Robotics bei der Ergo Versicherung

Ergo-Mitarbeiter feiern Geburtstag ihrer Bots

06.11.2020 von Martin Bayer
Um die Mitarbeiter von Routine-Aufgaben zu entlasten, setzt die Ergo-Versicherung immer stärker auf Software-Bots. Nach anfänglicher Skepsis in den Fachabteilungen herrscht heute Offenheit gegenüber den virtuellen Kollegen.
Die Software-Roboter werden bei Ergo als Kollegen gesehen, die auch einen Namen und sogar Kuchen zum Geburtstag bekommen.
Foto: charles taylor - shutterstock.com

Seit der Vorstand der ERGO Group 2017 beschlossen hatte, Robotics als digitales Innovationsthema voranzutreiben, läuft die Bot-Maschine des Versicherers. Im vergangenen Jahr brachte das Robotics-Team im Schnitt zwei neue Bots pro Monat live in die Produktion. Die zentrale Frage in der Ergo-Zentrale in Düsseldorf lautete nicht mehr "Was kann die Technik?", sondern "Was wollen wir erreichen und wie kann Robotics dabei helfen?"

Aktuell skaliert der Konzern die Technik in andere Länder. Man helfe den internationalen Kollegen, Robotic Process Automation (RPA) für ihre lokalen Gegebenheiten zu optimieren, hieß es. Zentrale Herausforderung sei dabei, parallel zur steigenden Nachfrage nach weiteren Bots, den zuverlässigen Betrieb der aktiven virtuellen Roboter zu gewährleisten. Mit ihrer RPA-Initiative bewirbt sich die Ergo-Versicherung in diesem Jahr um den DIGITAL LEADER AWARD (DLA), den der IDG-Verlag gemeinsam mit der NTT-Gruppe vergibt – am ENde reichte es in der Kategorie "CULTURE" sogar zum Sieg und damit der Trophäe.

Mehr Leistung, mehr Service, mehr Effizienz

Die Branche steht unter Druck. Versicherungen agierten in gesättigten Märkten in Europa und stünden wegen der anhaltend niedrigen Zinsen unter hohem Kostendruck, sagen auch die Ergo-Verantwortlichen. Daher gelte es, die Kunden mit Leistung und Service zu überzeugen sowie gleichzeitig die eigenen Prozesse effizienter zu machen und Abläufe zu optimieren.

Vor diesem Hintergrund identifizierten die Düsseldorfer RPA und Robotics als probate Mittel, mit dieser Situation umzugehen. Aus Sicht des Versicherers eigne sich die Technik, um sowohl den Service für die Kunden zu verbessern wie auch selbst kosteneffizienter zu arbeiten. Die an sich selbst gestellte Hausaufgabe lautete: "Prozesse verschlanken, höhere Qualität liefern bei weniger Aufwand, um die Mitarbeiter zu entlasten - und das mit Fokus auf ein exzellentes Kundenerlebnis."

Robotics bringt neue Kultur

Dass die Initiative noch weitere Effekte nach sich ziehen würde, hatten die Verantwortlichen am Anfang gar nicht auf dem Schirm. "Als wir damit starteten, war uns nicht bewusst, welchen Schneeball wir damit kulturell zum Rollen bringen", berichten sie rückblickend. "Der Einfluss von Robotics auf die Art, wie Kollegen über Technik und Zusammenarbeit denken, wurde viel wichtiger als die erzielten Effizienzgewinne." Ins Rollen kam dieser kulturelle Wandel mit dem Robotics Competence Center (RCC). Dort fanden sich cross-funktionale Teams aus Analysten, Entwicklern sowie je nach Prozess wechselnden Experten und Führungskräften aus verschiedenen Fachbereichen zusammen.

