Entsorgung von Alt-IT wird teuer

03.08.2005 von Heide Witte
Ab Mitte August dieses Jahres müssen die Hersteller von IT-Geräten altes Equipment zurücknehmen. Auf die Anbieter kommt ein bürokratischer und finanzieller Kraftakt zu.

Hier lesen Sie…

  • was auf Hardwarehersteller und Nutzer mit der gesetzlich verordneten Rücknahmepflicht von Altgeräten zukommt;

  • welche Rolle die Stiftung Elektro-Altgeräte-Register dabei spielt;

  • warum Sony seit anderthalb Jahren alle Produkte wiegt;

  • weshalb einfachere Systeme denkbar gewesen wären.

Die PC-Herstellung ist ein ressourcenfressendes Geschäft: Laut der Umweltstiftung WWF sind 1,3 Kilogramm fossile Brennstoffe nötig, um einen zwei Gramm schweren Speicherchip herzustellen. Die Produktion eines kompletten PC mit Monitor verschlingt durchschnittlich 240 Kilogramm fossile Brennstoffe zur Energiegewinnung, 22 Kilo Chemikalien und 1,5 Tonnen Wasser. Damit verbraucht ein 24 Kilogramm schwerer PC Ressourcen mit dem Gewicht eines Geländewagens. Ist ein Computerleben dann nach rund vier Jahren zu Ende, bleibt ein Haufen Schrott: In Deutschland fallen jährlich schätzungsweise 110 000 Tonnen IT -Müll an.

Der illegalen Entsorgung von Elektronikgeräten in Billiglohnländern soll ein Ende bereitet werden. (Foto: Basel Action Network)

Den wachsenden Bergen an teils hochgiftigen Altgeräten hofft der Gesetzgeber mit dem "Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG)" entgegenzusteuern. Es wurde im März dieses Jahres verkündet und setzt zwei EU-Richtlinien um: Eine verbietet die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektronikgeräten, die andere nimmt die Hersteller bezüglich der Entsorgung der Altgeräte in die Pflicht. Das ElektroG tritt zum 13. August 2005 in Kraft. Eine besondere Übergangsregelung bestimmt allerdings, dass die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten aus diesem Gesetz bis zum 23. März 2006 ausgesetzt ist.

Sicher ist aber, dass die Hersteller verpflichtet sind, ausgediente Haushaltsgeräte, Computer oder Handys, die ab Mitte August in Verkehr gebracht werden, zurückzunehmen und zu entsorgen. Verbraucher dürfen den elektronischen Sperrmüll nicht mehr in die Restmülltonne werfen, sondern müssen ihn bei kommunalen Sammelstellen abgeben - allerdings ohne dafür zu zahlen. Weitere Schritte wie Behandlung, Verwertung, Recycling und umweltfreundliche Beseitigung übernimmt der Produzent. Ab dem 1. Juli 2006 dürfen außerdem nahezu keine Geräte mehr auf den Markt kommen, die bestimmte Schwermetalle oder bromierte Flammschutzmittel enthalten.

Die neuen Gesetze gelten sowohl für privat als auch geschäftlich genutzte Geräte. Allerdings ist es Herstellern erlaubt, die Entsorgungsverantwortung im B-to-B-Bereich per Vertrag auf den Nutzer zu verlagern. Damit sind Abweichungen von der grundsätzlichen Pflicht des jeweiligen Herstellers möglich, Elektroaltgeräte auf eigene Kosten zurückzunehmen und zu entsorgen.

Hersteller fürchten erhebliche Mehrkosten

Dieses Symbol wird Elektronikgeräte ab dem 13. August 2005 zieren. Die Entsorgung mit dem Restmüll ist nicht mehr gestattet.

Die Computerbranche sieht erhebliche Mehrkosten auf sich zukommen. Fujitsu-Siemens Computers (FSC) rechnet beispielsweise mit zusätzlichen Belastungen von neun Millionen Euro je Geschäftsjahr. Dabei betreibt das Joint Venture mit Sitz in München bereits seit über 15 Jahren ein eigenes Recycling-Center. Rund 30 Spezialisten für Demontage kümmern sich um Recycling und Wiederverwertung der Altgeräte von Geschäftskunden. Im Rahmen von Neuabschlüssen werden auch Altgeräte anderer Hersteller zurückgenommen.

