Praxiserprobte Online-Geschäftsmodelle

Erfolgreiches E-Business

01.12.2004 von Heide Witte
Egal ob Vorreiter oder Mitläufer in Sachen Internetvertrieb - wenn das Angebot stimmt, dann klappt es auch mit dem Umsatz. Dabei muss nicht jeder Shop gleich hoch professionell ausgerüstet sein.

DER HAUPTVERBAND des Deutschen Einzelhandels (HDE) prognostiziert, dass im Jahr 2004 im Internethandel voraussichtlich knapp 13 Milliarden Euro umgesetzt werden - 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Laut der aktuellen, jährlich durchgeführten HDE-Umfrage bietet derzeit ein Viertel der stationären Geschäfte den Kunden die Möglichkeit, über eigene Web-Shops oder Marktplätze im Internet einzukaufen. Steigende Umsätze per Mausklick für dieses Jahr erwarten 44 Prozent der Unternehmen, die neben Ladengeschäften auch Online-Angebote unterhalten. Eine E-Business-Erfolgsgeschichte par excellence schreibt beispielsweise das Versandunternehmen Foto Walser aus Burgheim. 1998 machte sich Niclas Walser als Einzelhandelskaufmann auf Fotobörsen selbstständig. Im September 1999 startete er die erste Auktion bei Ebay. Diese verlief so erfolgreich, dass Walser bereits zwei Monate danach den ersten Angestellten beschäftigen konnte. Mitte 2000 begann das Kleinunternehmen dann mit der Versteigerung von Neuware. Bis Ende 2001 wurden weitere zehn Mitarbeiter eingestellt. Als das Eigenheim mit inzwischen 25 Mitarbeitern aus allen Nähten platzte, zog die Firma Anfang 2003 in größere Räumlichkeiten um. 32 Mitarbeiter kümmerten sich nun ständig um über 2000 Ebay-Auktionen. Täglich rollten bis zu 1000 Pakete über die Verpackungsstraße, und mehr als 400 000 Artikel verließen das Haus. „Um eine noch größere Vielfalt an Artikeln lagermäßig bieten zu können, haben wir uns 2004 entschlossen, Lager und Versand an ein professionelles Logistikunternehmen zu übertragen“, erklärt Geschäftsführer Walser. Täglich werden nun mehr als 1000 Pakete verschickt. „Ohne die direkte Anbindung unserer ERP-Lösung Office Line an Ebay wäre diese Entwicklung sicher nicht möglich gewesen“, meint Walser.

Innovative Handwerker

Als „first mover“ in Sachen Online- Vertrieb in der Handwerksbranche bezeichnet sich die Rehbein & Weber Gruppe, Anbieter von Handwerksdienstleistungen. Denn in der eher konservativen Branche werden moderne Instrumente zur Kundengewinnung und -betreuung, Angebotserstellung, Auftragsplanung/ -steuerung und Fakturierung ansonsten bislang kaum genutzt. Das Unternehmen beschäftigt über 50 Fachleute aus dem Elektro-, Sanitär- sowie dem Heizungs-, dem Maler- und Tischlereibereich. Im Oktober 2001 entschied man sich für die Einführung eines E-Commerce- Systems. Ziel war es, durch das Straffen der Prozesse bei der Auftragsannahme Kosten einzusparen und gleichzeitig neue Kunden zu gewinnen. Über die Internetplattform rehbein24.de bietet das Unternehmen derzeit sowohl Produkte als auch Dienstleistungen rund ums Haus an, beispielsweise Renovierungen, Reparaturen und Modernisierungen. Für die unternehmerische Idee und die Gestaltung des Online- Auftritts erhielt der Geschäftsführer Gerd Leopold 2003 die Auszeichnung „Hamburgs Unternehmer des Jahres“.

Alle Angebote bei www.rehbein24.de sind mit Listenpreisen versehen. Anhand der Informationen kann der Site-Besucher die Investition für eine Renovierung im Voraus kalkulieren. Das spart Zeit und Geld. „Dieses E-Commerce-Konzept nimmt im Handwerksbereich eine Vorreiterrolle ein“, erklärt Leopold stolz.

Quantensprung in der Kundenakquise

Mit ihrem Online-Angebot erzielte die Rehbein & Weber Gruppe bereits große Umsatzerfolge. „Pro Tag akquirieren wir derzeit ein bis zwei Neukunden. Früher brauchten wir dafür einen ganzen Monat. Das ist für uns ein Quantensprung“, sagt Leopold. Durchschnittlich registriere man täglich 50 Zugriffe, in Spitzenzeiten seien es bis zu 200 Besucher auf der Website. Bereits im ersten Jahr seit der Live-Schaltung des Shops konnten zahlreiche Neukunden gewonnen und damit zusätzlicher Umsatz von mindestens 250 000 Euro generiert werden. Zudem wurde eine steigende Tendenz in der Erstellung von Warenkörben beobachtet. „Zunehmend nutzen die Kunden das System zur Online-Kalkulation. Von dort bis zur eigentlichen Angebotsanfrage, die direkt über das System abgewickelt wird, ist es nur noch ein kleiner Schritt“, meint Leopold.

