Beratergeschichten

Einmal Bielefeld - Johannesburg und zurück

05.06.2010
Steine pflastern ihren Weg. Aber weder die Standortauflösung ihres Bielefelder Ausbildungsbetriebs noch die Insolvenz ihres Arbeitgebers in Südafrika bringen IT-Beraterin Elke Schaper davon ab.

Den ersten Kontakt mit einem Rechner hat Elke Schaper als Kindergartenkind in der Firma ihrer Mutter. Für sie eine geheimnisvolle Welt, in der es viel zu entdecken gibt. Die Servermaschinen beispielsweise, die ganze Räume ausfüllen. Oder diese lustigen Lochkarten. Wozu die wohl gut sind? Schaper versteht nur: Von nun an werden Computer immer ein Teil ihres Lebens sein. Ihre große Leidenschaft vielleicht...

Elke Schaper ist Bielefeld schnell zu klein geworden. Sie versuchte ihr Glück in Südafrika.
Foto: Itelligence, E. Schaper

Sie beginnt eine kaufmännische Lehre für Datenverarbeitung. Die Voraussetzungen dafür hat sie nicht: Ihr fehlt das Abitur, doch das ist ihr egal. Ihr Arbeitgeber ist beeindruckt von ihrer Courage - "Das hole ich auf" - und gibt ihr eine Chance. Schnell merkt sie, dass drei Jahre fehlendes Mathewissen nicht so einfach auszugleichen sind. "Das war eine schlimme Zeit, manchmal habe ich sogar ans Aufgeben gedacht." Doch sie beißt sich durch.

Der Vetter aus Dingsda

Dann der Schock: Die Firma zieht nach Köln um. Schaper geht nicht mit. Sie wechselt zu einer frisch gegründeten Unternehmensberatung, die ein "Mädchen für alles" sucht: Korrespondenz erledigen, telefonieren, die üblichen Sekretariatsaufgaben eben. Das Vorstellungsgespräch dauert nur eine halbe Stunde. Gleich am ersten Arbeitstag lernt sie Herbert Vogel und Wolfgang Schmidt kennen, die gerade ihre Firma S&P Consult (heute itelligence) gestartet haben. Ein folgenschweres Zusammentreffen, wie sich bald herausstellt: Nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung macht sie parallel zu ihrem neuen Job die Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung für S&P Consult - meistens abends und am Wochenende. Der Kontakt reißt in den kommenden Jahren nicht ab.

Auch nicht während ihres Trips ans andere Ende der Welt drei Jahre später. Bielefeld ist ihr zu klein geworden. Ihrem Chef schlägt sie vor, im Auftrag einer Partnerfirma nach Südafrika zu gehen, die dort eine Niederlassung hat. Der findet die Idee nicht schlecht und willigt ein. Es folgen drei Wochen SAP-Schulung beim Partnerunternehmen, dort ist man zunächst skeptisch. Doch Schaper ist fest entschlossen, das spüren die Kollegen. Im August 1993 ist es soweit: Sie packt ihre dreizehn Koffer für Übersee, gibt ihre Wohnung auf und macht sich auf den Weg; dorthin, wo ihr Onkel seit mehr als dreißig Jahren lebt. "Mich hat immer sein radikaler Schritt fasziniert." Das Land kennt sie bereits von Urlaubsreisen. Angetan ist sie von der multikulturellen Vielfalt und der Art, wie die Leute mit sich und Fremden umgehen. "Man wird schnell einbezogen in das alltägliche Leben, da gibt es keine lange Anlaufzeit oder gar kühle Distanz wie hier in Europa."

Noch mehr Beratergeschichten...

... finden sich in dem Buch "Helden für den Mittelstand", herausgegeben von Herbert Vogel und Dieter Schoon, itelligence AG, 176 Seiten, deutsch- englisch, Axel Dielmann-Verlag KG Frankfurt am Main, ISBN 978-3-86638-145-2.

"Sie haben das Land innerhalb von zehn Tagen zu verlassen!"

Ihr erstes Projekt führt sie nach Johannesburg. Dort rät man ihr, keinen Schmuck zu tragen. Zu hoch sei das Risiko, ausgeraubt zu werden. Überfallen wird Schaper nicht, dafür bekommt sie es mit den Behörden zu tun. Die verweigern ihr die notwendige Arbeitsgenehmigung. Innerhalb von zehn Tagen habe sie das Land zu verlassen, so die unmissverständliche Aufforderung. Sie geht zu ihrem Vorgesetzten. Drei Tage später hat sie die Papiere. "Da floss Schmiergeld", sagt die Globetrotterin.

