Alexander Wöhnl beschäftigte sich immer wieder ernsthaft mit dem Gedanken, das Informatikstudium einfach abzubrechen. Er bestand die Prüfungen aber doch noch, biss die Zähne zusammen und machte weiter. So zog sich das über 14 Semester hin. Er gab seine Bachelor-Arbeit an der Technischen Universität Darmstadt ab - und fiel anschließend durch die letzte schriftliche Prüfung. Das war das Aus. "Für mich war es eine Befreiung", sagt der 28-jährige heute, "endlich konnte ich diesen Schwebezustand beenden."
Stolperstein Mathematik
Wöhnl steht nicht alleine da. Bundesweit brechen in IT-Fächern rund 30 Prozent ihr Studium ab. Warum? "Viele Studienanfänger haben falsche Vorstellungen", so Wöhnl, "und sind dann überrascht, dass man doch viel mit theoretischen Konstrukten und abstrakten Inhalten arbeitet. Und man hat extrem viel Mathematik - das war für mich persönlich das größte Hindernis."
Studienabbruch - und nun? Wöhnl entschied sich zunächst für eine duale Ausbildung als Mechatroniker. Bei der Bewerbung wurde er aber als überqualifiziert eingestuft - die Firma wollte ihn lieber als Studenten einer Dualen Hochschule einstellen. Ein weiteres Studium war für Wöhnl jedoch keine Option mehr.
Über Internet-Foren wurde Wöhnl dann auf "Finish IT" aufmerksam. Bei dem Nachqualifizierungsprojekt des in Karlsruhe ansässigen Unternehmernetzwerks Cyberforum können Studienabbrecher innerhalb eines Jahres einen Abschluss zum Fachinformatiker machen. Parallel arbeiten sie bei einem Unternehmen und verdienen von Anfang an. Wöhnl bewarb sich und erhielt im Juli 2013 einen Platz im Projekt. Er arbeitet heute bei dem Wetterdienstleister EWC Weather Consult in Karlsruhe, der an der Schnittstelle von Meteorologie und IT tätig ist. Wöhnls direkter Vorgesetzter ist Maik Trömel. Er weiß, welches Potenzial Studienabbrecher mitbringen - gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.
"Klar schaut man sich einen Studienabbrecher zunächst noch einmal genauer an", gibt er zu. "Ein Abschluss ist ja auch eine Sicherheit, dass der Bewerber das nötige Grundwissen mitbringt. Wenn es aber passt, so bieten Studienabbrecher für uns als kleine Firma viele Vorteile: Man muss sie nicht so sehr wie Auszubildende an die Hand nehmen. Sie haben gelernt, sich auch autodidaktisch Wissen anzueignen, und können schneller selbständig Projekte übernehmen."
Neue Perspektive
Zudem bringt Wöhnl schon praktische Arbeitserfahrung mit, da er bereits während des Studiums bei einer IT-Firma arbeitete. Diesen Pluspunkt kann auch Daniel Auth vorweisen. Der 36-jährige erwarb im Juli über Finish IT seinen Fachinformatiker-Abschluss. Auth hat ebenfalls lange Informatik studiert, an der Hochschule Fulda. Doch dann lief der Diplomstudiengang aus, und er hätte in den Bachelor wechseln müssen, was sein Studium zusätzlich verlängert hätte. Er entschied sich dagegen und brach ab. "Natürlich fällt man dann erst einmal in ein Loch und muss sich wieder herausziehen", meint Auth. Sein Bruder, der in Karlsruhe lebt, machte ihn auf die Nachqualifizierung zum Fachinformatiker aufmerksam. "Die Perspektive, durch diesen Abschluss neue Chancen zu haben, hat mir geholfen. Auch vom Gehalt her ist das ja was ganz anderes, wenn man einen Abschluss hat."
Auth arbeitete während der Nachqualifizierung bei der Appsphere AG in Ettlingen, die ihn nach seinem Fachinformatiker-Abschluss übernahm.
Die Chance ergreifen
Für Appsphere-Vorstand Frank Roth ist klar: "Ein Abschluss ist für die Qualifikation nicht allein ausschlaggebend. Trotzdem ist er wichtig, denn er zeigt, dass man strukturiert, konzentriert und zielgerichtet arbeitet, dass man sich auch auf den Punkt hin anstrengt, wenn es auf Prüfungen zugeht."
Wer schon einmal gescheitert ist, weiß eine zweite Chance angeblich oft besser zu nutzen - stimmt das auch? "Natürlich hatten wir auch schon Studienabbrecher bei uns, die wirklich Schlendriane waren", erinnert sich Roth, "da hat auch gutes Zureden nicht geholfen. Aber mit den anderen Studienabbrechern haben wir eben positive Erfahrungen gemacht: Sie sind lebenserfahren. Sie wissen um die Chance, die sie kriegen, und sie sagen: Ich zieh' das jetzt durch." (kf)