Projektgeschichten

Entwickler contra Projektleiterin

01.09.2013
Konfliktpotenzial gibt es in Projekten genug, etwa wenn der Anwendungsentwickler nicht einsehen will, warum er eine kleine Softwareänderung nicht ohne Test einspielen kann. Autorin Sabine Niodusch skizziert einen fiktiven Dialog zwischen Programmierer und Projektleiterin, wie er sich in vielen Unternehmen zutragen könnte.
Der neue Entwickler der fiktiven Humor AG hat eine andere Arbeitsauffassung als seine Projektleiterin.
Foto: Ljupco Smokovski/Fotolia.com

"Ich spiele die Änderungen eben mal ein“, sagte Simon Hechler, Anwendungsentwickler in der fiktiven Humor AG, und seit vier Wochen im Unternehmen. Das machst du nicht!“, warnte ihn Julia Matthies, eine sehr erfahrene Projektleiterin und seit Jahren im Unternehmen. Sie hatte ihm zum Üben die Verantwortung für eine kleine Softwareänderung innerhalb ihres Projektes übertragen.

"Und wieso nicht? Die Software ist fertig und sie ist getestet." Hechler wurde ungeduldig. Projektleiterin Matthies klärte ihn auf: „Bei uns laufen die Änderungen an der Software nach einem festen Schema ab: Im Projektantrag werden neben Zielen und fachlichen Anforderungen auch Risiken, Vorgehensweise, Betroffene und Beteiligte,Kosten, Abnahmekriterien und Termine schriftlich festgelegt. Jeder Projektantrag wird von Auftraggeber und -nehmer unterschrieben. Nach der Änderung werden diese von der IT getestet. War die Fachabteilung der Auftraggeber, testet sie die Software. Den finalen Integrationstest macht ein Integrations-Test-Team. Nur eine erfolgreich getestete Software wird zur Installation freigegeben. Die Installation der Änderungen erfolgt ausschließlich über den Tisch des Koordinators für die Softwareentwicklung.“

„Auch bei diesem kleinen Projektchen?“, fragte Hechler irritiert.

„Auch bei diesem kleinen Projektchen, wie du es so schön nennst“, bestätigte Matthies. „Wenn du das Gesamtsystem nicht kennst, kannst du meist allein nicht abschätzen, was eine kleine Änderung für Auswirkungen am Gesamtsystem hat.“

„Aber das kann doch keiner“, widersprach Hechler, „dafür ist das Unternehmen doch viel zu groß.“

„Ja und nein“, sagte Matthies, „Thomas Kowalsky koordiniert die Softwareentwicklung. Alle Projektanträge laufen über seinen Schreibtisch, er koordiniert Termine und die späteren Softwareinstallationen.“ Entwickler Hechler schüttelte den Kopf. „So viel Aufwand für so einen Kleinkram. Diese Miniänderung ist doch schnell eingespielt…“

„… und kann dich Kopf und Kragen kosten, wenn es anderer Stelle knallt“, unterbrach ihn Projektleiterin Matthies. »Es wäre nicht das erste Mal, dass so eine Miniänderung dazu geführt hat, dass gar nichts mehr geht, und dann hast du alle Anwender gegen dich, und hier laufen die Telefone heiß. Oder es knallt im Verborgenen, und ein Anwender fragt dich ganz unschuldig, wie diese Daten zustande kommen sind, er hätte sie doch gar nicht so eingegeben.“

„Das behaupten die Anwender immer“, schmunzelte Hechler. „Unterschätze die Anwender nicht, die sind nicht nur doof. Wir haben hier schon nächtelang Fehler gesucht, weil eine Miniänderung einen solchen Datenschrott produziert hat, dass nichts mehr ging. Und das ist super-aufwändig. Dann müssen die ganzen Änderungen Stück für Stück rückwärts nachvollzogen und manchmal sogar zurückgesetzt werden. Wenn du Tim Lenze, unseren CIO, wirklich einmal in Rage erleben willst… Es ist deine Entscheidung.“

„Das würde ich riskieren!“, konterte Hechler frech. „Vorher musst du aber an Kowalsky vorbei,“ entgegnete Matthies. „Den schaff ich. Das ist doch der alte Typ mit den weißen Haaren“, meinte Hechler. „Auch wenn er schon in den Sechzigern ist und weiße Haare hat, ohne ihn läuft hier gar nichts. Er hat den absoluten Überblick und ein geniales Detailwissen“, wies ihn die Projektleiterin zurecht. „Ich versuche es trotzdem“, beharrte der junge Entwickler. Julia Matthies holte tief Luft: „Ich warne dich, er hat einen schwarzen Gürtel im Judo.“