Mit ihrem "mitteleuropäischen Perfektionismus" stieß IT-Beraterin Elke Schaper in Südafrika schnell an ihre Grenzen.
Foto: Itelligence, E. Schaper

Ungewohnt für Schaper ist die dortige Arbeitsweise. Bei einem Großprojekt, einer SAP-R/3-Einführung bei der staatlichen Post, stößt sie mit ihrem "mitteleuropäischen Perfektionismus" an Grenzen: Es geht ihr zu langsam voran, die Sorge, die vorgegebenen Deadlines nicht einhalten zu können, treibt sie um. Ihre Teamkollegen verstehen nicht die Unruhe der Deutschen, für sie alles business as usual. Nach dem Machtwechsel tritt eine Quotenregelung in Kraft. Danach sind von zehn Positionen sechs mit Schwarzen, drei mit Farbigen und eine mit Weißen zu besetzen. Eine verständliche Richtlinie angesichts der Historie des Landes. Doch in der Praxis nicht immer umzusetzen; vor allem dann nicht, wenn es an der nötigen Qualifikation mangelt. Nur langsam entsteht unter der schwarzen Bevölkerung eine gebildete Mittelschicht, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügt.

Zurück aus dem Urlaub: Ohne Geld und ohne Job

Schaper fühlt sich trotzdem wohl im Land der Regenbogennation. Die Projekte sind spannend und führen sie durchs Land. Doch eines Tages, zurück aus dem dreiwöchigen Heimaturlaub, versucht sie tagelang, ihren Chef zu erreichen. Nach einer Woche, als sie ihn endlich erwischt, weiß sie warum: Die Firma ist pleite - genauso wie Schaper. Ohne Geld, ohne Job und mit einem gerade neu gemieteten und eingerichteten Haus. Mit dem Mut der Verzweiflung aktiviert sie ihren Kontakt zu Ernst & Young CSI, der ihr eine Stelle angeboten hatte. Ob das Angebot noch stehe, will sie wissen. Einen Tag später hat sie einen neuen Arbeitgeber und ein neues Problem. Da Arbeitsgenehmigungen in Südafrika immer firmen- und aufgabenbezogen erteilt werden, muss sie sich um neue Papiere kümmern. Was diesmal richtig kompliziert wird. Denn nach dem Machtwechsel vergeben die Behörden eine Arbeitserlaubnis viel restriktiver. Schaper muss nachweisen, dass für ihre Position kein Einheimischer zur Verfügung steht. Die Stelle wird offiziell ausgeschrieben und so bewirbt sich Schaper auch ganz offiziell. Drei Monate wartet sie auf die Papiere. Immer mit der Angst, dass die Polizei plötzlich vor der Tür steht. Schwarzarbeit ist ein Ausweisungsgrund in Südafrika.

Nach einem Jahr bei Ernst & Young CSI ist Schluss für die Bielefelderin. Als sich die Berichte von Überfällen in ihrem Bekanntenkreis häufen, ist das Maß voll. Wieder packt sie ihre Koffer, diesmal für immer. Im Gepäck wertvolle Erfahrungen im Umgang mit einer anderen Kultur und die Erinnerung an viele amüsante Episoden.

Ostern verbringt sie im Büro

Zurück in Deutschland läuft sie gleich am zweiten Tag Herbert Vogel über den Weg. Schaper überlegt nicht lange und nimmt das Angebot, als Beraterin bei SVP einzusteigen, an. Die erste große Herausforderung lässt nicht lange auf sich warten. Bei einem Automobilzulieferer soll SAP in der Lohn- und Gehaltsabrechnung eingeführt werden. Ob sie nicht Teile der Programmierung übernehmen könne? Leicht wird es nicht für sie. Bei den Endanwendern gibt es starke Widerstände gegen das Projekt. Sie wollen den Wechsel zu SAP nicht. Hinzu kommen organisatorische Schwierigkeiten. Mehrfach muss der Produktivstart verschoben werden, weil Steuer- und SV-Daten fehlen oder im neuen System nicht richtig abgebildet sind. Die Bestimmungen beim Kunden sind kompliziert.

Überstunden sowie Einsätze an Feiertagen und Wochenenden sind keine Seltenheit, selbst Ostern sitzt sie im Büro. Sie schafft es, die Endanwender von der Notwendigkeit des Wechsels zu überzeugen, sie gar mitzureißen. "Man muss die Leute dazu bringen, sich auch mal fallenzulassen und entspannt an die Sache ranzugehen." Die Auslandserfahrung von Schaper hat sicher dazu beigetragen, das Projekt erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Wochen der Anspannung sind plötzlich vergessen. Die Stirn glättet sich, die Lachfalten sind wieder tiefer. "Das zeigt, dass es immer eine Chance gibt, Widerstände zu überwinden und die Anwender vom Gegenteil zu überzeugen." Und wenn es mal nicht geht - weil beispielsweise das obere Management nicht mitzieht? "Dann muss man ein Projekt auch mal aufgeben, so schwer es fällt", erklärt Schaper resolut. Ohne den menschlichen Faktor gehe eben nichts im IT-Projektgeschäft.

Der Text über Elke Schaper findet sich in dem Buch "Helden für den Mittelstand", herausgegeben von Herbert Vogel und Dieter Schoon, itelligence AG, 176 Seiten, deutsch- englisch, Axel Dielmann-Verlag KG Frankfurt am Main, ISBN 978-3-86638-145-2.

Bildquelle: Itelligence und Wikipedia, L. Haefner