Outsourcing

Enttäuschte Hoffnungen

25.11.2009 von Joachim Hackmann
Viele problematische Deals haben das Outsourcing als Lösung für die Probleme im IT-Betrieb entzaubert.
Quelle: P.Lecko/Fotolia
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Die Outsourcing-Provider erleben schwere Zeiten. "Insbesondere das Bestandsgeschäft leidet, weil die Anwender Preise nachverhandeln, geplante Projekte verschieben oder absagen, die Zahl der User reduzieren und die Produktion zurückfahren", beschreibt Karsten Leclerque, Director beim Beratungs- und Marktforschungshaus PAC, die aktuelle Lage im Markt. "Auch die steigende Zahl der insolventen Kunden setzt den Providern zu." Die letzte PAC-Prognose für die Entwicklung des Auslagerungsgeschäfts in Deutschland belief sich auf ein Wachstum von fünf Prozent. "Wir werden den Wert nach unten korrigieren", kündigte Leclerque an.

Das raten CIOs Outsourcing-Anwendern
Reinhard Eschbach, Thomas Cook: Transparenz ist das A und O
„Jeder Dienstleister ist nur so gut, wie ihn der Auftraggeber steuert. Outsourcing darf keine Black Box sein: Ich will verstehen, was der Provider macht, und kontrollieren, ob dies in Einklang mit meinen Zielen steht. Die Transparenz der Kosten – sowohl meiner eigenen als auch derjenigen des Providers – halte ich für wichtig. Eine Open- Book-Policy schafft nicht nur Vertrauen, sie ist auch effizienter, weil beide Seiten wissen, welche Hebel sie ansetzen können.“
Ralf Stalinski, Cognis: Akzeptanz beim User schaffen
„Wer auslagert, sollte im Vorfeld eine Art Inventur machen, um einen Überblick darüber zu haben, welche Services in den einzelnen Ländern erbracht werden. Erschwert wird Outsourcing vor allem durch die Kluft zwischen der User-Akzeptanz und der Erwartung des Managements. Es ist ja kein Geheimnis, dass Endanwender eine Standardisierung zunächst als Einschränkung empfinden. Hier ist die interne Kommunikation gefordert, die Belegschaft muss die Vorteile der Maßnahmen nachvollziehen können. “
Walter Friedl, Vistec: Know-how auf Augenhöhe
„Meine goldene Regel lautet: Auf Kundenseite muss es eine Instanz mit mindestens gleichem Know-how geben wie auf der Provider-Seite. Ich habe dafür einen IT-Service-Delivery-Manager für alle Infrastrukturthemen und eine SAP-Managerin für die Applikationen abgestellt. Beide sind dafür zuständig, dass der eingekaufte Service bei unseren Anwendern verlässlich und in guter Qualität ankommt.“
Dirk Ostermann, RAG: Prozesse zerschlagen
„Ganz wichtig: Sie müssen Prozesse zerschlagen. Sowohl im Eigenbetrieb als auch bei einer internen Auslagerung in eine Tochtergesellschaft schwingen sich Abläufe und Kommunikationswege zwischen Nutzer und IT ein, die nicht immer effizient sind. Die Lethargie und die Das-habenwir- schon-immer-so-gemacht-Einstellung müssen Sie durchbrechen. In dieser Phase ist Führung durch Kommunikation gefragt, denn für alle Betroffenen ändert sich viel.“
Carsten Stockmann, Mayflower: Beziehung weiterentwickeln
„Outsourcing ist ein Prozess, den man permanent weiterentwickeln sollte. Das Mühsame und Qualvolle besteht dann darin, die Beziehung so zu gestalten, dass sie auch tatsächlich Vorteile bringt. Das heißt, es geht nicht mehr um die Technik – die hat man ja ausgelagert –, sondern darum, Verbesserungen auf der Geschäftsprozess-Ebene zu erreichen.“
Udo Haarhaus, Dynamit Nobel: Ziele müssen klar sein
„Man muss sich als Auftraggeber über seine Outsourcing-Ziele im Klaren sein. Der Anbieter will das Projekt natürlich unbedingt an Land ziehen. Der Anwender will in der Regel seine Kosten senken. Da herrscht auf beiden Seiten eine gewisse Gier. Aber wenn der Auftraggeber nicht exakt hinterfragt, wie und wo sein Provider die Einsparungen erzielen will, gehen die Partner leicht von unterschiedlichen Annahmen aus.“
Martin Limpert, Preh GmbH: Hoheit über Prozesswissen sichern
„Die wichtigste Motivation für unsere Outsourcing- Aktivitäten war die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen. Hohe Anforderungen etwa an die 7x24- Stunden-Verfügbarkeit der SAP-Systeme können wir intern nicht gewährleisten. Damit wir den reibungslosen IT-Betrieb für unsere Fachabteilungen sicherstellen können, haben wir die Hoheit über das Prozesswissen und das SAP-Wissen im Hause behalten.“

