Stellen Sie Sich vor: Sie wollen Innovationen einführen und müssen in Ihrem Unternehmen etwas verändern. Doch Sie treffen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine resistente Organisation. Wie können Sie dennoch Ihr Auditorium davon überzeugen, Sie bei Ihrem Vorhaben zu unterstützen und die Veränderung anzugehen? Alles beginnt mit erfolgreicher Kommunikation. Abgesehen von einigen IT Administratoren und Programmierern besteht die Hauptarbeitszeit eines IT Mitarbeiters darin, mit Menschen zu kommunizieren: Man schreibt E-Mails, liest E-Mails, telefoniert, sitzt in Meetings oder nimmt an Webkonferenzen teil. Die reine Technik nimmt nur geschätzte zehn Prozent der Arbeitszeit in Anspruch.
Kafkaeske IT
Wäre Franz Kafka nicht 1883 sondern 1983 geboren worden, hätte er sicherlich etwas über die Wirren der IT verfasst. Denn: in der IT erinnert Manches an anonyme und bürokratische Mächte, deren Absurdität und Sinnlosigkeit oftmals Ihresgleichen suchen. Zudem trifft man heutzutage auf:
Vorstudien, die niemals in einer Realisierung enden,
Meetings, die jemand einberuft und bei denen man sich fragt, welchen Nutzen sie stiften,
E-Mails, die unendlich lang sind, die man gar nicht zu Ende liest und die an die halbe Firma adressiert sind,
Konversationen, bei denen jemand behauptet, man müsse endlich handeln - aber warum man handeln sollte ist nicht transparent
Und Sie sind mittendrin. Doch wie kommt so etwas zustande? Es geschieht definitiv nicht absichtlich. Es ist vielmehr das Resultat großer Hierarchien mit vielen unterschiedlichen Zielen. Und je größer das Unternehmen, desto undurchsichtiger wird das Einzelne.
Dies ist kein rein deutsches Phänomen. In einem Vortrag erzählte Ferry Heilemann einmal, wie agil die Organisation rund um das Berliner Startup DailyDeal war - bis es von Google übernommen wurde. Der Konzern hat sprichwörtlich die Handbremse anzogen, indem er die Entscheidungswege hierarchischer und intransparenter machte. Am Ende der Geschichte kauften die Gründer das Unternehmen von Google wieder zurück, da die Gefahr bestand, dass Google DailyDeal abwickeln könnte.
Ein typisches Beispiel aus Kafkas IT
Zuvor haben wir gesagt, dass alles mit erfolgreicher Kommunikation beginnt. Schauen wir uns nun dieses fiktive Beispiel an, das zunächst zeigt, wie Kommunikation nicht erfolgreich verläuft:
Nehmen wir an, Ihr Unternehmen hat vor zwei Jahren einen Vertrag mit der Firma SuperConservative&More abgeschlossen. Sie müssen sicherstellen, dass das E-Mail System reibungslos funktioniert.
Es kommt zum Ausfall. Die Emotionen schlagen hoch. Gemäß ITIL Incident (= INM), Problem (= PRM) und Change (= CHM) wird alles unter die Lupe genommen. Nach vier Tagen gibt es den Verbesserungsvorschlag von den Kollegen. Sie trauen dem Braten nicht und haken nach. Sie laden zum Workshop mit den Experten ein. Erschreckender Weise stellen Sie fest, dass einige Teilnehmer angeben, schon vor sieben Monaten davor gewarnt zu haben. Die Gründe und eine mögliche Lösung wurden auch bereits damals erkannt.
Sie wissen nun, dass eigentlich etwas viel, viel Wichtigeres verändert werden müsste. Eine Entscheidung muss her. Sie schreiben eine Zusammenfassung Ihrer Erkenntnisse in einer ganz, ganz langen E-Mail an die Entscheidungsebene (10 Personen):
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
auf Grund des großen Ausfalls bei unserem Kunden SuperConservative&More haben sich die Herren Müller, Maier, Schmitz und ich letzte Woche zusammengesetzt, um über proaktive Maßnahmen der Verbesserung der Servicequalität zu diskutieren.
Hierbei haben wir überlegt, wie der Service heute und zukünftig verbessert werden kann. Wir haben im Rahmen eines Brainstormings herausgefunden, dass eine E2E Monitoring Initiative, die initiiert, aber vor gut 5 Monaten wieder eingestellt wurde, uns dabei helfen wird, ausfallende Komponenten wie beispielsweise den Cisco Router 7200 schneller zu identifizieren […] Insbesondere die Zusammenarbeit der Bereiche SSE und GED müssen hierbei verbessert werden, da die LIM und SDM Kandidaten immer wechseln. Wir brauchen darüber hinaus auch Change-Approvals bei PL-übergreifenden Emergency Changes.[…]
Ich möchte Sie bitten, dieses Vorhaben zu unterstützen.
