Zwischen Jinshui und Guanxi

ERP-Einführung in China

08.03.2013 von Eberhard Hoffmann
Wer in China Geschäfte machen möchte, muss sich an die dort geltenden Regeln und Gepflogenheiten halten. Doch die unterscheiden sich zum Teil deutlich von mitteleuropäischen Standards. Das gilt es auch bei der ERP-Auswahl zu berücksichtigen.
Vier-Punkte-Plan für die ERP-Einführung im Reich der Mitte.
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Viele Unternehmen, die ihre Geschäfte internationalisieren, wollen sich auch in China etablieren. Doch bei der Einführung eines ERP-Systems im Reich der Mitte gilt es, eine Menge verschiedene Aspekte im Blick zu behalten. Neben dem komplizierten chinesischen Rechts- und Steuersystem müssen die Verantwortlichen auch technische Aspekte beachten. Nicht weniger wichtig ist es, die kulturellen Unterschiede sowie lokale Anforderungen und Sprachbarrieren zu berücksichtigen. Folgende vier grundlegenden Punkte müssen Unternehmen bei der Auswahl und Implementierung eines ERP-Systems in China berücksichtigen.

Chinesisches Steuersystem und Gesetzgebung

Je nachdem, ob man sich für einen lokalen ERP-Anbieter in China oder einen bekannten Softwareanbieter entscheidet, gilt es andere Vor- und Nachteile abzuwägen.
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"Spricht das System Chinesisch?", ist eine zentrale Frage bei der Suche nach der richtigen ERP-Lösung. Die Finanzbuchhaltung muss den Vorschriften zufolge in chinesischer Sprache (Mandarin) abgewickelt werden. Neben der Buchhaltung erfolgt auch die Kommunikation und Korrespondenz mit den Finanz- und Zollbehörden auf Chinesisch. Es ist allerdings erlaubt, dass die Rechnungslegung ausländischer Unternehmen in einer nichtchinesischen Sprache ausgestellt wird. Das Buchhaltungssystem sollte bei den Finanzbehörden registriert werden und die Zertifizierung des chinesischen Finanzministeriums haben. Dies gewährleistet effiziente Geschäftsprozesse mit den Behörden.

Das Golden-Tax-System: Um zu kontrollieren, dass alle Mehrwertsteuerpflichtigen diese Steuer auch ordnungsgemäß abführen, schreibt das chinesische Steuerrecht eine bestimmte Form für alle Ausgangsrechnungen vor. Es ist nicht erlaubt, eigene Rechnungsformate bei Finanzämtern einzureichen. Vielmehr muss ein von der chinesischen Steuerbehörde entworfenes und festgelegtes Format verwendet werden: das "Golden-Taxation-System", auch "Jinshui" genannt. Dieses Format ist vornummeriert und verbindlich. Die Ausdrucke sind auch unter den Namen "Fapiao" bekannt. Lokale Geschäftspartner akzeptieren nur diese offiziellen Fapiao. Dieses System bildet den einzigen regulären Beleg für jede Steuerrückerstattung. Darüber hinaus sind Lieferantenrechnungen ein Muss, um Vorsteueransprüche angemessen geltend machen zu können.

Kontenrahmen und Konsolidierung: Ein in der Volksrepublik China ansässiges ausländisches Unternehmen muss in der Regel zwei Ausführungen seiner Finanzberichterstattung verwalten: eine entsprechend den Vorschriften gemäß dem PRC GAAP (People Republic of China - Generally Accepted Accounting Principles) und eine zweite für die globale Berichterstattung. Einige Unternehmen müssen zudem auf die Berichte bis auf die Einzelbelegbuchung zurückgreifen, so dass sie auch das Hauptbuch für PRC GAAP und IFRS doppelt verwalten müssen. Der Unterschied zwischen der China-GAAP und IFRS liegt in unterschiedlichen Kontenrahmen und Buchhaltungsprinzipien.