Sichtbares Zeichen der Probleme ist das enorme Konsolidierungstempo, das auch die Großen der Branche erfasst: Hewlett-Packard schluckt EDS, Dell übernimmt Perot Systems und Xerox kauft ACS. Die Zeiten, in denen schnelles Marktwachstum nahezu jedem Service-Provider ein üppiges Auskommen bescherte, sind vorbei. Das Outsourcing steht bei Anwendern jedoch nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten auf dem Prüfstand, auch die Qualität bleibt oft hinter den Erwartungen zurück.

Die Nachteile: Abhängigkeit, teure Änderungen

Komplexität: In den vergangenen Jahren galt das selektive Outsourcing als idealer Weg zwischen der Komplettauslagerung und dem Eigenbetrieb. Die Idee dabei war, die IT in kleine, überschaubare Teile zu zerlegen und diese verschiedenen, spezialisierten Providern zu übergeben, um eine allzu enge Bindung an einen Full-Service-Provider zu vermeiden. Wohlweislich beschränkten sich die Aktivitäten oft auf Infrastrukturaufgaben und standardisierbare Services, die zumeist nicht sehr eng mit Applikationen des Kerngeschäfts verknüpft waren. Klare Schnittstellen und Standards sowie kurze Laufzeiten sollen das Abhängigkeitsverhältnis reduzieren und bei Bedarf einen schnellen Wechsel zu einem Konkurrenten ermöglichen. Die Integration der unterschiedlich ausgelagerten Dienste betreiben die Anwender im Haus. Die Schattenseiten dieses Modells offenbarte dann der Betrieb: "Die Unternehmen muten sich zu viel Komplexität zu", so Marcus Eul, Partner bei A.T. Kearney. "Teilweise ist ihnen die Aufgabe über den Kopf gewachsen. Sie haben sogar die Integration der ausgelagerten Dienste ausgelagert." Die Steuerung der Provider ist im selektiven Outsourcing extrem aufwendig.

Problematische Deals

Deutsche Post und HP: Die Partner hatten sich Anfang 2008 auf eine Auslagerung des Rechenzentrums mit einem geschätzten Volumen von drei Milliarden Euro geeinigt. Sechs Monate später beendete der Logistikkonzern die Liaison, nachdem er Risiken und Vorteile abgewogen hatte (siehe "Deutsche Post stoppt Auslagerung").

BMW und Arxes: Im April 2006 übertrug der Autokonzern dem Dienstleister die Betreuung von 36.000 IT-Arbeitsplätzen. Das war zu viel für den kleinen Provider. Es gelang ihm nicht, den Betrieb in die Gewinnzone zu führen.

Arcandor und EDS: Der mittlerweile insolvente Warenhauskonzern hatte 2007 die Anwendungsbetreuung und -entwicklung an EDS übergeben. Keine zwei Jahre später holte er die Aufgaben zurück. Die erhofften Einsparungen hatten sich nicht eingestellt (siehe Arcandor will IT ins eigene Haus zurückholen).

Starre Verträge: Als mahnendes Beispiel mag die Outsourcing-Strategie eines europäischen TK-Konzerns gelten. Der hatte vor Jahren den IT-Betrieb des Mobilfunknetzes, des Festnetzes und der ERP-Applikationen an unterschiedliche Provider vergeben. Die lang laufenden Abkommen des Carriers wurden vom Konvergenztrend eingeholt, sehr schnell mussten integrierte Anwendungen her. "Ein Desaster", blickt Eul zurück. "Die Outsourcing-Verträge waren nicht flexibel genug. Wenn sich das Geschäftsmodell ändert, müssen die Abkommen die Neuerungen abfangen können."