Er plant bereits für die Zukunft: „Im nächsten Schritt wollen wir die aufwändige Kundenakquise vollständig durch die Platzierung der Aufträge über das Portal ersetzen. Und um das E-Commerce- Konzept bundesweit umzusetzen, sucht die Rehbein & Weber Gruppe jetzt Meisterbetriebe und Architekten als Kooperationspartner. „Wir haben schon heute Anfragen für Arbeiten aller Gewerke, die in anderen Städten ausgeführt werden sollen“, so Leopold.

Die Plattform rehbein24.de basiert auf der E-Commerce-Software Epages 4.5. Über eine hinterlegte Produktdatenbank werden bei der Angebotskalkulation auf der Website die Handwerksdienstleistungen automatisch mit den zu verarbeitenden Produkten kombiniert. Seit Oktober ist auch eine Live- Chat-Hilfe eingerichtet. Dabei lassen sich Handwerksdienstleistungen „in Echtzeit“ erfragen. Zusätzlich wird ein Newsletter-System genutzt, um aktuelle Angebote und Informationen über Produktneuheiten an interessierte Kunden zu senden. Geplant ist, diesen Shop an Ebay anzubinden.

 

Erfolgreich agiert auch die Frankfurter MVC Mobile VideoCommunications AG im Internet - mit einer preisgünstigen Einsteiger-Shop-Lösung von Strato. MVC hat sich für den Business Shop entschieden, der mit 25 Euro pro Monat zu Buche schlägt. Das Unternehmen beschäftigt 60 Mitarbeiter und macht einen Umsatz von zwölf Millionen Euro pro Jahr. „Den Shop haben wir im Februar 2004 eröffnet. Er ist so konzipiert, dass man ihn komplett ohne Programmierkenntnisse einrichten kann“, sagt Tony Kula, Vorstandsvorsitzender des Systemhauses für Telefon-, Video- und Web-Konferenztechnik. „Bereits nach drei Stunden konnte es losgehen. Das Shop-Design war komplett, alle Artikel waren eingestellt. Einen Web-Programmierer mussten wir erst gar nicht beauftragen.“ Durchschnittlich 4551 Seitenzugriffe und mehr als 900 Besucher verzeichnet der MVC-Web-Shop pro Monat.

Die Umsätze im elektronischen Laden seien noch nicht exorbitant, erklärt Kula. „Sie liegen im unteren fünfstelligen Bereich - wachsen jedoch ganz nett.“ Folglich könne man auch noch kein Nutzerverhalten analysieren, doch eines kann Kula schon jetzt sagen: „Wir gewinnen Neukunden aus Gruppen, die wir vorher nicht erreichten, beispielsweise aus dem universitären Bereich.“ Das Produktangebot im Shop: „Neben hochfunktionaler Neuware gibt es in unserem Shop auch Gebrauchtsysteme oder Schnäppchen.“ Über schlechte Zahlungsmoral kann sich Kula nicht beklagen. „Wir versenden die Waren ausschließlich gegen Vorkasse beziehungsweise Kreditkarte“. Die Zahlungen per Kreditkarte würden dabei über Worldpay abgewickelt. „Durch die Zusammenarbeit von Strato und Worldpay brauchen wir keine Programmierarbeiten zu leisten, denn es ist eine Schnittstelle zwischen dem Shop- System und dem Server von Worldpay vorhanden.“

Noch gibt es bei MVC keine Anbindung an die Warenwirtschaft. „Die Bestellung, die per Mail bei uns eingeht, wird per Hand eingepflegt.“ Er rät potenziellen Shopbetreibern, zunächst kleine Brötchen zu backen. Sein Tipp: „Mit einer preiswerten Lösung anfangen und einfach mal ausprobieren.“

„Immer mehr kaufkräftige Senioren begeben sich im Internet auf die Suche nach preiswerteren Medikamenten“, so das Ergebnis einer Studie des Preissuchdienstes Medpreis.de. Befragt wurden 1081 Besucher des Portals. Ein Fazit: In Online-Apotheken kommt auch der „Mitnahme-Effekt“ zum Tragen. Laut 58 Prozent der Antworten werden nämlich auch Artikel bestellt, die in einer klassischen Apotheke nicht gekauft würden.

