Sourcing-Berater

Erfahrung ist Trumpf

25.03.2008
Vor allem bei der Auswahl und Steuerung der Provider nehmen Anwender die Dienste neutraler Experten in Anspruch.

Ein Outsourcing muss gut überlegt sein. Nicht nur die Make-or-Buy-Entscheidung, auch die Auswahl des Providers und seine anschließende Steuerung sowie die Vertragsgestaltung haben Einfluss auf den Erfolg. Sich bei diesen Aufgaben Hilfe von neutralen Beratern zu holen ist heutzutage gängige Praxis, da sich der Markt und die Anforderungen ständig verändern, meint Klaus Holzhauser, Managing Consultant bei Pierre Audoin Consultants (PAC). "Ein externer Berater, der viele Deals kennt, hat immer noch mehr Erfahrung als ein Unternehmen, das bereits sein drittes Auslagerungsprojekt in Angriff nimmt", so der Experte. Und in Deutschland befänden sich die meisten Anwender ohnehin erst in der zweiten Outsourcing-Welle.

Martin Haas, IDC
Foto: Martin Haas

Ähnlich sieht es Martin Haas, Director Research & Consulting bei IDC: "Bei überschaubaren, weitgehend standardisierten Aufgaben - etwa Desktop-Services - brauchen Unternehmen keinen Sourcing-Advisor. Das sollten sie alleine schaffen." Für komplexere Vorhaben sei externe Unterstützung aber zu empfehlen. Speziell deutschen Firmen fehle die Erfahrung. Die meisten verfügten nur über Halbwissen. Allerdings seien Auslagerungen sehr individuell, viele Best Practices gebe es nicht: "Der Kunde will es so individuell wie möglich und der IT-Dienstleister so standardisiert wie möglich - und dazwischen muss der Sourcing-Advisor vermitteln", beschreibt Haas den Anspruch an die Externen.

Vorbereitung: Rahmen abstecken

Deren Aufgaben lassen sich in vier Phasen unterteilen: Zunächst arbeiten sie gemeinsam mit dem Kunden die Sourcing-Strategie aus, bestimmen die Ziele und überprüfen, welche Systeme und Anwendungen überhaupt für eine Auslagerung in Frage kommen. Diese Phase ist vor allem für unerfahrene Anwender wichtig: "Am Anfang sind eine Menge Fragen zu klären", so Haas. "Und eine Fehlentscheidung hat meist negative Folgen für den gesamten Projektverlauf." Auch für Firmen, die ein Offshoring in Erwägung ziehen, spielen solche Grundsatzüberlegungen eine besonders große Rolle.

Was die Consultants mitbringen müssen

  • Umfassende Marktkenntnisse;

  • Sourcing-Fachwissen;

  • Erfahrungen mit Outsourcing-Alternativen wie Shared Services;

  • Erfahrungen mit ähnlich aufgestellten Kunden;

  • Sourcing-Management-Kompetenz, Best Practices;

  • gute Referenzen;

  • Tools und Templates;

  • Risiko-Management-Strategien.

Nächster Schritt: Auswahl des Providers

Anschließend helfen die Berater dem Kunden, Kriterien für die Auswahl des IT-Dienstleisters auszuarbeiten, die Angebote zu beurteilen und den RFI (Request for Information = Leistungsanfrage) beziehungsweise RFP (Request for Proposal = Aufforderung zur Angebotsabgabe) zu erstellen. In dieser Phase sind besonders viele Sourcing-Berater anzutreffen, die teilweise absichtlich "Stunden machen". So beobachtet PAC-Consultant Holzhauser, dass einige Anwender auf Anraten ihrer Sourcing-Advisors einen hohen Aufwand betreiben: "Oft wird der RFI an zu viele Provider verschickt, und der Anwender muss erst einmal unzählige Folien durcharbeiten, bis er überhaupt erst fünf bis sieben Anbieter auswählen kann", kritisiert der Experte. Sinnvoller sei, sich gemeinsam mit dem Berater auf die entscheidenden Auswahlkriterien festzulegen: "Daraus ergibt sich dann eine qualifizierte Short List an Providern, die den RFP erhalten, und der Aufwand hält sich in Grenzen", so Holzhauser. Voraussetzung sei allerdings, dass der Sourcing-Advisor über den Markt, die Stärken und Schwächen der Anbieter sowie über deren Fokussierung und regionale Aufstellung gut informiert sei.

Wer Sourcing-Beratung anbietet

Bei vielen IT-Strategieberatungen sowie in den Advisory-Abteilungen der Wirtschaftsprüfer ist Sourcing-Beratung mittlerweile ein fester Bestandteil des Portfolios. Während Branchenriesen wie Deloitte, Gartner und Bearingpoint auf globaler Ebene agieren, wird der deutsche Markt von einer Vielzahl lokaler Beratungshäuser dominiert. Beispiele sind das Deloitte-Spinnoff Adour Consulting Group, Pierre Audoin Consultants (PAC), Clearview Consulting oder Corporate Quality Consulting (CQC). Auch Benchmarking-Anbieter wie Compass bieten Sourcing-Advisory an.

Daneben gibt es Anbieter, die sich auf Fragen zu IT-Outsourcing, Business-Process-Outsourcing (BPO), Insourcing, Shared Services sowie Off- und Nearshoring spezialisiert sind. Der mit weltweit 400 Beratern größte Vertreter dieser Kategorie ist die US-amerikanische Firma Technology Partners International (TPI), die seit der Übernahme durch den Investor ISG (Information Services Group) im vergangenen Herbst an der Börse notiert und auch in Deutschland präsent ist. Die von zwei ehemaligen TPI-Mitarbeitern gegründete Equaterra beschäftigt seit dem Merger mit Morgan Chambers weltweit 230 Consultants, die sich vorrangig auf BPO in den Bereichen F&A (Finance & Accounting), HR (Human Resources), Procurement und Logistik fokussieren. Firmen aus dem europäischen beziehungsweise deutschsprachigen Raum haben die Active Sourcing GmbH aus der Schweiz und die Hamburger Navisco AG im Visier.