Aufwendige Vertragsgestaltung: Mit ihrer Unterschrift schaffen die Partner stabile Fakten, die kaum verträglich mit sich schnell wandelnden Geschäftsmodellen sind. "Es ist unglaublich schwer, Verträge zu gestalten", berichtet Andreas Resch aus seinem Erfahrungsschatz als ehemaliger Chef von Bayer Business Services (BBS). Heute betreut er als Managing Partner des Beratungshauses Modalis den insolventen Warenhauskonzern Arcandor und hat Einblick in Outsourcing-Verträge. Auch hier zeigt sich: "In einem Geschäftsfeld, das sich durch Akquisitionen, Veräußerungen, neue Produkte und Strategien stetig ändert, sind Outsourcing-Abkommen schnell hinfällig." In einer Situation, in der Unternehmen zügig handeln müssten, hätten sie kaum Verhandlungsspielraum gegenüber den Dienstleistern.

Teure Änderungen: Ursache vieler Übel in den Outsourcing-Projekten ist die Fixierung auf den Preis, der zu Beginn der Partnerschaft festgelegt wurde. Nicht nur in der vergangenen Wirtschaftskrise war die Schnäppchen-Jagd ein beliebter Sport unter deutschen CIOs. Verhandelt wurde, bis der Provider in die Knie gezwungen war. Das ist ein denkbar schlechter Start für eine jahrelange Partnerschaft, eine nachhaltige Geschäftsbeziehung ist damit kaum möglich. Die Reaktion der Provider ist absehbar. Bereiten ihnen die knappen Honorare dauerhaft Probleme, werden sie aus dem Vertrag aussteigen. Das ist aber selten. Üblicherweise sparen die Provider an der Qualität, so dass sie gerade noch das vereinbarte Niveau halten. Oder sie lassen sich jede im Vertrag nicht eindeutig definierte Änderung fürstlich entlohnen. Manchmal verfolgen sie auch beide Wege. Dann drohen unzufriedene Anwender und hohe, nicht einkalkulierte Kosten.

Übertragungskosten: Problemlos verläuft ein Deal selten. Vor allem in Vorhaben, in denen Mitarbeiter zum neuen Outsourcer wechseln sollen, ist Unruhe programmiert. Die betroffenen Kollegen müssen laut Gesetz sehr früh informiert werden. Während des Projekts, das oft mehrere Monate dauert, ist die IT mit sich selbst beschäftigt. Die Anwender in den Fachbereichen müssen sich mit Störungen im Ablauf abfinden.

IT-Ausrichtung: "Die wahrgenommene Qualität ist oft nicht befriedigend", weiß Hartmut Jaeger, Berater bei PA Consulting. "Viele Anwender sind der Meinung, der Übergang habe sich nicht gelohnt. Die Unternehmen vergessen bei der Planung, dass ein Outsourcing-Projekt nicht mit dem Übergang endet." Probleme, die sich im laufenden Betrieb einstellen, haben ihre Ursache oft in dem vom Management verfolgten Top-down-Ansatz. Die IT-Dienstleister definieren die Services, die sie dem Kunden bereitstellen. Doch das sind nicht immer die Dienste, die dieser will oder benötigt.

Die Vorteile: Transparenz, Innovationen

Klare Abläufe: Outsourcing ist ein herber Einschnitt in die Organisation. Zum Teil wählen die Unternehmen diese Zäsur bewusst, um etwas zu verändern, etwa weil sie unzufrieden mit Preis und Qualität der internen IT sind. Gut vorbereitete Auslagerungs-Deals sind erfolgversprechend, wenn Ziele klar definiert und nicht ausschließlich auf Kostenreduzierung ausgerichtet sind. Zudem muss das auslagernde Unternehmen Veränderungen in den Abläufen und Services akzeptieren. Das gilt im Übrigen vor allem für die Anwender in den Fachbereichen, die sich an neue Ansprechpartner und formalisierte Supportanfragen gewöhnen müssen. Das klappt oft nicht.