Zunächst galt es jedoch, Vorbehalte aus dem Weg zu räumen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Gerade in den Fachabteilungen überwog die Skepsis, berichten die Verantwortlichen. Mit dem Begriff Robotics konnten die wenigsten etwas anfangen. Für viele Mitarbeiter gehörten Roboter in Fabrikanlagen und Fertigungsstraßen wie beispielsweise in der Automobilindustrie.

Dass es auch virtuelle Roboter gebe, war für viele bei Ergo am Anfang eine zu abstrakte Vorstellung. Dazu kamen Ängste innerhalb der Belegschaft. "Was wird aus meiner Arbeit, wenn ich Aufgaben aus der Hand gebe und automatisiere?", lautete oft die bange Frage der Mitarbeiter, wenn die Robotics-Initiative zur Sprache kam.

Vertrauen für die Roboter

Für die Initiatoren stand daher an erster Stelle, zunächst Vertrauen zu schaffen. Sie machten sich auf die Suche nach Pionieren und Unterstützern in den Fachbereichen. Um in den Abteilungen aufzuzeigen, welche ihrer Prozesse für eine RPA-Unterstützung geeignet seien, wurde eine Aufklärungskampagne gestartet: Beispielsweise standen bei "digital.morning" die Fachbereiche auf der Bühne und berichteten über ihre Fortschritte in Sachen Digitalisierung.

Jeden Monat wurden in dem Mitarbeiter-Videoformat so verschiedenste Digitalisierungsthemen in 45 Minuten auf den Punkt gebracht und per Stream live an alle deutschsprachigen Standorte kommuniziert. Damit erreichten die Verantwortlichen 2.800 Kollegen.