Die Hürde
Das Ergebnis Ihrer E-Mail ist, dass nur eine Person der To- oder Cc-Liste antwortet, indem er die Mail an Peter Müller weiterleitet:
@P. Müller:
ich dachte die Cisco Router 7200 sind alle im Monitoring?
Dann kommt an alle eine Mail von Peter Müller:
Ja sind sie!
Daraufhin antworten Sie - wieder an alle, da Herr Müller das ja nicht im Kontext sieht:
Sehr geehrter Herr Müller,
die Cisco Router 7200 sind alle im Monitoring, werden aber alle nur lokal gemonitort! Das E-Mail System muss von Ende zu Ende überwacht werden. Wie Sie meiner u. a. Zusammenfassung entnehmen können […]
Dann kommt an alle eine Mail von Peter Müller:
Hallo Herr Kollege,
alle Router werden hier bei uns überwacht. Der Ausfall des betreffenden Routers wurde von uns festgestellt. Es hat funktioniert. Was ist denn so schlimm, wenn der Kunde mal keine Mails bekommt?
Schon fast verzweifelt senden Sie eine Mail wieder an alle - weil sonst noch alle denken, Herr Müller hätte gerade Ihr gesamtes Vorhaben ad absurdum geführt:
Hallo Herr Müller,
in der Tat haben Sie den ausgefallenen Router erkannt. Während der Fehlersuche konnten die Kollegen, die die Mail Systeme betreuen, jedoch nicht sehen, dass das Problem beim Router lag. Genau aus diesem Grund benötigen wir ein E2E Monitoring! Das gab es bereits, wurde aber eingestampft.
Überdies ist E-Mail für den Kunden wichtig, da das Handelssystem automatisiert über E-Mails funktioniert und […]
Die Hürde ist gerissen… Sie stehen auf und laufen weiter…
Sie erhalten keine Antwort mehr. Daher schreiben Sie wieder an alle:
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich habe bisher noch keine Antwort erhalten, ob Sie das vorgeschlagene Vorhaben (s. u.) unterstützen. Ich bitte Sie […]
Wieder kommt nur eine Antwort:
@P. Müller: Ist das jetzt mit den Cisco Routern geklärt?
Und Peter Müller antwortet:
Ja. Alle Router sind im Monitoring.
Das war's. Sie geben auf. Es verändert sich nichts: Der Status quo ist der gleiche, wie bereits vor sieben Monaten. Man verharrt im Status quo. Nur die Kollegen, die Sie vorher gewarnt hatten, dass sich nichts verändern wird, behalten Recht.
Dasselbe Beispiel, nur mit erfolgreicher Kommunikation
Wir werden nun die Gründe, die uns dazu bewegen, ein Veränderungsvorhaben vorzuschlagen, an den Anfang jeglicher Kommunikation setzen. Danach folgt das "Was" in Form von organisatorischen Veränderungen, die mit dem "Warum" verknüpft sind. Die Technik, also das "Wie", stellen wir ganz an den Schluss.
Indem Sie die Argumentationskette in die Reihenfolge Warum? Was? Wie? bringen, können Sie die Technik (Wie) immer in Bezug zu organisatorischen Veränderungen (Was) und den damit verbundenen Nutzen (Warum) eines Unternehmens setzen: Sie tun, was Sie gerade tun, indem Sie Folgendes verändern, um genau diesen Nutzen zu erzielen.
Im Gegensatz zum Ansatz ohne die drei W-Fragen strukturieren Sie diesmal den Workshop mit den Experten gemäß der 3 Hauptfragen.
Sie fragen die Teilnehmer: Sie alle sitzen in diesem Boot und sehen täglich, dass die Dinge nicht optimal laufen. Wenn Sie morgen etwas verändern könnten, warum? Was treibt diese Veränderung an? Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Anschließend fragen Sie die Teilnehmer, was sie organisatorisch verändern müssen, damit sie die erwarteten Mehrwerte erzielen?
Im letzten Teil des Workshops fragen Sie, wie diese Veränderungen umgesetzt werden können.
Sie schätzen einen groben Zeitplan und stellen die Prioritäten Ihrer Initiativen dar. Dann beginnen Sie erst damit die entscheidenden Personen zu identifizieren und strukturieren die Botschaft gemäß Situation - Complication - Solution. Sie reichern die Situation mit klaren Power Messages an, damit der Leser Ihrer E-Mail neugierig wird und weiterliest.
