieter, die in einer Branche zu Hause sind. Die in Gießen ansässige Firma Cursor Software etwa produziert solche Software für die Energiewirtschaft, während CAS aus Kaiserslautern Kunden-Management-Produkte für die Konsumgüterindustrie auflegt.

Mietmodelle finden Anklang

Neben den Lieferanten von Kaufsoftware haben vor allem die Anbieter von Mietsoftware im CRM-Segment für Furore gesorgt, allen voran der amerikanische Pionier Salesforce.com. Das auch in Deutschland tätige Unternehmen bietet Kunden Softwarefunktionen für den Kundenservice oder Marketing zur Miete an. Der Anwender bedient die in einem entfernten Rechenzentrum laufende Lösung über den Browser. Die Monatsmiete beläuft sich auf etwa 70 Euro pro Nutzer und Monat.

Der Erfolg dieses Konzepts rief unter anderem Siebel auf den Plan. Der Softwarehersteller offeriert unter dem Label "CRM on Demand" nun ebenfalls Mietlösungen. Für Siebel ist der Einstieg in dieses Geschäft aus zweierlei Gründen wichtig: Einerseits kann das Unternehmen so kleine und mittelständische Kunden gewinnen, denen die Kaufsoftware zu teuer ist. Andererseits muss die Firma schon deshalb eine Alternative zu Salesforce.com bieten, weil der CRM-Vermieter inzwischen auch Großkunden und damit Siebels Stammkunden erreicht.

Kundenstamm ausbauen

Siebels Beispiel zeigt, dass der Markt von Verdrängung geprägt ist. Da viele Anwender bereits in Business-Software investiert haben, müssen die Anbieter versuchen, bestehende Lösungen abzulösen oder Ergänzungsprodukte zu verkaufen. In Zeiten magerer Umsatzzuwächse spielt die Größe des Kundenstammes eine entscheidende Rolle, allein schon wegen der kontinuierlichen Wartungseinnahmen. Daher dürfte es auch künftig Fusionen und Übernahmen geben.

Ausstellertabelle:

Abas Halle 5, Stand E36

Bäurer  Halle 5, Stand A36

Bison Group Halle 4, Stand C58

CIS AG Halle 3, Stand C14

Command AG  Halle 5, Stand A38

Diamand Software Halle 5, E36

Godesys AG  Halle 5, Stand A35

Gus Group  Halle 4, Stand A12 (IBM-Partnerstand), Demopunkt 01

Infor Global Solutions Halle 5, Stand C24

Mesonic  Halle 5, Stand D38

Microsoft Business Solutions  Halle 4, A38

Intentia  Halle 4, Stand A12

Nissen & Velten Halle 5, Stand B46

Sage  Halle 5, Stand A16

SAP AG Halle 4, SAP-Hauptstand

Step Ahead AG Halle 5, Stand A17

SoftM Halle 5, Stand A37