Der chinesische Kontenrahmen schreibt die ersten vier Stellen des Hauptbuch-Kontos und deren Zuordnung als Bilanz- oder GuV-Konto vor. Multinational tätige Unternehmen können zwar ihren jeweiligen Konzernkontenrahmen verwenden. Das lokale Berichtswesen basiert aber auf dem chinesischen Kontenrahmen, so dass ein Mapping zwischen beiden notwendig ist. Folgende Möglichkeiten bestehen hinsichtlich des Kontenrahmens in China:

Finanzberichte: Die Finanzberichte müssen auf eine monatliche, vierteljährliche, halbjährliche oder jährliche Buchungsperiode ausgerichtet werden. Für das externe Berichtswesen sind diese Berichte anzupassen, sollte das ERP-System die vorgeschriebenen Formen nicht standardmäßig erzeugen können. Dazu ist dann eine Zusatzprogrammierung erforderlich. Für das interne Reporting kann jedes Unternehmen Inhalt und Form der Berichte selbst festlegen. Beim Rollout eines ERP-Systems mittels Konzern-Template müssen jedoch die beschriebenen Besonderheiten in der Projektplanung berücksichtigt werden. Die lokalen wirtschafts- und steuerrechtlichen Gegebenheiten sollten daher bekannt sein.

Zolllager: Nach China importierte Materialien, die später wieder exportiert oder im Land für die Produktion von Erzeugnissen benötigt werden, die zu einem späteren Zeitpunkt exportiert werden, sowie aus China zu exportierende Erzeugnisse müssen in einem unter Aufsicht der Zollbehörde stehenden Lager verwaltet werden. Nach Prüfung durch die Behörde kommen die Waren in ein Lager unter Zollverschluss.

Das ERP-System muss daher eine getrennte Lagerhaltung und die damit verbundenen Prozesse unterstützen. Materialien unter Zollverschluss werden zum Rechnungspreis bewertet. Rohmaterialien und Erzeugnisse sind außerdem getrennt zu lagern. Das Formular für die Steuerrückzahlung muss Felder wie die Materialnummer, den Warengruppencode (HS-Code) der Zollbehörde, die Nummer des Zollformulars und die Lagernummer enthalten.

Alternativ sollte das ERP-System auch folgende Funktionen unterstützen, um die daraus resultierenden komplexen Prozesse in der Lagerverwaltung abzudecken:

Projektumfeld

Viele Anwender in China können bis dato nur wenig ERP-Knowhow vorweisen.
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Chinesische Geschäftsprozesse unterscheiden sich oft von internationalen Abläufen. Studien zufolge sind die Probleme bei ERP-Einführungen in China am größten, gefolgt von Russland und der Slowakei.

Arbeitsweise und Hierarchie: Vor allem auf der menschlichen Ebene gibt es aufgrund der sich stark voneinander unterscheidenden deutschen und chinesischen Kultur viele Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen den Projektmitgliedern.Grundsätzlich ist es für Deutsche einfacher, mit chinesischen Kollegen zu arbeiten, die bereits in Joint Ventures oder im Ausland tätig waren. Wichtig für eine erfolgreiche Kooperation ist dabei, dass die Beteiligten kulturelle Sicht- und Handlungsweisen gegenseitig erkennen und verstehen. Es ist üblich, dass Mitarbeiter im Umgang mit einem neuen ERP-System eine Funktion nur anwenden, wenn sie sich sicher fühlen und deren Auswirkungen kennen. Ist das nicht der Fall, verwenden sie die jeweilige Funktion oder sogar das ganze System nicht.

Nach der chinesischen Mentalität werden Hindernisse oft umgangen anstatt gelöst, indem die Mitarbeiter einfach andere Wege zum Ziel ausprobieren.

Dies steht allerdings im Gegensatz zum deutschen Prinzip einer zielorientierten, strukturierten und systematischen Arbeitsweise nach Zeitplan. Chinesische Mitarbeiter sind darauf getrimmt, Anweisungen von oben auszuführen, ohne sie zu hinterfragen. Wird ausnahmsweise einmal eine Anweisung verweigert, so geschieht dies auf eine eher stoische Art. Dieses hierarchisch orientierte Verhalten ist in ländlichen Regionen stärker ausgeprägt als in städtischen.