Die meisten Anbieter rechnen ihren Aufwand nach Tages- beziehungsweise Stundensätzen ab.

Dritter Schritt: Die Vertragsverhandlung

Wenn der enge Provider-Kreis feststeht, gehen die Consutlants die Leistungsbeschreibungen mit dem Auftraggeber durch und führen ihn durch die Vertragsverhandlungen. Die Sourcing-Beratung TPI vertraut dabei auf Tools, standardisierte Methoden und Templates, die auf Erkenntnissen aus Kundenprojekten basieren. Dadurch soll sich diese Phase um mehrere Monate verkürzen lassen.

Laut Bernd Schäfer, Deutschland-Geschäftsführer von TPI, kann es auch vorkommen, dass die Berater von einem Outsourcing abraten. "Das gehört zu unserem Ehrenkodex". Dem folgen die Experten aber offenbar nicht immer. So hatte die Hypovereinsbank 2006 ein Outsourcing-Projekt ausgeschrieben, das dem Dienstleister äußerst ungünstige Bedingungen bot. "Laufzeit, die Zahl der zu übernehmenden Mitarbeiter und das Kunden-Engagement standen in keinem Verhältnis", erinnert sich PAC-Experte Holzhauser. Schließlich entschloss sich die Bank, ihr Rechenzentrum nicht wie geplant auszulagern - eine Entscheidung, die ihr die beauftragten TPI-Berater früher hätten nahelegen müssen, um den Aufwand auf beiden Seiten gering zu halten. "Sourcing-Advisors müssen einen Konsens finden, der den größtmöglichen Nutzen für den Anwender bietet, und gleichzeitig bewirkt, dass der Provider seine Ziele erreicht", beschreibt Holzhauser die Verantwortung der Berater.

Nächste Phase: Definition von SLAs und Vertragsgestaltung

Auch in der vierten Phase, der Formulierung der SLAs (Service-Level-Agreements), stehen Sourcing-Advisors ihren Kunden zur Seite - bis hin zur Ausarbeitung des gesamten Vertrags und der Übertragung der Leistungen an den Provider (Transition). Manche Beratungshäuser übernehmen auch Benchmarks, um die Arbeit des IT-Dienstleisters nach einem bestimmten Zeitraum zu bewerten. Die Leistungen können aber auch einzeln erbracht werden. So erfolgte das Outsourcing-Vorhaben bei Premiere ohne die Hilfe von Beratern. Aber vor Vertragsabschluss gab Günter Weinrauch, Vice President Information Management bei dem Fernsehsender, ein externes Assessment des Outsourcing-Modells und des Vertrags in Auftrag.

Auf die Erfahrung kommt es an

Neben guten Marktkenntnissen sollten die Consultants langjährige Erfahrungen und entsprechende Referenzen mitbringen, meint Premiere-CIO Weinrauch. "Leute, die frisch von der Uni kommen, sind hie sicher fehl am Platz." Wichtig sei zudem eine pragmatische, individuell am Kunden ausgerichtete Vorgehensweise: "Jedes Sourcing-Vorhaben ist anders." Nach Ansicht von IDC-Analyst Haas müssen die Berater dabei vor allem die Auswirkungen des Deals auf die Arbeit danach abschätzen können.

Mit Erfahrung werben insbesondere die auf Sourcing spezialisierten Anbieter: "Unsere Berater blicken im Schnitt auf 20 bis 25 Jahre einschlägige Berufstätigkeit zurück", schätzt TPI-Manager Schäfer. Etwa zwei Drittel hätten zuvor im Management eines Providers gesessen, das restliche Drittel seien ehemalige CIOs mit Sourcing-Erfahrung. Auch TPI-Konkurrent Equaterra stellt nur Berater ein, die auf Anwender- oder Provider-Seite Führungspositionen bekleidet haben. "Dadurch haben wir vor allem in der Umsetzung einen Vorsprung vor breiter aufgestellten Beratungshäusern", glaubt Markus Schäfer, Principal Consultant bei Equaterra. Am wichtigsten seien jedoch Soft Skills: "Die Berater müssen gut zuhören können, um die Anforderungen des Kunden zu verstehen."

Welche Leistungen künftig vorrangig gefragt sind

Auch wenn der Erfahrungsschatz der Anwender mit der Zeit zunimmt - gute Sourcing-Beratung bleibt wichtig, meint der Equaterra-Mann: "Vor allem im Mittelstand gibt es noch viel zu tun." Großunternehmen brauchten eher Unterstützung bei der Sourcing-Konzeption und Provider-Auswahl. Ähnlich sieht es Lars Schwarze, Senior Manager CIO Advisory Services bei Deloitte Consulting: "Es werden künftig weniger Firmen eine Komplett-Unterstützung in Anspruch nehmen. Aber dafür steigt die Nachfrage nach partieller, methodisch ausgerichteter Beratung - vor allem in puncto Sourcing-Management, Provider-Steuerung und Governance." Auch die zunehmenden Offshore- und Nearshore-Aktivitäten tragen dazu bei: "In der Anwendungsentwicklung und -betreuung müssen die Unternehmen ja immer mehr externe Provider steuern", beschreibt TPI-Manager Schäfer den Wandel im Outsourcing-Markt.