Anwender kennen ihre Sourcing-Kosten nicht
Sparen im Blindflug
Unternehmen lagern aus, um zu sparen, scheuen aber die notwendigen Veränderungen. Das Outsourcing soll kurzfristig Kosten senken, doch einer Erhebung des Beratungshauses PA Consulting Group zufolge geht bei vielen Unternehmen die Rechnung nicht auf.<br/><br/> Auf den folgenden Seiten finden Sie die Ergebnisse der Umfrage.
Interne Kosten
Die Kosten für den externen Bezug sind in der Regeln vertraglich geregelt. Die weiterhin anfallenden internen Kosten kennen viele Unternehmen jedoch nicht.
Reaktion auf die Krise
In Krisenzeiten wollen Unternehmen mehr auslagern. Zudem planen sie, ihre laufenden Verträge neu zu verhandeln.
Trend zum Multi-Sourcing
Das Multi-Sourcing bleibt die Einkaufsstrategie der Wahl für die meisten Unternehmen.
Risiken des Multi-Sourcing
Die Schattenseite des Multi-Sourcing ist die aufwendige Provider-Steuerung. Im Management und in der Integration der externen Dienstleister sehen die Formen die größte Herausforderung.
Kosten Retained Organisation
Wie hoch sind die Kosten der internen Organisation bezogen auf die Kosten des Outsourcing? Die meisten Unternehmen wussten darauf keine Antwort.
Innovationsschwerpunkt Technik
Die Provider führen in der Regel technische Neuerungen ein und verbessern die Qualität der Service-Levels. Direkte und positive Auswirkungen auf das Kerngeschäft haben die Innovationen selten.
Neuverhandlungen angestrebt
Die Anwender streben Kosteneinsparungen an, indem sie den Wettbewerb eröffnen. Selbst wenn sie laufende Outsourcing-Verträge haben, verhandeln sie nicht exklusiv mit dem aktuellen Provider.

Innovationen: Ein erheblicher Vorteil des Outsourcings ist der Zugriff auf Kompetenz und Know-how. Ein gutes Beispiel liefert die Deutsche Telekom, die den Aufbau und Betrieb eines konvergenten CRM-Systems IBM übergeben hat, weil das interne Fachwissen dafür nicht ausreichte. Moderne IT ist das Kerngeschäft der IT-Dienstleister. Idealerweise geben sie ihre Innovationen an die Outsourcing-Kunden weiter. Die Anwenderunternehmen konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft.

Skalierbarkeit: Unbestritten haben Service-Provider bessere Möglichkeiten, die Leistungen zu skalieren. Auch kurzfristige Volumensteigerungen sind in der Regel unproblematisch, allerdings reduzieren die Provider die Abnahme ungern. Sie können ihre Kapazität erhöhen oder verringern, wenn der Einsatz von Fachkräften erforderlich ist. Der schnelle Auf- und Abbau von Arbeitskräften ist mit fest angestellten Mitarbeitern in IT-Abteilungen kaum möglich. Die Provider verfügen hingegen über einen großen Stamm an IT-Experten. "Das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter ändert sich etwa im Drei-Jahres-Rhythmus. Der Dienstleister hat die dafür erforderlichen Kapazitäten und Kompetenzen", schildert Jaeger. Weil die Outsourcer zudem häufig Bedarf an Freelancern haben, sind sie besser verdrahtet und können schneller freie Spezialisten akquirieren.

Offshoring: In den vergangenen Jahren haben die großen Outsourcer zudem intensiv in ihre weltweiten Serviceorganisationen investiert. Selbst kleinere Provider unterhalten Niederlassungen in Niedriglohnländern, so dass Anwender von den günstigen Kostenstrukturen profitieren. Der Erfahrungsschatz von mittlerweile mehreren Jahren und das strenge Qualitäts-Management gewähren vielerorts einen nahtlosen Servicebetrieb.

Kostentransparenz: Ein besonders wichtiges Argument für viele Anwender ist die Kalkulierbarkeit. Ein Outsourcing-Abkommen schafft für beide Seiten klare Verhältnisse. Die Partner wissen für die Dauer der Laufzeit, welche monatlichen Kosten beziehungsweise Einnahmen anfallen. Im Idealfall, wenn alles seinen geordneten Gang geht, drohen keine bösen Überraschungen.

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