Vertrauensaufbau: Angesichts der kulturellen Unterschiede ist es elementar wichtig, Vertrauen zu Chinesen aufzubauen. Gerade zu Beginn einer Zusammenarbeit liegen viele Missverständnisse in den unterschiedlichen Erwartungshaltungen begründet und lösen so manchen Ärger und Verzögerungen aus. Besserwisserei und Ungeduld sind ungeeignet, die interkulturellen Herausforderungen zu bewältigen. Der Vertrauensaufbau funktioniert in der Regel nur durch einen persönlichen Kontakt. Ein persönliches Verhältnis zwischen den Kulturen kann auch dadurch aufgebaut werden, dass ein chinesischer Muttersprachler ins Kernteam des Einführungsprojekts nach Deutschland geholt wird.

Zeitverständnis: Die chinesischen Projektmitglieder konzentrieren sich meist sehr auf ihr Tagesgeschäft, wodurch sie langfris-tig angesetzte Arbeitspakete vernachlässigen oder gar vergessen. Aktuelle Themen verdrängen auf diese Weise vorher erteilte langfristige Aufgaben, ohne Berücksichtigung der Priorität oder Wichtigkeit.

Landesspezifika: Die landesspezifischen Probleme in einem Projekt können beispielsweise vermieden werden, wenn das gesamte Einführungsteam turnusmäßig vor Ort in China weilt. Das ist jedoch gerade für junge Unternehmen oft zu teuer. Eine erprobte Lösung ist es, einen chinesischen Projektleiter in China einzusetzen, der bereits in der westlichen Welt gearbeitet hat.

