Erdnussbutter-Manifest: Ein Yahoo-Manager redet Tacheles

20.11.2006
Bei Yahoo brennt der Baum schon fünf Wochen vor Weihnachten. In einem internen Papier beschreibt ein Manager, wie hilflos sich das Unternehmen im Wettbewerb mit Google verhalte.

Vier Seiten umfasst das so genannte "Erdnussbutter-Manifest", in dem der Yahoo-Topmanager Brad Garlinghouse eine äußerst kritische Bestandsaufnahme vornimmt. Das im vergangenen Monat verfasste interne Papier war dem "Wall Street Journal" (WSJ) zugespielt worden. Yahoo verteile seine Ressourcen wie Erdnussbutter auf einer Scheibe Brot: gleich dünn über sämtliche Geschäftsaktivitäten hinweg, aber ohne strategischen Fokus, so der Kernvorwurf des Managers. Dem Unternehmen fehle es an einer Vision und an Entschlossenheit.

Brad Garlinhouse beklagt den fehlenden Geschäftsfokus bei Yahoo

Hintergrund ist die Tatsache, dass Yahoo mit seinem breiten Angebot nicht mehr die gewünschte Geschäfts-Performance aufweist. Noch lockt das Internet-Portal weltweit die meisten User auf seine Site, doch erste Analysten mutmaßen, dass Google dem Rivalen im nächsten Jahr diese Position abnehmen wird. Gefahr droht außerdem von Microsoft, AOL (nachdem der Service kostenlos verfügbar ist) und dem von News Corp. übernommenen Web-2.0-Portal Myspace.

Yahoo hatte sich in den vergangenen Jahren bewusst sehr breit aufgestellt. Das Unternehmen wollte damit möglichst viele Internet-Nutzer erreichen, um so die Werbemaschinerie ins Laufen zu bringen. Auch Google marschierte in diese Richtung: Permanent wurden neue Angebote gestrickt oder zugekauft, die das breite Publikum anlocken - allen voran Youtube. Allerdings gab Google dabei nie seinen Fokus auf die Internet-Suche auf. Der Yahoo-Rivale nutzte diese Funktion, um sein Angebotsportfolio aufzuwerten und das Geschäft mit an Suchergebnissen orientierter Werbung zu perfektionieren.

Yahoo betreibt unterdessen einen Online-Gemischtwarenladen und kann wohl selbst nicht genau erklären, welches Angebot dabei das wichtigste ist. Das Programm reicht von E-Mail, Nachrichten und Finanzdiensten über Online-Dating und Phantasiesportarten bis hin zu zugekauften Social-Networking-Sites (Flickr, Del.icio.us). Garlinghouse kritisiert die fehlende Linie, Unternehmen müssten sich auf bestimmte Aktivitäten konzentrieren und weniger wichtige fallen lassen. Der Yahoo-Manager sagte nicht, welche Services verzichtbar seien. Einige Analysten hatten jedoch bereits vorgeschlagen, die Dating-Site sowie die Services für Kleinunternehmen - insbesondere das Webhosting - abzustoßen.

Garlington empfiehlt eine tief greifende Reorganisation des Konzerns. Die Personaldecke solle um 15 bis 20 Prozent zurechtgestutzt werden, auch im Management müssten "Köpfe rollen". "Hört auf, Erdnussbutter zu essen", heißt es in dem Memo - Garlington selbst hasse übrigens diese Leibspeise vieler Amerikaner.

Yahoo-Mitgründer Jerry Yang und CEO Terry Semel (rechts)- ein Bild aus besseren Zeiten

Dem Wirtschaftsblatt zufolge gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Yahoo-Spitze nun aufgewacht ist. Chief Operating Officer Dan Rosensweig soll Garlington damit beauftragt haben, eine Gruppe von Yahoo-Mitarbeitern anzuführen, um das Angebotsportfolio des Online-Portals kritisch zu sichten und Vorschläge in Sachen Fokussierung zu unterbreiten. Auch CEO Terry Semel hatte angedeutet, dass sich Yahoo verstärkt auf Kerngeschäftsfelder konzentrieren wolle. "Wir müssen zurück zu den Basics und einige wenige Schlüsselprioritäten verfolgen", sagte der Yahoo-Boss nach der Bekanntgabe der letzten Quartalsergebnisse, die alles andere als erfreulich ausgefallen waren.

Zu priorisieren sind laut Semel Video, mobile Angebote (siehe Kooperation mit Vodafone) und die Social-Network-Sites (erst vergangene Woche meldete Yahoo die Übernahme der auf Wettbewerbe spezialisierten Web-2.0-Site Bix.com). Außerdem werde man kontextabhängige Werbung im Umfeld von Suchergebnissen, aber auch das Geschäft mit Display-Anzeigen vorantreiben. Die Hoffnungen Semels ruhen auf einer neu eingeführten Software zum Disponieren von Anzeigen, mit der Yahoo zu Googles Adword-Modell aufschließen möchte.

Eine Unternehmenssprecherin bezeichnete es unterdessen als nicht weiter problematisch, dass die interne Memo von Garlinghouse an die Öffentlichkeit gedrungen ist. "Wir haben eine offene, kollaborative Kultur und ein Senior-Management-Team, das alles dafür tut, um Yahoos Position als führendes Internet-Unternehmen zu halten." Doch eben dieses Senior-Management scheint angesichts der jüngsten Probleme vor gravierenden Veränderungen zu stehen. Gerüchten zufolge sollen Rosensweig und Finanzchefin Susan Decker jeweils zu Presidents ernannt werden, was als Indiz dafür gedeutet wird, dass sich der 64-jährige Semel bald in den Ruhestand verabschieden wird. Allerdings gibt es auch Stimmen, denen zufolge Semel nicht ans Aufhören denkt.

Dazu hat der Yahoo-Chef eigentlich auch keinen Grund: Unter seiner Regie hat Yahoo eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben. Zwar verlaufen die Geschäfte derzeit nicht nach Wunsch, doch Yahoo ist weiter hochprofitabel und die Websites des Unternehmens gehören zu den erfolgreichsten überhaupt. Zum Ende des dritten Quartals zählt Yahoo die erstaunliche Zahl von 418 Millionen Besuchern, ein 19-prozentiges Plus gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Berechnet man Joint Ventures in China und Japan mit ein, ist die 500-Millionen-Grenze längst überschritten. (hv)