Die Top-CIOs der Versicherungsbranche
INTER Versicherungsgruppe
Roberto Svenda ist seit 1. Juli 2023 Vorstandssprecher der INTER Versicherungsgruppe und zuständig für das IT-Ressort.
AachenMünchener
Seit Juni 2014 verantwortet Helmut Gaul die Ressorts Betrieb und IT im Vorstand der AachenMünchener. Er kennt das Haus: schon 1984, kurz nach Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums an der Fachhochschule Köln, kam er zu der Aachener Versicherung. Dazwischen lag lediglich ein Jahr im Außendienst der Colonia Versicherung.
Talanx
Jens Warkentin ist seit Januar 2023 Talanx-CIO. Der Talanx-Finanzvorstand übernahm die Aufgaben von Christopher Lohmann.
ERGO Deutschland
Mario Krause ist seit Anfang 2019 CIO der deutschen IT-Einheiten von ERGO und Vorsitzender der Geschäftsführung der ERGO-IT-Tochter Itergo. Er war zuvor im Vorstand des Versicherungskonzerns Talanx AG in Hannover für IT zuständig und zugleich Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Talanx Systeme.
Helvetia Deutschland
Seit August 2020 ist Andrea Sturmfels als CIO für das Ressort Informatik von Helvetia Deutschland verantwortlich.
ERGO Global
Tomasz Smaczny ist seit Anfang 2019 Vorstandsvorsitzender der Ergo Technology & Services Management und Global CIO für die gesamte IT bei Ergo. Smaczny ist zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats der IT-Tochter Itergo.
Allianz SE
Seit 1. November 2023 hat der Versicherungskonzern Allianz mit Olav Spiegel einen neuen Group Chief Information Officer an Bord. Er folgt auf Ralf Schneider.
AXA Deutschland
Der neue IT-Chef der AXA Deutschland kommt aus den eigenen Reihen. Achim Dahlbokum agiert ab September 2023 als CIO des Versicherers. Der bisherige CIO der AXA Versicherung in Deutschland, Stefan Lemke, verlässt das Unternehmen zum 31. August 2023.
Wüstenrot & Württembergische
Seit Juli 2012 ist Jens Wieland IT-Vorstand der Wüstenrot & Württembergische AG. Gleichzeitig gehört er der Geschäftsführung der W&W Informatik GmbH an, der IT-Tochter der Versicherungsgruppe. Zuvor war Wieland fünf Jahre lang im Vorstand der AXA für das IT-Ressort zuständig.
Zurich Gruppe Deutschland
Seit Januar 2021 ist Jens Becker Head of IT der Zurich Gruppe Deutschland. Er folgte auf Dorothée Appel.
Signal Iduna
Stefan Lemke, CIO von Axa Deutschland, wechselt zum 1. Januar 2024 als IT-Vorstand zur Signal Iduna Gruppe
Debeka
Die Debeka hat eine neue IT-Vorständin. Laura Müller steigt intern auf und folgt auf Roland Weber, der das Unternehmen verlässt.
Alte Leipziger
Seit Januar 2018 ist Udo Wilcsek stellvertretendes Vorstandsmitglied im Alte Leipziger – Hallesche Konzern und für die IT zuständig. Davor war er – seit 2014 – Leiter des konzernweiten Zentralbereichs Betriebsorganisation.
VHV Versicherung
Seit Januar 2022 ist Arndt Bickhoff Generalbevollmächtigter für den Bereich IT bei der VHV Holding.
Sparkassen Versicherung
Der promovierte Mathematiker Thorsten Wittmann übernahm im Januar 2016 die Leitung des Ressorts Leben und IT der SV Sparkassen Versicherung (SV). Dazu gehört auch die IT-Tochter SV Informatik.
Hannover Rück
Jürgen Stoffel ist seit Januar 2013 Managing Director IT/ Group CIO der Hannover Rück SE. Der Diplom-Mathematiker Stoffel war vor seinem Wechsel zur Hannover Rück fünf Monate lang Associate Partner bei IBM IT Management Consulting, arbeitete zwei Jahre lang als Head of Consulting & Projects bei ITERGO und war 13 Jahre beim IT-Beratungsunternehmen Comma Soft AG unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung.
Generali Deutschland
Rainer Sommer übernahm im Mai 2015 als Vorstand der Generali Deutschland Holding die Aufgaben als COO und CIO. Außerdem wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der IT-Tochter Generali Deutschland Informatik Services GmbH.
HUK-Coburg
Daniel Thomas hat seit 2016 die Aufgaben Betriebsorganisation und IT von Jörn Sandig übernommen, der Ende 2015 nach Auslaufen seines Vertrages in den Ruhestand ging.
Swiss Life Deutschland
Beim Versicherungsunternehmen Swiss Life Deutschland hat Tobias Herwig zum 1. März 2023 die Position des Chief Technology Officer übernommen.
VPV Versicherungen