Sabine Niodusch ist selbst Projektleiterin und hat ihre Erfahrungen in fiktiven Projektgeschichten zusammengefasst.
Foto: Niodusch Consulting

Zwei Tage später rief Softwarekoordinator Kowalsky Projektleiterin Matthies an: „Hat dem Neuen noch niemand erklärt, dass Software bei uns nicht mal eben eingeführt wird?“. „Ich hab es probiert“, entgegnete Matthies geduldig. "Es hat offensichtlich noch nichts genützt. Wie hat er es geschafft, dich zu umgehen?“ Kowalsky lächelte großzügig: "Zum Einspielen der Software braucht er ja Berechtigungen. Er hat versucht, eine Zugriffsberechtigung zu bekommen und wurde sofort abgewiesen. Alle, die ihn abgewiesen haben, waren so clever, mich zu informieren. Als das Bürschchen dann bei mir im Büro stand, habe ich ihn mir vorgenommen: Erst einen auf väterlich machen und dann die große Keule des Hüters der Software der H.umor AG herausholen und eine Predigt über die Konsequenzen des unbedachten Einspielens von Software und die damit einhergehenden Verantwortlichkeiten halten. Dann verließ er ziemlich geknickt mein Büro.“ Schweigen. „Ist er bei dir schon wieder aufgetaucht?“

„Bis jetzt noch nicht“, sagte Projektleiterin Matthies. „Klingt aber ganz so, als müsste ich jetzt wieder Aufbauarbeit leisten.“Darauf Kowalsky: „Julia, ich weiß, dass du das kannst. Du hast schon ganz andere Probleme gemeistert.“

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Die 14 Fehler beim Projekt-Management
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Falsches Personal
Der Fehler: Nicht die richtigen Leute für ein Projekt zu haben, kann das ganze Vorhaben sterben lassen. Alle Planungen sind nichts wert, wenn die notwendigen Talente fehlen.<br><br> Die Lösung: IT und Projekt Management müssen einen kompletten Überblick über die Fähigkeiten und Belastungsgrenzen des Personals haben. Das bezieht sich auch auf Berater, Anbieter und Outsourcing-Partner. Entscheidend ist, die Ressourcen bei den unzähligen Projekten und der täglichen Arbeit richtig einzusetzen.
Keine erfahrenen Projekt-Manager
Der Fehler: Projekte können schnell außer Kontrolle geraten, wenn ein erfahrener Projekt-Manager am Steuer fehlt.<br><br> Die Lösung: Es muss ein Projekt-Manager her, der über die richtigen Zertifizierungen und die Finesse verfügt, die einzelnen Akteure zu steuern. Gute Projekt-Manager verstehen es, Meetings in die gewünschte Richtung zu lenken, Risiken zu managen und mit einer Vielzahl von unterschiedlichsten Mitarbeitern umzugehen.
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Zu viele Prozesse
Der Fehler: Zu viele Prozesse auf einmal macht das Projekt-Team unflexibel. Was dabei herauskommt ist Frust bei den Beteiligten. <br><br>Die Lösung: Flexibel sein und mit Auftraggebern und Projektbeteiligten kommunizieren.
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Die Folge: Das Budget für das Projekt explodiert. Zeitpläne sind nur Makulatur. <br><br> Die Lösung: Strazza von CA empfiehlt einen Änderungsantrag ganz formal anzugehen. Ein Dokument sollte die spezifischen Änderungen auflisten. Der Projektleiter muss dann ermitteln, wie sie sich auf das Budget und den Zeitplan auswirken.
Keine Ahnung über den Status quo
Der Fehler: Bei vielen IT-Projekten fehlen aktuelle Daten über den momentanen Status. Aber wie soll man etwas managen, wenn man es nicht messen kann? Vor allem ist es schier unmöglich, Ressourcen zu koordinieren oder auf Veränderungen zu reagieren.<br><br>Die Lösung: Software einsetzen und sich stets über den aktuellen Stand der Dinge informieren.
Probleme ignorieren
Der Fehler: Probleme lösen sich leider nicht von selbst. Sie nehmen immer mehr zu, je länger man wartet. Die Folge sind steigende Kosten. <br><br> Die Lösung: Wenn mal etwas schief läuft, kommt es anschließend darauf an, wie schnell man es wieder in Ordnung bringt.
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Der Fehler: Die IT kommuniziert oft mit den Auftraggebern und anderen Beteiligten in einer Weise, die keiner außer ihr selbst versteht. <br><br> Die Lösung: Von Vorteil ist es, wenn man sich bei der Kommunikation auf die Gegenseite einstellt. Das gilt vor allem für die IT. Das Business hat keine Lust, seitenweise Technikbegriffe lesen zu müssen, die ein paar Funktionalitäten erklären sollen.