Von diesem Zulauf profitiert auch die noch junge Online-Apotheke von Dr. Christoph Bestendonk aus Moers. Sie öffnete im August dieses Jahres unter dem Slogan „Doc-Best billiger als Holland“ ihre Pforten. Die Motivation von Bestendonk, der auch die „Ahorn-Apotheke“ in Moers betreibt: „Die Erweiterung der Zielgruppe“. Unter www.docbest.de offeriert er in seinem Shop Arzneimittel, Produkte zur Körperpflege sowie Wellness-Artikel. Auch Artikel für den professionellen Praxisbedarf von Ärzten gehören zum Sortiment der Online-Apotheke. „Die schnelle und diskrete Lieferung ist unser oberstes Gebot“, konstatiert Bestendonk.

Konnten anfänglich über 21 000 Markenartikel über den Shop bestellt werden, so ist das Angebot mittlerweile auf mehr als 275 000 Produkte angewachsen. „Und das zu günstigeren Preisen als im stationären Handel“, betont der Apotheker.

Bereits im ersten Monat zählte die Online-Apotheke 20 000 Besucher und nahmmehr als 1100 Bestellungen entgegen. „Heute registriert der Shop zwischen 1000 und 2500 Besucher täglich.“ „Wichtig für die Auswahl der Software waren für uns Kriterien wie einfache Bedienbarkeit und Zuverlässigkeit“, sagt Bestendonk. Er entschied sich für Epages Hosting Edition Version 4.5. Das System wurde in sechs Wochen implementiert. Sein Tipp: „Um die Reichweite des Online-Shops zu erhöhen, kann er an Preisportale wie beispielsweise Preisfuchs angebunden werden.“

Landwirte gehen online

Auch vor der klassischen Landwirtschaft macht das E-Business nicht Halt. Der Bioland-Betrieb Gut Wulksfelde in der Nähe von Hamburg beackert mit seinen über 50 Mitarbeitern neben 260 Hektar Land auch das Geschäftsfeld Internet. „Ökologisch wirtschaftende Betriebe müssen sich den Hausforderungen einer schnell ändernden Gegenwart stellen“, meint Uwe Westebbe, einer der Geschäftsführer von Gut Wulksfelde.

Deshalb wurde der Internet-Auftritt gründlich überarbeitet. Mit der anfänglichen Shop-Lösung war man nicht zufrieden. Seit 19. Mai 2004 ist die neue Website online. Besucher der Wulksfelde- Homepage können nun anhand von Fotos und Texten hinter die Kulissen von Landwirtschaft, Gutsbäckerei oder Hofladen schauen. Neben einem Einblick in die Arbeiten auf dem Hof bietet der neue Auftritt auch eine breite Palette an Informationen: Alle Termine in und um den Gutshof sind einsehbar, hinzu kommt eine Datenbank, in der rund 300 Kochund Backrezepte recherchierbar sind. Auf Wunsch kann man auch einen Newsletter abonnieren und mit anderen Bio-Liebhabern diskutieren. Der neue E-Shop auf Basis von Websale-Technologie wird von den Mitarbeitern des Lieferservice von Gut Wulksfelde betreut. „Bei der LayoutÜberarbeitung des virtuellen Ladens wurde in hohem Maße auf die Gewohnheiten der bestehenden Shop-Kunden Rücksicht genommen“, sagt Westebbe. Die Zahlen beweisen, dass die Wulksfelder mit diesem Konzept ins Schwarze getroffen haben. Die Umsätze der „gutbio- günstig“-Lebensmittel sind durchschnittlich um 20 Prozent im Internet- Shop gestiegen. Im Juni 2004, dem ersten vollen Abrechnungsmonat, gab es beispielsweise 537 Online-Bestellungen von 265 Kunden - im Oktober registrierte man trotz zwei Wochen Herbstferien 721 Bestellungen bei 327 Kunden und eine Umsatzsteigerung von knapp 40 Prozent. Tendenz: weiter steigend. Und noch einen weiteren Trend stellten die Shop-Betreiber fest: „Produkte, die früher eher selten online bestellt wurden, landen jetzt vermehrt im digitalen Warenkorb“. Insgesamt macht das Gut Wulksfelde wenige Monate nach dem Relaunch des Web-Shops bereits ein Viertel seines Umsatzes online.

Fazit: Neben Umsatzsteigerungen bringen E-Shops auch mehr Transparenz in Bezug auf Kundenwünsche und -verhalten. „Denn durch jede Transaktion erfahren die Unternehmen automatisch etwas über den Kunden sowie sein Kauf- und Suchverhalten. Diese Informationen kommen auch den Office- Vertriebskanälen zugute.