Einstiegsgehälter: Schweizer und Deutsche vorn

15.03.2004 von Hans Königes
Licht am Ende des Tunnels: In Westeuropa können die meisten IT-Berufsanfänger nach einem Jahr der Stagnation wieder mit einem leichten Plus gegenüber dem mauen Vorjahr rechnen. Eine Ausnahme bilden die Schweizer und Österreicher. Das ergab die jüngste Gehaltsumfrage von Towers Perrin im Auftrag von YOUNG PROFESSIONAL.

Mittelständische Unternehmen können in der Vergütungspolitik mit den großen Firmen nicht mithalten. Dirk Buschmann, Eigentümer des auf Mobile Computing spezialisierten Kölner Unternehmens Knowledge Intelligence, macht aus seinem Frust keinen Hehl, wenn er sagt: "Die Kandidaten gehen für ein paar Euro und einige Urlaubstage mehr zu einem Konzern, ohne sich über die Aufgaben und die innovativen Produkte zu erkundigen und ohne den enormen Freiraum zu berücksichtigen, den ihnen ein Kleiner gewährt."

Mit dieser Einstellung begeben sich aber einige dieser Kandidaten auf den Holzweg. Denn in puncto Entlohnung wachsen die Bäume schon längst nicht mehr in den Himmel. Grundsätzlich gilt: Je mehr Kandidaten sich um eine Stelle bewerben, umso höher muss die Qualifikation sein, ohne dass es eine Garantie gibt, die Spitzengehälter der letzten drei Jahre zu erreichen. Vor allem Quereinsteiger müssen sich auf niedrigere Gehälter einstellen. Personaler sprechen in diesem Zusammenhang von einem Minus von zehn bis 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Key-Accounter sind Topverdiener

Die aktuelle Towers-Perrin-Studie hat die Einstiegsgehälter in den verschiedenen Unternehmensbereichen unter die Lupe genommen und auch einen europäischen Vergleich gezogen. Die gute Nachricht vorneweg: Die Einkommen der Jobeinsteiger in Deutschland wachsen beim Zielgehalt um acht Prozent und sind bei 46 000 Euro angekommen sowie beim Grundgehalt um fünf Prozent - macht am Ende des Jahres insgesamt 41 000 Euro.

Keine Überraschung dürfte sein, dass die Einsteiger im Key-Account-Management mit über 60 000 Euro Jahresgehalt am besten wegkommen - wobei einschränkend hinzuzufügen ist, dass sie mit mehr als 40 Prozent auch den höchsten variablen Einkommensanteil haben. Damit macht der Key-Accounter einen großen Gehaltssprung und verbessert sich um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

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Foto: Joachim Wendler

Die Vergütungsberater des Frankfurter Unternehmens weisen indes darauf hin, dass es sich in diesem Fall um so genannte Zieleinkommen handelt, was in der Praxis bedeuten kann, dass der Einzelne diesen Wert gar nicht erreicht. Die folgenden Zahlen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Grundgehalt, das in der Regel etwa zehn Prozent unter dem Zieleinkommen liegt. Towers-Perrin-Vergütungsprofi Dirk Ewert weist darauf hin, dass sich bei den Einsteigern der variable Anteil bei weitem nicht so stark im Gehalt niederschlägt als dies bei den Profis der Fall ist. Dieser Hinweis ist aus einem Grund sehr wichtig: Zwar geht der Trend eindeutig in Richtung variabler Vergütung, doch das macht sich bei Einsteigern weniger bemerkbar.

Gut im Rennen liegen die Juristen sowie die Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung mit 43000 Euro Grundgehalt (46 000 Euro Zielgehalt). In die Spitzengruppe mit 42 000 Euro Jahreseinkommen Grundgehalt (plus elf Prozent gegenüber dem Vorjahr) vorgedrungen sind dieses Jahr die Marketiers. Damit liegen sie gleichauf mit den IT-Consultants, die nur ein kleines Plus von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen, und dem technischen Kundendienst. Die Techniker machen einen Sprung von acht Prozent gegenüber 2003.

Druck aus Osteuropa

Und nun die schlechte Nachricht: Kleinere Brötchen müssen die Mitarbeiter aus den Bereichen Neue Medien, IT-Training und Vertrieb backen - deren Grundgehalt beträgt 37 000 Euro. Kleiner Trost für die Verkäufer: Wenn sie sich anstrengen, können sie ein um 35 Prozent höheres Zielgehalt erreichen, also mit rund 50 000 Euro nach Hause gehen. Sie liegen damit aber immer noch deutlich unter dem Salär der Key-Account-Manager, was Ewert mit der anspruchsvolleren Tätigkeit und der besseren Ausbildung der Schlüsselkundenbetreuer begründet.

Auch für die Dozenten sowie die Multimedia- und Internet-Experten sieht es nicht gar so düster aus: Trotz des geringeren Grundgehalts sind sie laut Towers-Perrin-Untersuchung die eigentlichen Sieger im diesjährigen Gehaltspoker, weil ihr Gehalt für die Zukunft ein Wachstum von rund 20 Prozent verspricht. Für Ewert ist dieses Ergebnis keine Überraschung - trotz der großen Zurückhaltung der Firmen beim Einkauf von Trainings- und Internet-Dienstleistungen.