Jürgen Reinsch ist seit Juli 2010 CIO der VPV Versicherungen in Stuttgart. Seit Januar 2018 ist er CDO und CIO. Vor seinem Wechsel zu VPV war Reinsch zwölf Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen in der W&W Gruppe. Davor arbeitete er in zwei Systemhäusern und als freiberuflicher Berater.
Gothaer
Seit Juni 2016 ist Burkhard Oppenberg Geschäftsführer der Gothaer Systems GmbH, dem IT-Dienstleister im Gothaer Konzern, und CIO des Gothaer Konzerns. Er trat die Nachfolge von Volkmar Weckesser an.
R+V Holding
Mitte Juni 2018 ist Tillmann Lukosch in den R+V-Holdingvorstand berufen worden. Er übernahm die Verantwortung für das Zentralressort Informationssysteme sowie für die digitale Transformation. Lukosch ist Nachfolger von Peter Weiler, der in den Ruhestand ging.
Munich Re
Robin Johnson übernahm im April 2017 in Nachfolge von Rainer Janßen die Leitung des Zentralbereichs Information Technology bei der Munich Re. Johnson war vor seinem Wechsel zu Maersk von 2008 bis 2012 Global CIO beim US-Computerhersteller Dell.
LVM
Marcus Loskant ist seit dem 1. Juli 2019 Mitglied des Vorstands der LVM Versicherung und verantwortlich für das IT Ressort. Dieses beinhaltet die Vorstandsmandate der LVM a.G., LVM Kranken, LVM Leben und LVM Pension - also aller LVM Versicherungen. Zuvor war er Generalbevollmächtiger für das IT-Ressort der LVM Versicherung.
Baloise Group
Der promovierte Umweltwissenschaftler Alexander Bockelmann ist seit Februar 2019 Chief IT Officer (CTO) der Schweizer Baloise Group in Basel. Bockelmann kam von der österreichischen Versicherung Uniqua. Nach beruflichen Stationen bei der Boston Consulting Group und bei Versicherungsunternehmen in Deutschland und den USA wurde er 2013 Head of Group IT bei Uniqua. Seit Mitte 2016 war er dort Chief Digital Officer.
Provinzial Rheinland
Patric Fedlmeier ist seit Januar 2018 Vorstandsvorsitzender des Konzerns Provinzial Rheinland. Er ist seit 2009 im Vorstand, zuletzt als stellvertretender Vorstandsvorsitzender für die Ressorts Vertrieb und IT zuständig. Diese Aufgaben behält er.
Mobiliar
Thomas Kühne ist seit Januar 2019 Leiter IT und Mitglied der Geschäftsleitung beim Allversicherer Mobiliar in Bern in der Schweiz. Er war davor IT-Leiter bei Zurich Deutschland. Der Informatiker hatte diese Aufgabe im Dezember 2017 übernommen. Zuvor verantwortete er seit 2016 als Bereichsleiter Enterprise Transformation and Services bei der Zurich Gruppe Deutschland alle Shared Services sowie Betriebsorganisation, Real Estate, Einkauf und das Druckzentrum. Seit 2017 war er zugleich auch COO des Direktversicherers der Gruppe DA Direkt.
Viridium
Martin Setzer ist seit April 2018 CIO und Mitglied des Vorstands der Viridium Gruppe. Setzer war davor bis Mitte 2017 Mitglied des Vorstands und COO der Landesbank Baden-Württemberg. Im Anschluss beriet er Unternehmen im Bereich der Digitalen Transformation und übernahm Mandate in Start-ups der Finanzindustrie (Fintechs).
HDI Global SE
Die IT und den Bereich Operations im Vorstand der HDI Global SE führt seit Juli 2018 Thomas Kuhnt. Kuhnt kam von der Unternehmensberatung McKinsey & Company.
HDI Lebensversicherungs AG
Zum 1. März 2021 wechselte Dirk Böhme vom IT-Beratungshaus Silbury in den Vorstand der HDI Lebensversicherungs AG. Zugleich wird er Vorstandsmitglied der HDI Systeme AG, dem IT-Dienstleister der Talanx-Gruppe.
Zurich
Seit Frühjahr 2012 verantwortet Claudia Dill als COO (Chief Operation Officer) die IT der Sparte General Insurance beim Schweizer Konzern Zurich. Sie berichtet an Kristof Terryn, den obersten IT-Entscheider des Konzerns.
BayDit AG
Die Versicherungsgruppe die Bayerische bündelt seit Januar 2019 in der "die Bayerische Digital AG" (BayDit AG) ihre digitalen Aktivitäten. Das Unternehmen wird von einer Doppelspitze geführt: Der Vorstand besteht aus Michael Brand (l.) und Thomas Wolf. Michael Brand ist Diplom-Informatiker mit Schwerpunkt Software-Engineering und seit 1990 in der Versicherungs-IT tätig. Seit 2007 ist er Geschäftsführer der Bayerischen IT GmbH. Thomas Wolf, Diplom-Ingenieur Elektrotechnik, war von 2002 bis Oktober 2018 Vorstand der iS2 Intelligent Solution Services AG.
Süddeutsche Krankenversicherung (SDK)
Ralf Oestereich wurde im April 2019 IT-Vorstand der Süddeutsche Krankenversicherung a. G (SDK). Er ist als Vorstand für Informationstechnik für die Bereiche IT-Anwendungsentwicklung und IT-Betrieb sowie die Betriebsorganisation zuständig.