Während der größte deutsche PC-Anbieter hier also vorgebaut hat, muss er doch investieren, wo es um die Verwendung umweltfreundlicher Computerteile geht. Für die Umstellung auf bleifreies Löten investiert FSC eigenen Angaben zufolge in jede Mainboard-Produktionslinie etwa 500.000 bis 600.000 Euro. Inzwischen haben die "grünen Mainboards" einen Anteil von 40 Prozent an der gesamten Produktion erreicht, Tendenz laut Unternehmensangaben steigend: Bis zum Jahresende 2005 sollen alle Professional PCs "grün" sein. Zum Ende des Frühjahrs 2006 soll auch ein Großteil aller Consumer-Produkte vollständig auf die Anforderungen der neuen EU-Richtlinien umgestellt sein.

Doch nicht nur Neu- und Weiterentwicklungen kosten Geld. Die gesamte Branche muss außerdem auf die Waage, um den Anforderungen der Stiftung EAR (Elektro-Altgeräte-Register) gerecht zu werden. Diese "Gemeinsame Stelle" wurde vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) und vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) gegründet. Sie koordiniert das Aufstellen und Abholen der Sammelbehälter durch die Hersteller, die diese den Gemeinden zur Verfügung stellen müssen.

Damit die Menge an Altgeräten, die ein Hersteller abholen und entsorgen muss, seiner Rolle als Verursacher entspricht, wird bei der EAR erfasst, wie viele Elektrogeräte er jährlich in Verkehr bringt, wie groß sein Anteil an den insgesamt auf den Markt gebrachten Geräten ist und - wenn ein Hersteller dies belegt - wie viele der gesammelten Altgeräte von ihm produziert wurden. Auf dieser Grundlage wird berechnet, welcher Hersteller wann und bei welcher kommunalen Sammelstelle für das Abholen und Entsorgen alter Geräte verpflichtet ist. Das EAR ordnet dann die weiteren Schritte an.

Wiegen und Rechnen wird zur Pflicht

Die Hersteller müssen Vorarbeiten leisten. Sony beispielsweise hat in den vergangenen anderthalb Jahren Tausende seiner Produkte gewogen. Inzwischen können die Ingenieure auf ein Regelbuch zum Wiegen aller Geräte zurückgreifen. Zudem wurde die eingesetzte SAP-Software um vier Datenfelder erweitert: Produktgewicht, Gewicht des elektronischen Zubehörs, Gewicht des nichtelektronischen Zubehörs und Gewicht der Batterien. Für diese Aufgaben beschäftigen die Japaner 25 Mitarbeiter, die in Asien und Europa 250 Stunden pro Monat mit der Umsetzung des Gewichtsprojekts befasst sind.

Noch bis zum 24. November 2005 läuft die Frist zur Anmeldung bei der EAR. "Wer bis dahin nicht registriert ist, kann in Deutschland keine Elektro- und Elektronikgeräte mehr verkaufen", sagte Peter Cossé, stellvertretender Vorsitzender der ZVEI/Bitkom-Taskforce Elektro- und Elektronik-Altgeräte, auf einer Informationsveranstaltung des ZVEI. Die Registrierungspflicht betrifft auch die Hersteller von gewerblich genutzten Geräten. Lediglich reine B-to-B-Geräte, beispielsweise Großplotter, die nur gewerblich eingesetzt werden können, fallen nicht unter die neue Regelung.

Bei der EAR muss jeder Hersteller beziehungsweise Importeur die sichere Finanzierung der Entsorgung in Form einer insolvenzsicheren Garantie (gesperrtes Bankkonto, Versicherung oder revolvierende Bürgschaft) nachweisen. So gewährleistet er, dass er der Rücknahmepflicht auch nachkommen kann. Diese Garantie ist wiederum nicht erforderlich, wenn der Hersteller glaubhaft macht, dass die Geräte nicht in privaten Haushalten genutzt werden. Handelt es sich um gewerbliche Nutzer, hat der Hersteller Spielraum für abweichende Vereinbarungen.

Garantie und Registrierungspflicht sollen verhindern, dass Hersteller ihre Produkte auf den Markt bringen, ohne ihrer Entsorgungspflicht nachzukommen. Auch für die Rücknahme solcher Geräte, deren Hersteller nicht mehr auf dem Markt sind, gibt es eine Regelung: Für Geräte, die vor dem 13. August 2005 in den Verkehr gebracht wurden, sind alle am Markt befindlichen Hersteller, entsprechend ihren jeweiligen Marktanteilen an den einzelnen Gerätearten, für die Entsorgung verantwortlich - also auch für Geräte von bereits ausgeschiedenen Anbietern.