Die zehn skurrilsten IT-Klagen
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Pentium-Allergie oder schlechte Navis. Unsere Schwesterpublikation CIO.Com hat die zehn verrücktesten Klagen aus der IT Welt zusammengefasst,
Fall 3:
Rechtsstreitigkeiten in Sachen automatischer Ausfüllvorschläge bei Suchanfragen bescheren Google immer wieder Probleme. Im Gegensatz zu Google sehen Gerichte diese aber nicht immer als harmlos an, weshalb der Suchmaschinenanbieter jüngst zwei Fälle in Frankreich verlor. In einem Rechtstreit wurde das französische Wort für „Betrug“ der französischen Organisation „Centre National Privé de Formation a Distance“ zugeordnet, wogegen diese klagte. Im zweiten Fall schlug Google die Begriffe „Vergewaltiger“ und „Satanist“ bei Suchanfragen nach dem Namen des Klägers vor.Google verlor ähnliche Fälle auch in Argentinien, Italien und Irland. Ein irischer Hotelbesitzer behauptet, die Auto-Ausfüll-Funktion stelle sein Hotel dar, als ob dieses zwangsverwaltet wird.
Fall 4:
Eine Niederländerin versucht immer wieder vor Gericht zu ziehen, nachdem sie bei Intel (INTC) und ihrer Regierung mit ihrer Beschwerde keinen Erfolg hatte. Sie behauptet, dass sie durch die hochfrequente Strahlung eines Pentium Prozessors Hautausschlag bekam. Allerdings wiesen bis zum jetzigen Zeitpunkt alle Gerichte die Klage der „Pentium-Allergikerin“ ab.
Fall 5:
In einem Werbespot anlässlich der Super Bowl, dem Endspiel im American Football, warben Babys für den Online-Broker-Dienst ETrade. Diesen Spot verfolgte auch der Kinderstar Lindsay Lohan und reichte Klage wegen Verleumdung in Höhe von 100 Millionen US-Dollar ein. Die Begründung: Lohan glaubte, dass eines der Babys auf ihre Anzeige „that milkaholic, Lindsay“ anspielt. Die beiden Parteien einigten sich außergerichtlich. Es ist davon auszugehen, dass Lohan eine Entschädigung von ETrade erhielt.
Fall 6:
Einige Fans des Online-Spiels „Star Wars Galaxies“ wären am liebsten mit einem Todesstern gegen Sony vorgegangen, als der japanische Konzern 2010 verkündete, die Sever für das Spiel abzuschalten. Es gab zwar keine tragfähigen Gründe für einen Rechtsstreit, dennoch entschieden sich die Fans aus Frustration für eine Sammelklage. Bisher ist nichts über einen Prozess bekannt und es wird wahrscheinlich auch nie einen geben.
Fall 7:
Ein Farmer aus Florida hat ein kleines Startup-Unternehmen verklagt, das Foren und Chat-Rooms betreibt. Der Grund: Er fand in einem Forum einen negativen Eintrag. In diesem 800 Millionen US-Dollar Rechtsstreit geht es darum, dass der Kläger dem Unternehmen unterstellt, durch negative Beiträge den Ausgang eines anderen juristischen Verfahren beeinflussen zu wollen, an dem Kläger ebenfalls beteiligt ist. Stellen Sie sich vor, jede Online-Beleidigung zöge eine Klage nach sich.
Fall 8:
Amanda Bonnen twitterte 2009 an ihre 20 Anhänger, dass ihre Wohnung verschimmelt. Ihr Vermieter reichte daraufhin Klage ein. Er sah seinen guten Ruf geschädigt und wollte 50.000 US-Dollar Schadensersatz Der Richter wies die Klage ab. Er war der Ansicht, dass die Tweets für den Verleumdungsvorwurf nicht ausreichten.
Fall 9:
Ein Schulbezirk in Chicago gilt als WiFi-Pionier, weil er schon 1995 öffentliche Funknetze an seinen Schulen installierte. Jahre später, 2003, verklagten Eltern des Bezirks die Schulen, weil die Router angeblich der Gesundheit der Kinder schaden. Jedoch ohne Erfolg, weil die Kläger keinen Nachweise einer eventuellen Gesundheitsgefährdung erbringen konnten..
Fall 10:
Im Jahr 2008 schlug der Bürgermeister der türkischen Stadt Batman vor, den Filmregisseur Christoper Nolan und das Filmstudio Warner Brothers zu verklagen – um Lizenzgebühren aus dem Blockbuster „The Dark Knight“ zu fordern. Soweit bekannt wurde aber nie eine Klage eingereicht. Unbestätigten Gerüchten zufolge, soll der dunkle Ritter nun die Stadt beschützen.

Das ERP-Projekt

Das ERP-System für China sollte eine Standardschnittstelle für den Datenaustausch mit dem Jinshui-System zur Verfügung stellen.
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Beziehungswissen "Guanxi": Bei einer ERP-Einführung in China gilt es oft, einen Kompromiss zwischen einer praktikablen und pragmatischen Handhabung sowie den zu erfüllenden gesetzlichen Vorschriften zu finden. Dabei spielt "Guanxi" eine wichtige Rolle. Guanxi bezeichnet das Netzwerk persönlicher Beziehungen, von dessen Wirken in China kaum eine Entscheidung unbeeinflusst bleibt. Verträge und Absprachen werden meist nur als Richtschnur gesehen, von der im Zweifelsfall abgewichen werden darf.

ERP-Erfahrung: In Westeuropa haben knapp 20 Prozent der mittelständischen Unternehmen keine ERP-Lösung im Einsatz. In China liegt dieser Anteil bei 43 Prozent. Darüber hinaus arbeiten in China im Gegensatz zu Westeuropa viele Unternehmen mit lokalen Systemen beziehungsweise Insellösungen. Eine Umfrage unter 185 westeuropäischen Unternehmen mit einer Niederlassung in China ergab, dass 20 Prozent der Anwender vor der Einführung keine ERP-Erfahrung vorweisen konnten. Weitere 42 Prozent hatten eher geringe ERP-Kenntnisse. Lediglich elf Prozent der Befragten schätzten das Know-how ihrer Anwender als hoch beziehungsweise sehr hoch ein. Angesichts dieser Ausgangslage ist bei der Projektplanung zu berücksichtigen, dass Projektverantwortliche und Key User in China mit Schulungen auf integrierte Geschäftsprozesse vorbereitet werden müssen.