Wichtig für die Akzeptanz sei auch die konstruktive Zusammenarbeit mit den Betriebsräten gewesen, sagen die Robotics-Initiatoren. Es sei schließlich nicht darum gegangen, Arbeitsplätze abzubauen. Vielmehr sollten Mitarbeiter von Routine-Aufgaben entlastet werden, um an anderer Stelle höherwertige Beratungs- und Serviceleistungen erbringen zu können und so die Kundenzufriedenheit zu steigern. Das gelang offenbar: Die zunächst vorhandene Skepsis verwandelte sich zunehmend in Neugier.

Agil statt Großprojekt

So nahm die Robotics-Initiative Fahrt auf. Die Verantwortlichen setzten dabei auch auf ein neues Vorgehensmodell. Klassische IT-Großprojekte, wie sie in der Vergangenheit oft für die über Jahrzehnte gewachsene Anwendungslandschaft aufgesetzt wurden, funktionierten an dieser Stelle nicht. Um in kurzer Zeit Ergebnisse vorweisen zu können, setzte Ergo auf kleine Teams aus IT-Entwicklern und Fachexperten, die agil und mit DevOps-Methoden zusammenarbeiten sollten. Der Plan ging auf. Die Bots gingen im Schnitt schon nach einigen Wochen statt erst nach Monaten in Produktion, so die Bilanz der RPA-Initiatoren. Darüber hinaus seien auch Ausbaustufen kurzfristig möglich, nachdem erste Erfahrungen mit einem neuen Bot gesammelt wurden.

"Mit Robotics automatisieren wir einfache Aufgaben mit hohem Vorgangsvolumen und geringer Wertschöpfung", lautet die Zielsetzung bei Ergo. Dabei ahme der Softwareroboter die Arbeit der Sachbearbeiter nach und bediene dieselben IT-Systeme. Verantwortlich für die Bots sind die Entwickler im Robotics-Teams. Sie sind Teil der IT-Organisation und arbeiten nach DevOps-Prinzipien eng mit den Kollegen der IT-Infrastruktur zusammen. Den Fachbereichen wird Robotics als Komplettlösung aus einer Hand angeboten: Von der Potential- und Prozessanalyse über Entwicklung, Test und Abstimmung mit den Betriebsräten bis zum Betrieb der Bots.

Dabei behielten die Fachbereiche die Hoheit über ihren Prozess, betonen die Verantwortlichen des Versicherers: Die verantwortliche Führungskraft als Prozess Owner stelle Fachexperten für die Entwicklung. Diese beschreiben - unterstützt von den Prozessanalysten des RCC - jeden einzelnen Arbeitsschritt, inklusive Sonder- und Testfällen. Der Prozess Owner vertritt das Vorhaben dann im Betriebsrat, erteilt die Produktionsfreigabe und bekommt mit dem Bot einen zusätzlichen, virtuellen Mitarbeiter.

Um das Thema Robotics weiterzuentwickeln, arbeitet das RCC eng mit dem Bereich Advanced Data Analytics zusammen, der sich unter anderem mit künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt. Während herkömmliche Bots strukturierte, digitale Daten und schematische Abläufe benötigen, könne KI auch unstrukturierte Daten wie Texte, Sprache, Bilder und Videos erfassen. Damit könnten beispielsweise Vertragsnummern aus E-Mails ausgelesen oder die Schadenhöhe anhand eines Gutachtens abgeschätzt werden.

KPIs messen den Bot-Erfolg

Um den Erfolg der Bots zu messen, verwendet Ergo sowohl zentral einheitliche wie auch prozessspezifische KPIs. Quantitativ werde für jeden Bot die daraus resultierende zu erwartende Arbeitszeitersparnis sowie Dauer und Aufwand der Entwicklung erhoben. Im laufenden Betrieb werden die Fallzahlen gemessen, die jeder Bot bearbeitet - Stand Ende April 2020: 43 aktive Bots verarbeiten zusammen mehr als 30.000 Vorgänge pro Monat. Dafür müsste ein einzelner Mensch schon mehr als vier Jahre arbeiten, so die Bilanz des Versicherungskonzerns.