Die E-Mail
Sie haben im Rahmen Ihrer Arbeit vier Personen identifiziert, die entscheidungsbefugt sind, Ihr Vorhaben in die Wege zu leiten. Anstatt alle in einer einer E-Mail anzuschreiben, schreiben Sie jeden einzeln an und bitten um ein vertiefendes Gespräch. Unter diesen Personen befindet sich auch Frau Müllermaier-Schmitz, die den Betrieb für SuperConservative&More verantwortet - inklusive der Kosten und Einnahmen.
Sehr geehrte Frau Müllermaier-Schmitz, | |
Situation | die Profitabilität ist das Ziel unseres Unternehmens. Die Profitabilität bezüglich des Kunden SuperConservative&More obliegt Ihrer Verantwortung. Sie verzichten jedes Quartal auf 200.000 Euro Einnahmen. Gemeinsam mit unseren Experten habe ich eine Lösung erarbeitet, um die Profitabiltät sicherzustellen. Ich bitte Sie um ein vertiefendes Gespräch. |
Complication | Die Ausfälle beim Kunden SuperConservative&More haben sich im Stillen gehäuft. Daher habe ich im letzten Monat zusammen mit diversen Experten die aktuelle Situation analysiert. Ausfälle können passieren, doch ein Viertel aller Ausfälle beim Kunden SuperConservative&More könnten verhindert werden. Unsere Prozesse greifen, unser Monitoring schlägt an. Jedoch sind wir nicht schnell genug. 65 Prozent aller Ausfälle könnten innerhalb der vertraglich vereinbarten Zeiten behoben werden. |
SolutionN | Der gemeinsam mit unseren Experten erarbeitete Lösungsvorschlag unterstützt die Ziele unseres Unternehmens: Quality means Success & Factory 5.0. Folgende Initiativen sind zu ergreifen: |
Details folgen im vertiefenden Gespräch mit Ihnen. Mit freundlichen Grüßen |
Herleitung
Wie kommt es zum Inhalt dieser E-Mail? Das Warum muss im Unternehmenskontext gesehen werden. In jedem Unternehmen gibt es Leitlinien und intern sowie extern kommunizierte Ziele. Diese finden Sie im Geschäftsbericht, im Intranet oder auch in Interviews bei Google.
Strukturieren Sie die Ergebnisse Ihrer Recherche nach Treibern, Investitionszielen und Nutzen.
Filtern Sie Ihre Ergebnisse nach Relevanz im Kontext dieses Vorhabens.
Assoziieren Sie anschließend Ihre Workshopergebnisse aus dem Warum-Abschnitt mit den Ergebnissen Ihres Unternehmenskontextes.
Im Kontext des Warum verbirgt sich die so genannte Power Message. Das ist die einfach formulierte Botschaft, die die Aufmerksamkeit Ihres Auditoriums - in diesem Fall die Leser Ihrer E-Mail - erregt. Die Power Message ist kurz, prägnant und quasi - wach rüttelnd.
Betrachten Sie nun den Bereich der Analyse, der die Treiber, Investitionsziele sowie den Nutzen aufzeigt. Welche Botschaft steckt hier verborgen? Ihr Unternehmen möchte profitabel sein? Ihr Unternehmen möchte mit weniger Ausfällen rechnen? Nein. Diese Informationen sind nüchtern und grundlegend wie die Botschaften "im Sommer ist es warm" und "wir wollen die Klimaerwärmung stoppen".
Sie müssen sich fragen, welche Botschaften hinter den grundlegenden Informationen verborgen sind. Was bedeutet "weniger Ausfälle"? Durch das Befragen der Experten oder das Hinterfragen wie viele Ausfälle tatsächlich vermeidbar wären, kommen Sie zu der beeindruckenden Power Message, dass 10 von 40 Ausfällen des letzten Jahres vermeidbar gewesen wären, wäre Ihr Vorhaben bereits umgesetzt worden.
Weiterhin stellen Sie fest, dass 65 Prozent aller Ausfälle innerhalb des vertraglich vereinbarten SLAs hätten behoben werden können, wäre Ihr Vorhaben bereits umgesetzt. Da die SLAs gerissen werden, zahlen Sie Pönale - und dies summiert sich auf 200.000 Euro pro Quartal. Ihr Kunde zahlt pro Quartal zwar Millionen, aber auf dieses Geld verzichtet Ihr Unternehmen dank Status quo. (bw)