Projekt-Management: Neben der Zeitplanung kommt der Organisation des Projekt-Managements eine zentrale Bedeutung zu. Aufgrund des bereits beschriebenen starken Hierarchiedenkens in China sollten der oder die Projekt-Manager eine möglichst hohe Position im Unternehmen haben, damit ein konsequenter und strukturierter Projektablauf sichergestellt ist. Die Projekt-arbeit vor Ort muss ständig überwacht werden. Andernfalls sind Zeitverzug und entsprechende Neustarts vorprogrammiert.

Darüber hinaus ist es notwendig, neben dem lokalen Serviceanbieter den oder die Key User aus dem Konzern einzubeziehen. Diese kennen das System sowie die Prozesse und sind deshalb in der Lage, die Abläufe bei Bedarf an die lokalen Anforderungen anzupassen. Die Schulung der am Projekt beteiligten Mitarbeiter ist ein Schlüsselfaktor zur erfolgreichen ERP-Einführung. Das gilt sowohl für die Projekt-Manager als auch für Key- und End-User. Für die Schulung sollte man ausreichend Zeit einplanen. Inhalte und Organisation der Schulungen sind projektspezifisch festzulegen. Das angeeignete Wissen wird oft nicht weitergegeben. Außerdem besteht bedingt durch die hohe Mitarbeiter-Fluktuation auch nach dem Go-Live ein gewisser Schulungsbedarf.

Dokumentation: Die Projektdokumentation sollte von den Key-Usern in englischer Sprache erstellt werden. Dabei sollten auch Backup-Key-User mitwirken, die diese Aufgaben übernehmen, falls ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt. Sind die Prozesse abgestimmt, sollten die Dokumente ins Chinesische übersetzt werden. Dazu ist entsprechendes Fachwissen notwendig. Neben der Dokumentation müssen im ERP-System alle beschreibenden Daten wie Arbeitsgangtexte, Materialbezeichnungen etc. in chinesischer Sprache eingetragen werden, da Mitarbeiter in der Produktion oder im Lager meist kein Englisch sprechen.

Die ERP-Auswahl

Die Einführung eines globalen ERP-Systems mag für viele Konzerne auf den ersten Blick als beste Lösung erscheinen. Allerdings sollte man die Probleme nicht außer Acht lassen.
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Funktionale Anforderungen: Pflichtenhefte sind in China weit weniger üblich als in Deutschland. Der erste Schritt bei der Auswahl des richtigen ERP-Systems ist es, die Kernfunktionen festzulegen, die nötig sind, um den Anforderungen des Unternehmens gerecht zu werden. Ein klares Verständnis dieser Anforderungen muss dabei allerdings vorausgesetzt werden. Als nächsten Schritt sollten Unternehmen potenzielle Anbieter kontaktieren, um sich eine Präsentation der Software geben zu lassen.

Prozesse: Multinational tätige Unternehmen favorisieren oft zentrale Systeme. Sie hoffen, dadurch konzernweit gültige Prozesse etablieren zu können. Für die ERP-Einführung in China ist jedoch sowohl eine zentrale als auch eine dezentrale Strategie möglich. Dezentral bedeutet eine Standalone-Installation. Sie bedingt allerdings nicht unerhebliche Aufwendungen, die das Budget von jungen Unternehmen oft überfordern. Als Interimslösung ist die Implementierung eines separaten lokalen Sys-tems in China möglich, wobei jedoch die Konzernstandards weitestgehend eingehalten werden müssen.

In jedem Fall müssen sowohl die lokalen gesetzlichen Anforderungen berücksichtigt werden als auch die Anpassungen aus notwendigen Prozessabweichungen der chinesischen Firma gegenüber den Konzernabläufen. Oft werden diese notwendigen lokalen Anpassungen nicht beachtet, sondern der chinesischen Tochter wird aus Termin- und Kostendruck das Konzern-Template aufgezwungen. Das resultiert meist aus unzureichenden Kenntnissen der lokalen Gegebenheiten und kann zu Inakzeptanz bei den lokalen Mitarbeitern führen. Die Richtlinie "Das machen wir in der Muttergesellschaft auch so" darf nur angewendet werden, wenn dies zu keinen Brüchen mit den lokal notwendigen Abläufen führt.