Für die Fachbereiche zählen darüber hinaus je nach Prozess ganz unterschiedliche Kriterien, wie beispielsweise eine schnellere Bearbeitung von Kundenanliegen beispielsweise oder gezieltere Auswahl von Prüffällen. Eine weitere Messgröße ist die Wirtschaftlichkeit bei der Verfolgung von Regressansprüchen gegen Unfallgegner der eigenen Kunden nach einer unfallbedingten Heilbehandlung.

Einen Kuchen für den Roboter

"Robotics ist zum Selbstläufer geworden", ziehen die Ergo-Verantwortlichen heute eine zufriedene Bilanz ihrer RPA-Initiative. Statt selbst nach Einsatzszenarien suchen zu müssen, wie am Anfang, fragten inzwischen die Fachbereiche aktiv nach Bots für ihre Prozesse. Außerdem habe ein Umdenken in den Fachabteilungen stattgefunden: Aus der Erfahrung, lästige und monotone Aufgaben einfach per Roboter-Automatisierung abgeben zu können, würden Prozessabläufe jetzt kritischer hinterfragt, hieß es.

In der Belegschaft habe sich ein neues Mindset entwickelt: Die anfängliche Skepsis - "der Bot nimmt mir meine Aufgaben weg" - sei ins Gegenteil umgeschlagen. Kollegen hätten dank vieler Aufklärungsmaßnahmen verstanden, was ein Bot kann - "aufwändige Tipparbeiten übernehmen" - aber auch, was er eben nicht kann - "komplexe Sachverhalte für den Kunden lösen". Dadurch entstehe eine hohe Akzeptanz, berichten die Ergo-Verantwortlichen. Der Bot wird zum Kollegen, der nicht selten einen richtigen Namen erhält und zu dessen Geburtstag sogar Kuchen gebacken wird.

Ergebnisse der Robotic-Process-Automation-Studie - Zitate
Mark Sturzenegger, Automation Anywhere
Heute kommt bei RPA der Einsatz im Front Office hinzu. Dadurch hat jeder Mitarbeiter einen eigenen digitalen Assistenten zur Verfügung, der häufig wiederkehrende Arbeiten auf Knopfdruck erledigt.
Ricardo Ullbrich, Blue Prism
Viele SAP-Systeme müssen in nächster Zeit auf S/4HANA umgestellt werden. Hier kann Automatisierung bis zu 35 Prozent des Zeitaufwandes einsparen.
Martin Berg, metafinanz
Bei RPA hindert häufig fehlendes Know-how eine erfolgreiche Umsetzung. Viele Unternehmen wollen zwar RPA einsetzen, wissen aber nicht, worin sich die einzelnen Tools in Funktionen, Umfang und Handhabung unterscheiden.
Oliver Ehrmann, Microfocus
Es wird bei RPA-Projekten häufig einfach ein Tool installiert, und schon ,macht‘ man RPA. So funktioniert das nicht.
Robert Kreher, Microfocus
RPA hat seine klassischen Einsatzfelder überall dort, wo Mitarbeiter routinemäßig Daten zwischen Anwendungen, Dokumenten und Datenträgern übertragen, oft in Verbindung mit Datentransformation und Plausibilitätsprüfungen.
Walter Obermeier, UiPath
In den kommenden Jahren wird man in der Lage sein, mit KI und neuronalen Netzen auf einer Trägerplattform viele Systeme miteinander zu vernetzen, die heute noch autark arbeiten. Auch Kunden und Lieferanten eines Unternehmens lassen sich dann in automatisierte Prozesse einbinden.