Fachkräftemangel

Employer Branding muss Chefsache sein

15.04.2008
Obwohl der Mittelstand der Job-Motor der Wirtschaft ist, zieht er im Recruiting von Fach- und Führungskräften gegenüber Großkonzernen den Kürzeren. Der Grund: Viele Mittelständler versäumen es, sich als attraktiver Arbeitgeber, als Marke zu positionieren. Ein Fehler, der Wachstum kostet.

Die Konjunktur läuft weiter gut und nahezu alle Branchen suchen qualifizierte Fach- und Führungskräfte. Dabei ähnelt das Suchverhalten von qualifizierten Bewerbern, die zum Unternehmen passen, immer mehr dem Verhalten von Konsumenten bei der Entscheidung für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Talente entscheiden sich für die wahrgenommene Qualität eines Arbeitgebers, eine faktische Überprüfung des Angebots erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Klein-Bölting: Mittelständler müssen mit ihren Vorzügen werben.
Foto: Klein-Bölting Udo

Da die Nachfrage das tatsächliche Angebot deutlich übersteigt, wird Employer Branding (Arbeitgeberattraktivität) zu einem der wichtigsten Stellhebel der Unternehmensführung und das gesamte Personalmarketing nachhaltig verändern. "Um ihre Wachstumsziele realisieren zu können, stehen Arbeitgeber heute im scharfen Wettbewerb um die besten Talente im Markt. Insbesondere Mittelständler müssen mit ihren Vorzügen werben und in eine trennscharfe Positionierung und zielgruppengerechte Kommunikation investieren", warnt Udo Klein-Bölting, CEO von BBDO Consulting, davor, die Entwicklung eines Arbeitgeberprofils zu unterschätzen.

Die Marke "Arbeitgeber" zählt immer mehr

Gefordert ist ein systematisches Employer Relationship- Management, analog zum Customer Relationship-Management. Um die besten Köpfe für sich zu gewinnen, müssen sich Unternehmen als starke Arbeitgebermarke positionieren. Doch insbesondere Mittelständler haben hier Nachholbedarf. Dies ist das Kernergebnis einer Studie der Unternehmensberatung BBDO Consulting. Die Untersuchung erfolgte unter Führungskräften in 65 mittelständischen Unternehmen.

Fachkräftemangel bremst Wachstum

Vor allem führende Mittelständler, die innerhalb ihrer Branche äußerst erfolgreich sind, aber von der Öffentlichkeit kaum beachtet werden, verschenken häufig die Chance, sich gegenüber renommierten Großunternehmen durch ein exponiertes Arbeitgeberprofil und gezielte Hochschulmarketing-Aktivitäten durchzusetzen. Obwohl mehr als ein Drittel der Befragten aufgrund des aktuellen Fach- und Führungskräftemangels eine Wachstumsbremse für das eigene Unternehmen befürchtet, wird die Mehrheit in diesem Jahr weder das Budget noch die personellen Ressourcen für Personal-Marketingaktivitäten erhöhen.

Von den befragten Entscheidern in führenden mittelständischen Unternehmen gaben 37 Prozent an, bereits im gegenwärtigen Fach- und Führungskräftemangel eine Einschränkung im Wachstum für das eigene Unternehmen zu sehen. Darüber hinaus prognostizieren 64 Prozent zukünftige Schwierigkeiten bei der Gewinnung von qualifiziertem Nachwuchs. Als Ursachen des drohenden Personalmangels werden starker Wettbewerb um bestimmte Berufsgruppen wie Ingenieure und Informatiker, geringe Absolventenzahlen in stark nachgefragten Fächern wie Elektro- und Informationstechnik sowie die attraktivere Vergütung anderer Arbeitgeber genannt.

Interne Personalentwicklung dient als Notnagel

Um die drohenden Personalengpässe zu bewältigen, nennen die Befragten die interne Personalentwicklung und -bindung als strategisches Instrument. Die Konzeption einer Arbeitgeberpositionierung steht dabei weniger stark im Fokus. Dies zeigt sich auch darin, dass 81 Prozent der befragten Unternehmen noch keine klare Employer-Branding-Strategie verfolgen, sich diese aber immerhin in 66 Prozent der Fälle in der Entwicklung befindet.

Darüber hinaus stufen die meisten Befragten ihr Wissen hinsichtlich der Bedürfnisse der Zielgruppen als unzureichend ein. 58 Prozent der Befragten geben an, dass die Hauptverantwortung für Employer Branding in ihrem Unternehmen bei der Personalabteilung liege. Beim Recruiting setzen die befragten Unternehmen primär auf Mitarbeiterempfehlungen und Kontakte zu Lehrstühlen.

Budgets für Arbeitgeber-Marketing stagnieren

Trotz des Bewusstseins über die Brisanz des Wettbewerbs um die besten Talente planen 66 Prozent der Unternehmen im Mittelstand keine Budgetaufstockung für Employer-Branding-Aktivitäten gegenüber dem Vorjahr. Auch die personellen Ressourcen für diesen Bereich werden in 63 Prozent der Fälle nicht erhöht.

Die Ergebnisse zeigen, dass es vielen Mittelständlern nicht gelingt, ihre Stärken im Rahmen einer übergreifenden Employer-Branding-Strategie herauszuarbeiten und zielgruppengerecht zu kommunizieren. Häufig müssen die Personalverantwortlichen zusätzlich zu ihren üblichen Aufgaben ein Arbeitgeberprofil entwickeln. Dabei werden Arbeitnehmer immer anspruchsvoller, Unternehmen müssen darauf reagieren, indem sie versuchen, ihre zukünftigen Mitarbeiter auf allen relevanten Kommunikationskanälen zu erreichen, und ihnen auch individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten bieten.

Tipps für strategisches Employer Branding

  1. Ohne eine klare Profilierungsstrategie als Arbeitgeber verschenkt der Mittelstand seine Chancen im Wettbewerb um die besten Köpfe und bremst sein wirtschaftliches Wachstum bereits jetzt. An die Stelle kurzfristiger bedarfsorientierter Personalbeschaffung muss langfristiges Employer Branding und strategisches Personalmanagement treten. Nachhaltige Investitionen in differenzierte Kommunikationsstrategien, Employer-Branding-Maßnahmen und personelle Ressourcen sind ein Muss.

  2. Eine überlegene Arbeitgebermarke muss zielgruppenrelevant und unverwechselbar positioniert sein, Unternehmensbesonderheiten klar herausgestellt werden und im Einklang mit der Unternehmens- und Markenstrategie stehen.

  3. Employer Branding ist Chefsache und muss auf Führungsebene verankert sein.

  4. Erfolgreiches Employer Branding deckt die gesamte Wertschöpfungskette von Positionierung über Gewinnung bis hin zur Bindung ab. Ein ganzheitlicher Talent-Management-Ansatz, innovative Honorierungsmodelle für die besten Köpfe im Unternehmen und die Rückgewinnung ehemaliger Mitarbeiter im Rahmen von Alumni-Management sind gefragt.