Die Gehaltsspanne zwischen Beratern und Entwicklern einerseits sowie IT-Lehrern und Multimedia-Fachleuten andererseits war in den vergangenen Jahren besonders groß und machte bis zu 50 Prozent aus. "In der Branche hat ein starker Auslese- und Professionalisierungsprozess stattgefunden, der auch das Gehaltsgefüge beeinflusst", weiß der Gehaltsexperte. Studienabbrecher, die sich am Arbeitsplatz oder zu Hause ihr Wissen beigebracht hatten und als Quereinsteiger in gut bezahlte Jobs hineinrutschten, mussten zum Teil die Firmen wieder verlassen und tun sich heute schwer, ohne fundierte Kenntnisse unterzukommen.

Mit diesen Gehältern liegt Deutschland in Europa neben der Schweiz in der absoluten Spitzengruppe. Ewert begründet die allgemein gute Bezahlung auch damit, dass sich der Begriff des Berufseinsteigers verändert hat. Früher war die Arbeitsmarktlage besser, jeder Absolvent fand unmittelbar nach Abschluss seines Studiums einen Job und zog aus diesem Grund auch seine Ausbildung schnell durch. Heute jedoch, so die Erfahrungen des Towers-Perrin-Manns, zögerten die jungen Leute wegen der schwierigeren Situation am Arbeitsmarkt ihr Studium hinaus: "Die Absolventen promovieren, gehen ins Ausland oder verbessern durch Praktika und zusätzliche Werkstudentenzeiten ihre Qualifikationen, damit sie später höher einsteigen können."

Die Frankfurter Vergütungsberatung hat zum Vergleich die Einstiegssaläre aus den Ländern Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien, Holland, England und Spanien hinzugezogen. Es fällt auf, das selbst innerhalb Westeuropas die Unterschiede sehr groß sind; Spannen von bis zu 50 Prozent sind keine Seltenheit. Dabei ist Osteuropa in dieser Statistik noch gar nicht erwähnt, beeinflusst aber laut Ewert bereits jetzt die europäische Gehaltsentwicklung. Nur so lasse sich beispielsweise das Minus von sechs Prozent der Österreicher gegenüber dem Vorjahr erklären. Ewert spricht in diesem Zusammenhang vom "Tschechien-Syndrom": "Gut qualifizierte tschechische Ingenieure und Informatiker finden schon heute immer wieder einen guten Job in Wien und sorgen so für zusätzlichen Gehaltsdruck, da sie in der Regel

billiger sind als ihre österreichischen Kollegen. Und spätestens nach der EU-Öffnung wird sich dieser Druck erhöhen."

Rückgang in der Schweiz

Europas Top-Verdiener bleiben die Schweizer, die im Durchschnitt ein Grundgehalt von 47 000 Euro (Zielgehalt 54 000 Euro) erhalten. Das bedeutet aber gleichzeitig einen Rückgang von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr - auch das ein Spitzenwert. Hier spielt für Ewert weniger der Osteuropa-Effekt eine Rolle, sondern eher die Internationalisierung des Geschäfts und die engere Zusammenarbeit mit der EU. Die Schweizer Firmen erhöhen den Druck auf ihre Bewerber, indem sie zunehmend Kandidaten aus den Nachbarländern einstellen, in denen die Gehälter - wie in Italien - deutlich unter dem Schweizer Niveau liegen.

An zweiter Stelle liegen die Deutschen mit den bereits genannten 41 000 Euro. Im Mittelfeld sind die Österreicher, Holländer und Engländer mit 32 000 Euro Grundgehalt (36 000 Zielgehalt) anzutreffen sowie Frankreich mit 31 000 Euro Grundgehalt (35 000 Zielgehalt). Zur Schlussgruppe zählen die Spanier mit 24 000 Euro Grundgehalt (28 000 Euro Zielgehalt) und die Italiener mit 23 000 Euro Grundgehalt (26 000 Euro Zielgehalt). Für Ewert hängt dieses eher durchwachsene Abschneiden der Südländer auch damit zusammen, dass sich in diesen Ländern keine nennenswerte IT- und TK-Industrie mit großen europa- oder sogar weltweiten Playern entwickelt hat.

In Österreich liegt die Bandbreite der durchschnittlichen Gehälter zwischen 28 000 Euro Grundgehalt (28 000 Euro Zielgehalt) bei Forschern und Entwicklern und 35 000 beziehungsweise 36 000 Euro bei Mitarbeitern aus der Rechtsabteilung und dem Key-Account-Management. In Italien und Spanien bewegen sich die Einkommen zwischen 21 000 bis 22 000 Euro für IT-Dozenten oder Multimedia-Experten und bis zu 28 000 Euro Grundgehalt (Zielgehalt 35 000 bis 39 000 Euro) für das Key-Account-Management. Die Franzosen honorieren am stärksten die Entwickler und Berater (33 000 Euro Grundgehalt) und am schlechtesten die Neue-Medien-Profis mit 26 000 Euro. In England sind die Marketing-Fachleute (34 000 Euro) und Key-Accounter (36 000 Euro) die Könige, während die Dozenten mit 26 000 Euro das Schlusslicht bilden. Holland stellt eine Ausnahme dar: Dort führen die Juristen die Gehaltsliste der Einsteiger in die IT-Industrie mit 35 000 Euro an.