Beim Abholen und Entsorgen bleibt es den Herstellern überlassen, ob sie diese Aufgabe selbst übernehmen oder Entsorgungsunternehmen beauftragen. In beiden Fällen können sich mehrere Hersteller zusammenschließen. Solche Kollektive gibt es bereits bei den Hausgeräteherstellern: Einem von Miele und anderen gegründeten Konsortium gehören inzwischen 20 Hersteller an.

Für die Sammlung der Altgeräte bleiben weiter je nach Landesrecht die Gemeinden, Städte und Landkreise verantwortlich. Hier kann auch der Handel aus privaten Haushalten freiwillig zurückgenommene Altgeräte abgeben - ebenso wie kleingewerbliche Nutzer. Um die weitere Verwertung zu erleichtern, müssen IT-Container von den Herstellern zur Verfügung gestellt werden. Diese müssen so beschaffen sein, dass beispielsweise Monitore separat und bruchsicher deponiert werden können.

Ist der Container voll, ruft das EAR zum Rapport

Sind die Behältnisse mit festgelegten Mindestmengen befüllt, so informiert die Gemeinde das EAR, erklärt Otmar Frey, Leiter der Abteilung Umweltschutzpolitik beim ZVEI, das Prozedere. Nachdem dort ermittelt wurde, welcher Hersteller für die Abholung zuständig ist, erhält dieser von der EAR die Anordnung, den vollen Behälter unverzüglich gegen einen leeren auszutauschen.

Die Kosten der künftigen Rücknahmesysteme betragen für die gesamte Industrie voraussichtlich zwischen 350 und 500 Millionen Euro jährlich, meint Frey. Die Hersteller könnten diese Kosten auf ihre Produktpreise umlegen. "Bei kontinuierlich fallenden PC-Preisen ist damit jedoch nicht zu rechnen. Unsere PC-Preise werden jedenfalls nicht steigen", erklärt eine Siemens-Sprecherin.

Die Fristen

13. August 2005: Das ElektroG tritt in Kraft.
24. November 2005: Jeder Hersteller/Importeur muss beim EAR registriert sein.
24. März 2006: Neugeräte und Geschäftspapiere müssen den Kennzeichnungspflichten des ElektroG entsprechen. "Altgeräte", die nach dem 13. August 2005 in den Verkehr gebracht wurden, dürfen von privaten Haushalten bei den öffentlich-rechtlichen Sammelstellen zurückgegeben werden.
1. Juli 2006: Grenzwerte für bestimmte Schadstoffe in Neugeräten sind einzuhalten (Inkrafttreten der RoHS-Richtlinie) 31. Dezember 2006. Hersteller/Erstimporteur und Vertreiber müssen die Verwertungsquoten nachweisen und dem EAR regelmäßig mitteilen. (Quelle: http://www.recht-und-vertrag.de)

Die Entsorgung alter IT-Geräte bringt also eine Menge Aufwand und Bürokratie mit sich. Nicht alle finden das gut: "Die Umsetzung der Entsorgung ist viel zu kompliziert und führt zu unnötigen Kosten für alle Beteiligten. Außerdem birgt sie die Gefahr der Zerschlagung kleinräumiger Verwertungsstrukturen", kritisiert Peter Queitsch, Hauptreferent für Umweltrecht im Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen. Schon vor Jahren hätten die kommunalen Spitzenverbände vorgeschlagen, auf den bestehenden Erfassungs- und Verwertungssystemen in den Kommunen aufzusetzen. In diesem Fall hätten die Anbieter an die Kommunen beispielsweise Gebühren pro Einwohner und Jahr entrichten können. Im Gegenzug wären die Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger für das Erfassen und Verwerten der Altgeräte aufgekommen. "Leider ist diese auf der Hand liegende einfache Umsetzung nicht erfolgt", so Queitsch.

Umstritten unter Juristen sind noch weitere Punkte. Beispielsweise ist nicht klar, ob sich in Konzernen die Europa-Gesellschaft des jeweiligen Herstellers oder der nationale Vertriebspartner beim EAR registrieren lassen muss. Außerdem gibt es keine einheitliche Regelung in den 25 EU-Mitgliedstaaten darüber, welche Artikel unter das Gesetz fallen: Nachrüstbauteile wie Festplatten oder Hauptplatinen ohne eigenständige Funktion müssen laut deutschem Gesetzgeber angemeldet werden - in Österreich dagegen sind sie nicht registrierungspflichtig. (hv)