Systemlandschaften: Daneben ist auch die Datenkommunikation wichtig. Der Informations- und Datenaustausch zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft muss stabil, zuverlässig und schnell funktionieren. Oft beklagen die lokalen Manager, dass diese Voraussetzungen nicht gegeben sind. In die Planung müssen deshalb die technischen Anforderungen, das Volumen des Datenaustauschs, die Zahl der User und nicht zuletzt Sicherheitsaspekte einfließen.

Consultants: Neben der Evaluierung der technischen Möglichkeiten des ERP-Systems kommt der Auswahl der Berater eine entscheidende Bedeutung zu. Die Qualifikation der Berater in den Bereichen Human Resources, Financial Accounting und Supply Chain ist meist zufriedenstellend, während es in den Bereichen Planung und Produktion nicht selten an grundlegenden Kenntnissen und mehr noch an der Erfahrung mangelt.

Ein qualifizierter Berater sollte mehrjährige einschlägige Erfahrung in China und mehrere erfolgreich eingeführte Projekte nachweisen können. Erfahrung ist der Schlüssel, weil die Berater die Anforderungen des Unternehmens genau erfassen und in der Systemkonfiguration umsetzen müssen. Wegen der hohen Fluktuation sollten die Projektbegleiter für die gesamte Laufzeit zur Verfügung stehen. Unternehmen sollten Abstand von Anbietern nehmen, die für das Projekt Übersetzer einsetzen wollen. In der Praxis führt das oft zu Schwierigkeiten, da die Übersetzer mit der verständlichen Übertragung komplexer Sachverhalte meist überfordert sind.

Live-Präsentation und Referenzen: Die ausgewählten Anbieter müssen die gestellten Anforderungen im ERP-System live präsentieren und erklären können. Eine Folienpräsentation ist inakzeptabel. Der abschließende Schritt in der Auswahl des richtigen Lieferanten zur Einführung des ERP-Systems ist ein gründlicher Referenz-Check. Der Anbieter muss dafür mehrere geeignete Kundenreferenzen nennen können.

Folgende Fragen sollten die Verantwortlichen dabei auf dem Schirm haben:

Eine hohe Zufriedenheit spricht für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Anbieter imstande sein wird, die gleichen Leistungen in künftigen Projekten zu wiederholen. Jedoch sollten sich Unternehmen beim Referenz-Check in China nicht von dem Anbieter täuschen lassen. Im Rahmen der Überprüfung von Referenzen sollte man sich des Beziehungsfaktors "Guanxi" bewusst sein. In einigen Fällen wird ausschließlich von positiven Ergebnissen berichtet, was jedoch mehr auf die enge Beziehung zwischen Anbieter und Kunde schließen lässt. Ein Weg zu objektiven Informationen führt darüber, den Kunden zu bitten, im Detail zu erklären, wie das ERP-System die Unternehmensanforderungen erfüllt hat.

Fazit

Je schneller ein ERP-System implementiert werden kann, desto eher kann es rentabel werden, und umso schneller wird es operativ möglich, das zukünftige Wachstum des Unternehmens zu unterstützen. Gemäß dem kürzlich von der chinesischen Zentralregierung verabschiedeten zwölften Fünfjahresplan sollen sich die Löhne und Gehälter in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Unternehmen müssen also in der Lage sein, ihre Prozesse im Reich der Mitte möglichst effizient abwickeln zu können.

Deutlich wird, dass in China ansässige Unternehmen schnell und günstig ein ERP-System (und MES-System) einführen müssen. Dabei gilt es auch, das in China noch am häufigsten angewendete ERP-System abzulösen, nämlich Microsoft Excel. (ba)